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Die Wacht im Osten: Feldzeitung der Armee-Abteilung Scheffer — 1916 (Januar - Dezember)

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(Nr. 123-152, April 1916)
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Die Wacht i« Osten

Relfige zu: Stille. hter liegt BiSmarck
irgendwo.... Sein steinern Standbild
steht über Hamburgs Hafen, ins lleber-
m-nschltche gestetgert, dte Erscheinung des
Schirmers und MahnerS, Deutschlands
gutes Gewissen l. Als Anfang August 1914
der Krieg erllärt war, da strömten dte
Zehntausende auf den Königsplatz in
Berlin vor dem Bismarckstandbild am
Retchstagsgebäübe zusammen, um in tief-
ster Ergriffenheit mtt Bismarck Zwiesprache
zu pflegen und seinen Waffensegen zu er-
bitten. Wir orientieren uns an Bismarck
— nicht in sllavischer Nachahmung seiner
Lußeren oder gar seiner inneren Politik,
vtelmehr an seinem weitschauenden Auge
uud an Mner biS in den Tod getreuen
Seele. "

Bismarck, das fühlen wir, ist das Mark
Deutschlands. Wtr schreiten über ihn hin-
aus mtt den neuen Trieben des Geistes
und der freien Weltbewegung, die uns in
unsere Zukunft weisen — fie ergänzen
BiSmarck; Btsmarck ergänzt fie. Er bletbt
das Eiseu auch im Blut der neuen Zeit —
vor der er auf dem Berge stehen blieb,
ohne das gelobte Land selber noch zu
betreten. Bismarck gehört allen Deutschen
zu; dte Parteien, welche er bei seineu Leb-
zeiten bekämpst und die wider ihn gestrttten
haben mtt heißer Leidenschast, schließen um
ihn de» goldenen Rahmen, der sein ver-
ewigtes, damit verllärtes Bild etnheitlich
umfaßt. Wofür er seine Lebensarbeit
eingesetzt hat, das sprang in unserem Welt-
kriege zwanglos, aus seiner eigenen Quell-
ttefe ans Licht brechend, zu unserer Ueber-
raschung auf: Staat und Einheit, Reich
und Macht Deutschlands stnd unser aller
uationales Eigentum — welche Krönung
und Rechtferttgung für Bismarcks Lebens-
werk! Rings über Deutschland stehen fie
auf hoher Wacht, „Generalstab der Geister,
mitwattend über der Schlacht", unter ihnen,
an Luther gemahnend, der Landsknecht
Gottes: Bismarck, großhäuptig, geharnischt,
pallaschbereit, des ewtgen Bundes Kanzler
in Ewigkett! Seine Reden gehen lebendig
um unter seinen nachdenkltchen und in je-
Ler Einzelerscheinung thren sachlichen Zu-
sammenhang suchenden Deutschen mit der
sesten Faust und dem besonnenen Sinn;
seine Menschlichkeit und auch Allzumensch-
lichkeit wollen wir nicht miffen und mögen
wir nicht meiftern — auf diesem Herde
wuchs und nährte fich die Flamme, dte als
RauchsSule am Tage und als Feuersäule
in der Nacht unserem Volke voranzieht und
uns den Weg wetst zu unserer alten Ehre
und zu unstrer neuen Größe.

Otto von Bismarck ist nach Wesen und
Wirkung hoch hinausgediehen über die
Schichten, von denen er herkam, als Ver-
körperung etwa des altpreußischen Adels
im altpreußischen Staat. Er trägt die
Merkzeichen des Genies: Steinwürfe und
Hofiannahrufe, Palmenzweige und Dornen-
krone, und er blteb einsam, so sehr ihn die
Welt umrauschte, ein Streiter mit seinen
«tgenen, in ihm ringenden Gegensätzen von
stürmisch zorniger Trotzigkeit und beschau-
licher Jnnigkeit — etn Sieger voll Gesund-
hett, Größe und Naturgewatt.

