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Die Folgen eines Frühstücks.

Der Sportel-Einnehmer ging auf seinen Platz, und es
! trat eine jener stillen Pausen ein, wie sie in solchen Expe-
i ditionen von Zeit zu Zeit sich wiederholen, wo man weiter
j nichts hört, als das Geknarre der Federn, und höchstens das
I Quitschen des Deckels einer Schnupftabaksdose.

„Nun, Herr Sportel-Einnehmer, soll ich noch nachlegen?"
frug der eintretende Aufwärter, der eben eine neue Ladung
! Holz und Kohlen hereingetragen hatte.

„Wenn's den übrigen Herren recht ist, meinetwegen,"

; entgegnete der Sportel-Einnehmer. „Ich allein kann darüber
nicht bestimmen, hm! hm!"

Die übrigen Herren winkten aber verstohlen dem Aufwärter,

! seiner Wege zu gehen, und dieser murmelte vor sich hin: „ja
ehe dem Alten der Rock nicht auf dem Rücken verbrennt, wird's
' dem heute auch nicht warm genug sein," und verließ das Zimmer.

Der Sportel-Einnehmer, der das Gerassel der Kohlen-
! schaufel nicht vernahm, sah sich nach dem Aufwärter um,
und als er diesen nicht mehr im Zimmer bemerkte, warf er
seinem jüngern Collegen einen unwilligen Blick zu, und
brummte mit sich selbst sprechend: „junge Leute, alles besser
wissend, ohne Capacität, ohne Tact, hm! hm!" nahm im
I Aerger eine Prise, welche eine gewaltige Vertiefung in seiner
! Dose hinterließ, und fing an, wieder in seiner heute mehr-
fach unterbrochenen Arbeit fortzufahren.

Wieder dafielbe Geknarre der Federn und dieselbe Stille.

Plötzlich begann in dem glühenden Ofen ein Poltern und
Pfeifen, wie das einer ausdampfenden Locomotive. Erschrocken

fuhren alle im Zimmer Anwesenden von ihren Sitzen einpor,
l und in demselben Augenblicke platzte mit fürchterlichem Ge-
l prafiel die Seitenwand des Kanonenofens, eine Wolke dicken
> schwarzen Dampfes ausstoßend und eine Blasse glühender Koh-
! len ins Zimmer schleudernd, während der Ruß wie ein Schnee-
gestöber seine Flocken über alle Gegenstände verbreitete, die
Reposituren und Actenstöße so wie die Cabinete und Gefichter
' der Beamten bedeckend, und ehe vom ersten Schreck sich nur
! irgend einer der Anwesenden erholt hatte, stürzte das Ofen-
j rohr durch diese Explosion erschüttert, herab, und fiel in zwei
j Stücken in die Cabinete des Sportel-Einnehmers und des Herrn
Ductus, und dem erstem glühend heiß auf Kopf und Nase.

Die der Thüre zunächst sitzenden Beamten hatten entsetzt
die Flucht ergriffen, und nur der Sportel-Einnehmer lag

von Ruß überdeckt und der Besinnung beraubt zu Boden ge-
worfen, indeß die Nachricht von diesem Unfall das ganze
Rathhaus in Bewegung brachte.

Bürgermeister und Käminerer, Rathsherrn und Actuare,
Personal- und Hundesteuer-Einnehmer, Executoren, Chaisen-
träger, Rathsdiener, Fleischbüttel, Marktmeister und Feuer-
wächter eilten nach der seitswärts gelegenen Expedition und
prallten im ersten Augenblicke erschrocken vor dem ihnen eut-
gegen qualmenden Dampfe zurück. Allein die das ganze
Rathhaus bedrohende Feuersgefahr gab dem Bürgermeister
und Kämmerer die nöthige Geistesgegenwart, und bald waren
sämmtliche Feuerwüchter und Rathsdiener, herbeigehvlte Maurer
und Zimmerleute beschäfttgt, den immer noch in dumpfer
Gährung begriffenen Ofen unschädlich zu machen. Während
durch die geöffneten Thüren und Fenster der Qualm abzog,
und aus dem Ofen die glühenden Kohlen herausgeschaufelt
wurden, machte der Marktmeister und der Rathswachtmeister
die Entdeckung, daß der Herr Sportel-Einnehmer besinnungs-
los in seinem Cabinete lag und Herr Ductus gar nicht da
gewesen war. Nicht ohne Anstrengung brachte man den
Ersteren wieder ins Leben zurück, allein der alte Mann war
keines Wortes fähig, wies auf seine Nase, welche von Ruß
geschwärzt, mit Brandblasen bedeckt war, und sank ächzend
vor Schmerz aus den Armen des Marktmeisters wieder zu
Boden, wobei man die Bemerkung machte, daß sein Athem
unter dumpfem Röcheln zu erlöschen drohte. Eine Chaise
brachte den verunglückten Sportel-Einnehmer in dessen Wohn-
ung, er sollte sein Cabinet nicht wieder sehen, denn er starb
in Folge des Schrecks zwei Stunden nach jener Explosion. —
Die jüngern Beamten waren unterdeß beschäftigt gewesen,
sich vom Ruß zu reinigen, und freuten sich dabei im Stillen,
daß vor der Hand die Expedition geschlossen werden mußte,
und daß sie bei dem Unfälle so leichten Kaufs davon gekonimen
waren, und entfernten sich, während die Feuerwächter und
übrigen dienstbaren Geister die letzten Spuren des Feuers
erstickt hatten und den Scheuerweibern das leergewordene Zim-
mer zur Reinigung überließen, in welchem der nun ausge-
tobte zertrümmerte Ofen hohl und schwarz aus seinem Innern,
wie die Trümmer eines Schornsteins, ttaurig auf das vom
kalten Luftzug durchsttömte Expeditionslocal blickte. —

Die Kunde von diesem Unfall verbreitete sich in der ganzen
Stadt, und auch das Dienstmädchen des Herrn Ductus, welcher,
während sie ihn gesucht, wie wir wissen, zu Hause angelangt
war, brachte die Nachricht mit nach Hause, nur mit dem klei-
nen Zusatz, daß das halbe Rathhaus ausgebrannt sei, und
zwei Rathsherren, ein Actuar, ein Acteninspector, drei Per-
sonalsteuereinnehmer, vier Copisten und zwei Executoren dabei
erstickt, unter den Trümmern hervorgezogen worden wären; und
Madame Ductus faltete mit dankbarer Rührung die Hände,
und pries die gütige Vorsehung, welche ihren Herrn Gemahl
in die Bleizuckersche Weinstube, statt in seine Expedition ge-
führt hatte, da er dort eben so, wie der Sportel-Einnehmer hätte
verunglücken müssen; dieselbe Ansicht theilte auch der Rathsbote,
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Folgen eines Frühstücks"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Ofen
Karikatur
Explosion <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 8.1848, Nr. 190, S. 170
 
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