Fliegende Blätter (77.1882 (Nr. 1927-1952))

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Erscheinen wöchentlich ein Mal. Einzelne Nummer 30

Benedikta.

(Aus einem Manuscripte des 16. Jahrhunderts.)

Wilehalm von Koblinzell! Mein geistig' Auge
sieht Dich stille sitzen im Erker Deines Hauses
an der Hirschgassc zu Rothenburg ob dem Tauber.
Das Abendroth ist hinunter an den Hügeln; von
Sankt Jakobi-Münster lauten sie Dir die Schiebung
— Du hast vollendet. Einsam starbst Du und
das zu Ende geschriebene Heftlein vor Dir auf
dem Tische, das nimmt als Erbin die Stadt
znsammt Deinem reichen Besitze, darauf Du
Hausetest. — Mir hat Deines Lebens Geschichte
unlängst ein lieber Freund zu lesen 'geben, den
ich unter den Rathsmännern Rothenburg's ge-
ivonnen. Ich theil' sie viel tausend guten Menschen
mit, so wie sie lautet: Traurig und stillselig.

Höret denn! — So lautet das Heft:

„Vor zehen Jahren am heutigen Tage ward
Benedikta ein Engel, und, sehet, heut' schloß ich
ab dieß Buch: 17. Mähen ab. di. 1532. So
Ihr, des Rathes Herren, in Euerer Bücherei dieß
Heftlcin möchtet wohl verwahren und Euren Söhnen
und Töchtern dicweilen lesen ließet, wär's nit
unguet und sollt' dem jüngeren Geschlecht wohl
Früchte tragen zu Gottseligkeit und Treu. Mehr
verlang' ich von dem Heftlcin nit, das ich geschrieben
letzter Zeit, als ich merkt', 's ging' bald von
hinnen nüt mir.

Geheimes Hab' ich wenig mehr zu sagen. Ihr
kanntet all' mein Leben, dafern man vom Wandel
im Offnen ein Menschenleben kennen kann. Aber
das Allergeheimest, mein Innerlichstes, wollt' ich
kurz in dem Heftlein niederlegen. Denn meine
allertiefsten Leiden und Freuden hat bisher nur
der allmächtig Gott gekannt.

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