Als der im Vorjahre uns zu früh ent-
rissene, weltberühmte Leipziger Historiker
K«rl Lamprecht zum erften Male bei Bis-
marck als Gast tn Friedrichsruh empfangen
wurde, notierte er fich in seinem Tagebuch
über die denkwürdigen Stunden: „Mein
erster Etndruck war Beklommenheit Jch
bin nicht dazu gekommen, dem Fürsten
Glück zu wünschen. Daun Bersuche, mich

dem Jmponierenden diests Stücks ver-
menschltchter Weltgeschichte zu entziehen
durch Widerspruch, Aeußerung Posttiver
persönlicher Gedanke«. Aber alleS geriet
ungeschickt. Schließlich Gefangengabe nicht
an die Größe, sondern an den Zauber
dieser Persönlichkeit. Jch verstehe, wie die
Hausgenoffen ihn hundctreu verehren
müffen. Jch würde, glaube ich, bei längerem
Zusammensein tn ein BerhSltnis traultcher
Berehrung zu dem Fürsten kommen, das
mich ihm gegenüber auch wieder frei machen
würde."

Jm Jahre der Schlacht von Waterloo
wurde Bismarck geboren - heute, nach
hundert Jahren, wehren wir uns unter
Bismarcks Geleit wider dte Heimtücke Eng-
lands und seiner Bundesbrüder. Empfinden
wtr Btsmarck als ein Ende und als eine
Erfüllung, da er und seine Zeit in manchem
Betracht abgeschloffen hinter uns liegen,
so preisen wir doch diese vergangene Wirk-
lichkett, diese geschichtliche Tat, diesen mensch-
lichen Wert, die sein Name bedeutet,
als unsere strahlende deutsche Verheißung.
Fremd, edel, gewalttg schritt er durch setne
Zeit — und bleibt uns allen gegenwärtig
als bestes Teil unseres eigenen Lebens.

Ernst von Wildenbruch schrieb zum
1. April 1890 dem Fürsten Bismarck, den
unverwellltchen Kranzgruß, den wir heute
erneuern:

Du gehst von deiuem Werke,

Dein Werk geht nicht von dir —

Da wo du bist, ist Deutschland,

Du warst, drum wurde« wir.

Was wir durch dtch geworden,

Wir wiffens's und die Wett —

Was ohne dich wir bleibe»,

Gott set's anheimgestellt.

Amerika nnd Mexiko.

lSchluß.)

Noch fieht man nicht klar, welche trei-
benden Kräfte hinter der mexikanischen An-
gelegenheit stehen. Es gibt Leute, die auch
in dteser Verwtrklichung ejn Wahlmanöver
Wilsons erblicken, der nach ihnen die ver-
meintlich billigen Lorbeeren kriegerischer
Erfolge gegen Mexiko bei seinem bevor-
stehenden Wahlfeldzug verwenden möchte.
Aber abgesehen davon, daß es noch sehr
zweifelhaft ist, ob Wilson dieser Lorbeer
blüht, und ob er ihn, wenn er ihn erlangt, so
billig erstehen kann, wird man gegen diese
Auffassung wohl einwenden können, daß
PrSfident Wilson bisher sehr Sngstltch
jedem Zusammenstoß mtt Mexiko aus dem
Wege gegangen ist, obwohl es an Heraus-
fo'rderungen von mexikanischer Seite keines-
wegs gefehlt hat, und obwohl ihm von
verschiedenen Blättern beretts früher wegen
dieses Verhaltens SchwSche vorgeworfen
worden ist. Der Grund sür die Zurück-
haltung Wilsons war die Rückstcht auf den
gegenwärtigen Weltkrieg. Dieser Grund
besteht aber heute noch ebenso wie früher,
heute vielleicht sogar noch in verstärktem
Maße. Man wtrd demnach kaum fehlgehen,
wenn man annimmt, daß Wilson und seine
Regierung gegen thren Mllen in das mexi-
kantsche Unternehmen verwickelt worden
find.

Was auS diesem Unternehme« noch ent-
steht, läßt fich schwer sagen. Auf alle
FSlle ist die Notwendigkett eines krie-
gerischen Vorgehens gegen Mrxiko ein
deutlicher Hinwets für die Amertkaner, an
dte Verteidigung des etgenen HauseS zu

denken, statt fremden Leuten Waffen zu
liefern. Von diesem Gefichtspunkte aus
dürfen.auch wir die Entwicklung der Dinge
zwischen Amerika und Mexiko mtt ge-
spannter Tellnahme - verfolgen. B. R.

