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Die Geschichte von der grauen Stute.

187

II.

Und am andern Morgen rief den
Gast Sir Wise in seinen Schloßhof,

Wo gezäumt fünf Pferde standen
Und ein großer Sack voll Eier.

„Reite nun, mein Sohn, nach Hause,
Ralf, mein Knapp', soll Dich begleiten,
Reite heimwärts quer durch England,
Ueber all' die vielen Wasser,

Forsche nach in jedem Schlosse,

Jedem Haus und jeder Hütte:

Find'st Du, unter einem Dache,

Sei der Mann der Herr, so schenk' ihm
Eins der Pferde dort. Die graue
Stute ist das schlechtste!" — „Freilich!
Und der Fuchshengst ist das beste;

Das erkennt, wer je ein Pferd sah." —
„Find'st Du aber, daß die Gattin
Führt das Regiment im Hause,

Nimm ein Ei aus jenem Sacke —

Just fünfhundert sind darin, John! —
Und der Hausfrau schenk' es schweigend.
Wenn Du früher die fünf Pferde
Los wirst, John, als die fünfhundert
Eier, nehm' ich Dir die Tochter
Wieder ab, mein armer Johnnie.

Wirst Du aber früher fertig
Mit dem halben Tausend Eier,

Als mit jenen fünf Stück Pferden, —
Dann behalte meine Tochter,

Denn dann siehst Du, lieber Eidam,
Daß Dein Loos nicht ungewöhnlich!"

III.

Wohl zufrieden war's der Eidam,
Stieg zu Roß und ritt von dannen
Mit den Pferden und den Eiern
Und mit Ralf, dem alten Knappen,
Und an jedem Schlosse hielt er,

Hielt an jedem Haus und Hüttlein,
Ucbcrall mit Fleiß erforschend
Bei dem Ritter, Bürger, Bauer,

Wer im Haus die Herrschaft führe.
Ueber'n Tanat und den Weaver,
Ueber Terent und die Dove,

Ueber Trent und über Welland,

Ueber Ouse dahin und Aare
Kam er und die ander'n Wasser: —
Vieler Eier ward er ledig,

Daß der Sack schon beinah' leer war.
Und inzwischen wuchs gewaltig
Ihm die Sehnsucht nach der Süßen,
Nach der Holden, nach der Blonden,
Mit den blauen Heil'gen-Augen;

Wie sie schwebet, wie sie ruhet,

Wie sie lächelt, wie sie schmollet,

Ach im Schmollen noch so lieblich,
Ach und vollends, wie sie küsset, —
Tag und Nacht mußt er's gedenken.
Und so kam er, nah der Heimath,
Mit fünf Pferden und fünf Eiern
In das Schloß des Grafen Warwick,
Welchen Schotten und Franzosen
Nur den „Lord von Eisen" nannten,
Desseit Wille nie gehemmt tvard,

Dessen grimmer Zorn gescheut ward
In Paris und Edinburgh.

„Hier werd' ich ein Pferdlcin los doch!"
Denkt der Gast und sieht mit Freude,

Wie die kleine, zarte Lady —

Maud war eigentlich ihr Name,

Lady Demuth nannt' ihr Mantl sie —
Ganz zerschmilzt in eitel Sanftmuth.
Niemals wagt sie and're Meinung:

Tritt der Lord nur in die Halle —

Auch im Haus in Eisen geht er —

Zittert Alles: und am Meisten
Zittert vor ihm Lady Demuth. —

Nach drei Tagen sagt der Gast den
Wirthen offen seiner Einkehr
Ursach' und ersucht den Hausherrn,

Mit ihm in den Stall zu schreiten
Und das Pferd sich von den fünfen,

Das ihm ansteht, auszusuchen.

„Und Mylord, Ihr seid der Erste
Eh'mann zwischen Bar- und Jar-mouth,
Dem ein Rößlcin ich darf schenken.

Denn — bestätigt, Lord und Lady! —
Wie ich's fand in den drei Tage»,

So steht's immer im Hause:

Widerspruch und Eigcntville

Lady Mauds wird nie geduldet?" —

„Ei behüte! Welche Sünde!"

Ruft die Lady und verkriecht sich,
Stirnesenkend, augensenkend,

An der breiten Brust des Gatten.

Dieser aber, waffenklirrend,

Ruft: „Bei Gott! Ich heiße Warwick!
Frag' in Schottland, frag' in Frankreich,
Was das heißt. — Und dieses Weiblein -
Mit zwei Fingern bräch' ich's mitten —
Sollte mir? —" der Zorn erstickt ihm
Bei'm Gedanken schon die Stimme.

In dem Stall steh'n Gast und Wirthc.
„Dort den Fuchshengst", sprach LvrdWarwick,
„Werd' ich wählen; 's ist das Beste
Von den Fünfen unverkennbar." —
„Nein, Du nimmst die graue Stute!" —
„Aber Weibchen, nimm Vernunft an!" —
„Brauch' ich die erst anzunehmen?

Bin ich also regelmäßig
Unvernünftig? Warwick, Warwick!

Dort die graue Stute nimmst Du,

's ist das beste Thier von allen.

Nimm's! Sonst — wirst Du's lang be-
reuen !

Nun, wie oft noch soll ich bitten?" —
Und das kleine Füßlein stampfte,

Daß die Spreu im Stall umherflog.

„Ja, — 's ist wahr", sprach zögernd Warwick,
„Ja, — wenn ich es recht erwäge, —

's ist das Beste von den Fünfen.

Ja, — die graue Stute wähl' ich!" —
Doch John Rash ries: „Ralf, den Sack
her!"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Geschichte von der grauen Stute"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Simm, Franz Xaver
Entstehungsdatum (normiert)
1886 - 1886
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 84.1886, Nr. 2133, S. 187
 
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