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Eine Fahrt in dir Eisrcgionen des Nordpols.

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später zog der untenstehende den Teller wieder fort, während
sich die oben so schnell geschaffene Fensterscheibe schon in Nichts
I mehr von den übrigen unbeschädigt gebliebenen unterschied.

Doch ich darf mich nicht länger bei solchen Kleinigkeiten
! aufhalten, deren Erwähnung der Leser aber doch vielleicht ent-
schuldigt, wenn er bedenkt, wie neu und wunderbar uns, die
wir auf dem weiten Eisfeld Mondelang gar nicht gehofft
hatten, ein menschliches Wesen zu erblicken, dieses ganze Treiben
und schaffen Vorkommen mußte. So also mit kurzen Worten:
Diese Eishalle war ein unterirdisches Dorf irgend eines Es-
? kimostammes, der hier den strengen Winter dieser Zone, in
der fast unmittelbaren Nähe des Nordpols, auf eine verhält-
! nißmüßig ganz behagliche Weise verlebte; Nebengemächer,
deren Wände Erdivälle bildeten, enthielten ihre Lebensmittel
und Feucrungsvorräthc, und so gewissermassen durch Kälte
( gegen Kälte geschützt, waren die tödtenden Nordwinde, die
! besonders im Februar ihre fürchterlichste Höhe erreichen sollen,

I nicht im Stande, ihnen zu schaden, oder sie auch nur von
ihren Jagdgründen zu vertreiben.

Doch wie erfuhren wir dies Alles? — Kein einziger der
Eskimos verstand weder ein Wort englisch noch französisch,
und ihre eigene Sprache schien uns kaum besser, wie eine
Art unartikulirten Grunzens. Wer beschreibt da mein Er-
staunen, als uns einer der Leute plötzlich in reindeutscher
Sprache, wenn auch mit etwas eskimoischen Dialect, anredete;
j ich sprang augenblicklich vor, und das Mittel >var jetzt ge-
funden, uns zu verständigen. Der Deutsche war in früheren
Jahren einmal auf einem Bremer Wallfischfänger verunglückt
und von den Eskimos ausgenommen, und hatte jetzt die
Familie, mit der er gewöhnlich lebte — denn das Torf war,
wenn auch in einem Raume, doch in verschiedene Familien
abgetheilt — ebenfalls die deutsche Sprache gelehrt. Sein
Name war Gottlieb Schnitze, aus einem Torfe im Oldcn-
burgischcn. Eigenthümlich erwies sich aber die Jdeenverbind-
ung des einen Eskimos, der kaum hörte, daß ich ein Lands-
; mann seines Freundes sei und ebenfalls Schultze heiße, ganz
erstaunt auf mich zntrat und mich frug, ob wir Deutschen
Alle Schultze hießen; mein Landsmann fiel mir aber hier
| in's Wort, und versicherte ihm, es habe in seinem Dorfe
' auch noch Familien mit Namen Müller, Meier und Schmidt
gegeben, und damit beruhigte sich der Eisländer.

Ein Glück war es übrigens, daß wir dieses Dorf ge-
; funden, denn hier erfuhren wir jetzt, wie wir unserem Ziele
- allerdings sehr nahe, aber auch nicht mehr im Stande seien,
der unglücklichen Mannschaft des North Star zu helfen. Etwa
eine halbe geographische Meile von da, und gerade zwischen
; himmelanstarrenden Eisblöcken, die selbst der wärmste Sommer
! nicht aufzuthauen vermochte, hatten sie zum letzten Male ihr
: Lager ausgeschlagen, um es nie wieder zu verlassen; der North
! Star war nämlich, der Beschreibung nach, auf derselben Stelle,
j auf welcher unser Pelican jetzt lag, zwischen treibende Eis-
maffen gcrathen und zersplittert und die unerschrockene Mann-
schaft hatte den tollkühnen Versuch, über den Nordpol hin

sich ihren Weg wiever gen Süden bahnen zu wollen, mit
dem Leben bezahlen müssen.

Mein Landsmann Schultze versprach uns, wenn wir uns
ausgeruht haben würden, dorthin zu führen, denn wir be-
schlossen einstimmig, wenigstens die Ueberreste unserer, ihrem
Pflichteifer gefallenen Kameraden zu besuchen, ehe wir diese
Regionen wieder verließen. Vorher aber war es nöthig, daß
wir uns, was in freier Luft und in der Kälte draußen nicht möglich
gewesen wäre, besser bewaffneten, denn es sollte gerade dort,
wohin mir uns jetzt wendeten, sehr viele und wilde Eisbären
geben, und Capitain Daring rieth uns, die Messer, die wir
bis jetzt unter den Pelzen im Gürtel getragen, an die Stangen
mit Bärensehnen, wie sie hier unten in großem Vorrath
hingen, zu befestigen, und dadurch eine Art von weit wirk-
samerer Lanze herzustellcn; davon riethen uns aber die Es- .
kimos, als sie erst gewahr wurden, was wir beabsichtigten, j
vollkommen ab, und Schultze erklärte uns, in diesem Breiten-
grad dürften wir Eisen unter keiner Bedingung an die freie
Luft bringen, da es die Winterkülte jedesmal, wie das auch j
mit unseren Harpunen geschehen sei, abschnciden würde; da-
für gingen aber die Leute jetzt um so bereitwilliger daran,
uns auf ihre Art mit Waffen zu versehen, und staunend er- !
kannten wir bald, wie weise es doch Gott gefügt, daß jede
Zone auch gewissermassen die Mittel in sich selber trüge,
ihren Uebelständen zu begegnen, oder ihren Bedürfnissen ab- .
zuhelfen.

In dem Breitengrad nämlich, >vo die Luft so schneidend
kalt ist, daß sie einen zerstörenden Einfluß auf das Metall
ausübt, friert das Eis zugleich so hart, daß es sich bei einem
nur mäßigen Feuer vollkommen gut schmieden und hämmern
läßt, und die Leichtigkeit, mit der es zugleich in jede beliebige
Form gebracht wird, grenzt an das Unglaubliche.

Ein gewöhnlicher Eiszapfen wurde nämlich einfach in die
gehörige Länge einer Lanzenspitze mit starkem Fuß abgebrochen,
dann über, oder vielmehr neben dem Feuer gewendet und
gedreht, bis er eine thauige Weiche erhielt, und nun rasch
mit einem steinernen Hammer auf steinernem Amboß in die
verlangte Form geschlagen. Nachher bohrten sie unten, wo-
hinein der Schaft oder die Stange kommen sollte, eine Ocff-
nung, steckten diesen dort ein, gossen Wasser darüber und
hielten die Lanzcnspitze nur wenige Secunden an die freie Luft
und sie war so stark daran befestigt, daß uns Schultze fest
persicherte, wir würden das Holz der Stange zerbrechen, nie
aber wieder, außer durch Hitze, das Eis von diesem trennen
können.

Noch möchte ich, wenn auch nur mit wenigen Worten des
Materials Erwähnung thun, dessen sich dieser Stamm der
Eskimos zur Feuerung bediente. Holz ist, ivie man sich wohl
denken kann, in jenem Breitengrad ungemein selten, und wie
in den holzarmen Distrikten Deutschlands und Irlands, muß
sich deshalb der Eingeborene mit einer gewissen Art Eistorf
begnügen, der jedoch natürlich nicht wie der gewöhnliche Tors
gestochen, sondern mehr wie die Steinkohle geschlagen wird.
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