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39

Dic beiden Geiger.

Tagesgrauen, nachdem der letzte Triller ihrer Lieder im thau-
tropfenden Hag verhallt, zum Weitcrwandern erhoben, da um-
faßte Konrad, der trotzige Konrad, jubelnd den Hals seines
neuen Genossen und drückte einen Kuß aus seine Lippen.
„Du bist mein Herzbrnder und sollst cs bleiben, so lange
wir leben! Der Rath in Egcr aber mag selbst entscheiden,
wer von uns der erstrebten Ehre würdig ist; indeß wir jedoch
weiter wandern — dem Ziele entgegen — sollst Du's erfahren,
warum mir so viel daran liegt, in der ehrsamen Reichsfeste
Stadtpfeifer zu werden!"
Und beim Schreiten durch die Dämmerhelle des erwachenden
Tags erfuhr es Fried, der arme, wandernde, heimathlose Fiedel-
mann, der sein Leben lang mit dem singenden Holz und dem
licd- und leidvollcn Herzen von Stadt zu Stadt, von Thür
zu Thür gezogen, wcßhalb ihm Konrad jenes Amt streitig
machen wollte, nach dem sein wandcrmüdcr Sinn mit so heißer.
Sehnsucht strebte.
Vor wenig' Wochen noch war Konrad, der Geiger, ein
schmucker Ritter gewesen, der dic Fiedel nur zu schöner Frauen
Preis und zum Ergötzen seiner fröhlichen Genossen beim Weine
rührte und sich's nicht träumen ließ, daß sie, die er hoch wie
ein edles Liebchen hielt, ihm so bald das Glück seines Lebens
erkämpfen helfen sollte. Er war als der jüngste Sohn eines
armen, stolzen Grafen auf keckem Felsenncst in den Gauen
Throls zur Welt gekommen und hatte nicht darüber Nachdenken
lernen, was cs heißt: arm und edelgcboren zu sein. Lachend
sträubte er sich, als sein Vater ihm vorschlug, im sicheren
Schutze der Klostcrmaucrn jenem trüben Geschick zu entgehen.
Ach Freiheit, Freiheit, das war ja das einzige, was er außer
seiner Fiedel, seiner treuen, beweglichen, zärtlich geliebten
Freundin noch vom Leben begehrte. Freiheit, Freiheit! Und
nun war er doch gefangen, auf ewig verstrickt, unlöslich ge-
fesselt. Aber die Baude, dic ihn hielten, waren so süß und
das Weh, das sic ihm verursachten, so köstlich und hold, daß
er es um alle Schätze der Welt nicht hätte missen mögen.
Im Lenz des Jahres hatte ihn ein Turniergebot seines
Kaisers und Herrn, des mächtigen Karl vom Hose der Baben-
berger, an dem seine bescheidenen Lorbeeren wuchsen, hinweg
nach Prag gelockt, das jetzt so frisch und mächtig emporblühte.
Fröhliche -rage des Ruhms, sonniger, ungetrübter Lebenslust,
Waren ihm dort erwachsen. Bei Lanzenstechen und Bechcrklang
waren dic Tage sorglos geschwunden — bis jenes Frühlings-
sest kam, jenes unvergeßliche Johannesfcst, das die Prager, halb
dem hohen Heiligen, halb der Anwesenheit ihres ritterlichen
Kaisers zu Ehren, so prunkvoll und glänzend begingen, wie cs
scither noch nicht geschehen. In langem, festlichen Zug, unter
dem träumerischen Sang der Glocken, wallte dic Procession
durch die Straßen über den Marktplatz nach dem schönen neuen
St. Vcitsdom, vor dessen Thor Konrad spähend stand, um den
rosigen, weißgekleideten Dirnen, die mit Kerzen und Blumen
in den Händen an der Spitze des Zuges wallten, einen Blick
aus den frommen Augen zu stehlen. Damals sah er sie zum
ersten Mal, deren Bild seitdem und für ewige Zeiten sein Herz
beherrschte. Herrlich schritt sic dahin, stolz und mild zugleich



mit dem reichen, weißen Gewand und dem Kranz im Gold-
haar, mit dem Schmelz der Jungfrau auf den zartgefärbten
Wangen nnd dem Lächeln eines glücklichen Kindes auf dem
kleinen vollen Mund. Als sie an ihm vorbeischritt, hob sie
einen Augenblick lang die seidenen Wimpern, und ein voller
Blick aus ihren dunklen, schimmernden Augensternen glitt über
ihn hin. Als er ihr dann nachsah, wie sie weitcrging, erröthend
und mit gesenktem Köpfchen, da war das Wunder schon ge-
schehen, da war sie schon ein Theil seines Lebens, ein Theil
seines unsterblichen, innersten Seins, ein Theil seiner Hoffnung
auf ewige Seligkeit. Sie wiederzuschen und sich von ihr sehen
zu lassen, war seitdem das Ziel seiner Wünsche. Ein paar
Mal noch tauchte ihre Gestalt flüchtig vor ihm auf; ein Mal
gelang's ihm sogar, während der Messe im Dom neben ihr zu
stehen und den Rosenkranz, der ihr entfiel, mit ritterlicher Ver-
beugung in ihre feinen Finger zurückzulegen; dann, nachdem er
ihr Blumengesicht hinter den Rosmarin- und Nelkenstöcken eines
ehrwürdigen Bürgerhauses am Markt entdeckt und er seitdem
allabendlich vor jenem Hause seine treue Geige für sich reden
ließ, glaubte er einst,
das Klirren des Erker-
fensters deutlich zu ver-
nehmen und fühlte, wie '
ein kühles Zweig-
lein im Hernieder-
fallen seine Stirne
streifte. Als er am
andernMorgen im
Uebermaße seines
Glückes, dic grü-
nen Rosmarin-
blätter am Hut,
keck und stolz über
denMarktplatzritt,
um ihr einen Gruß
zu senden, fand er
die bleigefaßtcn
Scheiben der Kem-
nate weit geöffnet
und die Blumen
verschwunden. Dic
Mägde am Brun-
nen aber erzähl-
ten sich's und auch
er erfuhr es bald,
daß die schöne
Katharina Goßwein, ^
die ein Jahr lang bei
ihrem Ohm und Pathen, dem reichen Rathshcrrn Vincenz
Weiden, an Stelle der gestorbenen Hausfrau hautirt, nun von
ihrem Vater nach der Hcimath, der Feste Egcr, hcimgeholt
worden sei. Konrad's Liebe aber erblaßte nicht, weil sie den
Flug ihrer Gedanken nun weiterhin entsenden mußte — von Tag
zu Tag erblühte sie duftender und wärmer, und che noch der
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die beiden Geiger"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mittelalter
Fenster <Motiv>
Geiger
Violinspiel
Möbel
Karikatur
Liebeswerben <Motiv>
Lauschen
Junge Frau <Motiv>
Damenmode <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 88.1888, Nr. 2218, S. 39
 
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