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4.

Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst- Preis des Bandes (26 Nummern) Jt (5.70. Bei direktem

Handlungen, sowie von allen Postämtern und Bezüge per Krcuzband: für Deutschland und Oesterreich L^XVII 23b

Zeitungs-Expeditionen angenommen. 7.50, für die anderen Länder des Weltpostvereins 8—. J

Erscheinen wöchentlich ein Mal. Einzelne Nummer 3V ^.

Durchlauchs

Man hat über das Capitel der Geistesgegenwart schon
oft und viel hin nnd her geschrieben, und man muß gestehen,
cs erfüllt einen jedesmal mit einer gewissen Hochachtung, wenn
man sieht, wie es jemand' in einer kritischen Lage gelingt, durch
rasches und besonnenes Eingreifen ein Unglück zu verhüten.
Als ein gewiß in seiner Art einzig dastehendes Beispiel von
Entschlossenheit und Geistesgegenwart möge folgende kleine Ge-
schichte ans dem Leben des seligen Bahnhofsrcstauratcurs Herrn
August Gottlicb Schwabe dienen.

Es war an einem der letzten Julitugc 186—, als wie
ein Blitz aus heiterem Himmel Vormittags 11 Uhr 10 Min.
die Depesche aus der fürstlichen Residenz eingetroffcn war, Durch-
laucht werde mit seinem Expreßzuge gegen zwei Uhr P. passiren.
Durchlaucht wünsche seiner Gewohnheit gemäß nur ein äußerst
einfaches Dtncr einzunehmen, dessen Hauptbestandtheil ein Gericht
Forellen zu bilden habe. Herr Schwabe solle das Diner im
Salonwagen serviren lassen.

So unerwartet diese Nachricht auch gekommen war, einen
Mann wie Herrn Schwabe konnte dieselbe nicht ans der Fassung
bringen. Da Forellen ans dem Bahnhöfe nicht vorhanden waren,
so befanden sich bereits nach wenigen Minuten mehrere Kellner
ans dem Wege nach der ziemlich entfernten Stadt, um dort die
nöthigen Fische zu besorgen, während man in der Küche mit den
eingehendsten Vorbereitungen zu dem Diner beschäftigt war. Kurz
nach Zwölf konnte man bereits Herrn Schwabe im Frack und
weißer Halsbinde auf dem Perron auf und ab gehen sehen,
während er mit der Miene eines seiner verantwortlichen Stellung
wohl bewußten Mannes den bläulichen Rauch einer Cigarre von
sich blies. Der Zeiger auf der Bahnhofsuhr wies ans halb Eins,
von den Boten war noch nichts zu sehen. Herr Schwabe zündete
sich mit pedantischer Sorgfalt eine neue Cigarre an. Minute

's Forellen.

auf Minute verstrich; es mußte jetzt in der That befremden, daß
noch kein einziger von den Kellnern zurück >var, indeß >var ja
noch immer Zeit genug vorhanden.

Mehrere Personenzüge kamen von verschiedenen Richtungen
an und Herr Schwabe hatte alle Hände voll zu thun um den
Wünschen der Passanten gerecht zu werden. Als indessen kurz
nach Eins der letzte derselben wieder verschwunden war nnd
noch immer keiner der Kellner sich sehen ließ, fing die Situation
denn doch an, unangenehm zu werden. Vergebens versuchte Herr
Schwabe, die immer höher steigende Besorgnis; njederzukämpfcn;
zum ersten Male in seinem Leben fühlte er, wie ein kalter
Schweiß seine Stirn bedeckte. Wieder und wieder nahm er
sein Lorgnon hervor, um den Weg zu mustern, auf dem die
Boten kommen mußten, — nichts zu sehen. Von der Stadt
herüber erschollen die Glockenschlägc der Thurmnhren, ein Viertel
nach Eins; Herr Schwabe lächelte schon längst nicht mehr, aber
getreu seinen Grundsätzen wußte er sich zu beherrschen. Eine
wahrhaft eiserne Ruhe schien diesem in seiner Art bewunderungs-
würdigen Manne innezuwohnen, denn mit fester Hand zündete
er von neuem seine Cigarre an.

Es war eine förmliche Befriedigung für den Unglücklichen,
sich die Folgen der nun wohl schon unvermeidlichen Verspätung
in möglichst grellen Farben auszumalen. Durchlancht's Jäh-
zorn war bekannt; das Schlimmste, selbst die Gefährdung seiner
Stellung, war zu erwarten, falls Serenissimus über seine
scheinbare Nachlässigkeit in Zorn gerathen würde.

Endlich, endlich erschienen die Boten. Staubbedeckt und
von dem langen Umherlaufen beinahe erschöpft, vermochten sic
kaum das traurige Resultat ihrer Bemühungen zu berichten,
und cs erschien fast wie Ironie, als einer von ihnen mit ängst-
lichem Zögern ein wahrhaft schäbiges Exemplar von einem Fische

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