Ameriknner über Kriegsanletheu.

Jm Hmblick auf den neuen glLnzenden Erfolg un-
serer KriegSanleihen verdient ein Urteil über di«
AriegSanleihen unserer Feinde auS einem amerikani«
schen Blatte hervorgehoben zu werden. Dte „Ren-
yorker StaatSzeitung- vom 85. Februar schreibt uyter
der Neberschrift: „O weh, die alliierten AriegSbondt!"
würtlich:

,Die Alliierten-Anleihe, welch« im letzten Herbst
mit Pauken und Tromveteu hierzulande vom Stapel
gelaffeo wurde, hat fich »achgerade zu «iuer Tragi-
komödie herauSgearbeitet. Wer nicht« davon hat, will
uichtS, und wer BondS hat, will sie wieder loSwer-
de»! MLnniglich bekaunt ist, daß dte anglo französi-
schen BoudS beim amerikanischeu Publikum nicht unter-
gebracht werden konuten. DaS einzige, waS dem Syn-
dikat dann übrig blieb, war, daß man d:e Papiere den
MünitionSfabrikauten aufhLngte. Schwab nahm Mil-
lione», Dupont nahm Millionen, und audere deSglei-
chen. So wurden vou der „Billiou" etwa 300 Mil-
lionen glücklich loSgeschlagen. Der Pulverfabrikaat
Dupout beeilt fich jetzt, die 30 Millioneu, die er hatte
nehmen müffeu, auf seine »ktiontre iu Form einer
Divideude abzulade». Eine Extradioidende »on 33»/,
v. H. ist erklärt wordeu, uud oavoa werdeu nua 3'/,
v. H. iu wirklichem Seld uud 13 o. H. i» Alliierteu-
bondS auSgezahlt. Werden fich die »ktiouüre aber
freuen! RLchsteuS mögeu dies« schöuea „Wertpapiere"
wohl uoch von Haufierer» uebst HoseutrLgeru auf der
Straße auigebotea wrrdeu. DaS »eunt maa „Llliier-
teu-«redit"."

Die Lage ü» Mesopotamie«.

DaS AriegSamt teilt mit: Unsere StreitkrLfte, die
am rechlea Ufer deS TigriS vorgiageu, aahme» deu
kleiaeu türkischeu Posteu iu Felahie am 15. MLrz
durch einen überraschenden Rachtaagriff. llasere Ber-
lust« betrugen uur 4 Mauu. »m 23. RLrz meldet
Seneral TowuSheud, daß seia Lager bei Ikut-el-Lmara
«om 31. biS zum 33. MLrz von feiadlichea Flugzeu-
geu uud Kanoaen befchoffen wurde. Die Berluste
«are» gering. Die allgemeine Lage ist unverLndert.

„Sedaiislam" meldet auS dem Jrak, daß bei hef-
tigem Gewitter im Jrak der Blitz iuS euglische Haupt-
lager iu Bedre einschlag und dort große Berwüstuu-
geu hervorrief. Die Z-Hl d-r Opfer ist noch uabe-

Die „TimeS" schreiben, hoffentlich werde spLter fest»
gestellt werdeu, wer kür deu HSchst uaglücklichra Sut«
schluß verautwortlich sei, mit eiaer Lußerst uazureichea-
den Truppenmenge von Kut-el »mara aach Bagdad
vorzurücken. ChamberlaiuS Entschuldiguugeu über deu
Mangel an TrauSportmitteln auf dem TigriS bewie-
sen, daß die Marinebehörden in Jadieu fich sehr weuig
zu helfen verstaaden. Deun die SchiffahrtSverhLltaiffe
auf dem TigriS und Eapbrat ieien sehr geuau bekanut,
und geeignete Booie HLtren in Jndien gebaut wcrdea
können, wLhrend man stattdeffea ia der ganzeu Welt
danach suchle. WSre daS geschehen. so würe General
Toivnshend keine Woche lang in Kut belagert worden.
Ein erfiaunlicher Mangel an UrteilSfLhigkeit und die
törichtfte V-rachtung des FeindeS HLttea zu Frontan-
griffen aul einer Ebene ohne artilleristische Unterstüt-
zung geführt. DaS ErgebmS sei furchtbar.

Knnst, Sport »nd Srieg.

»on v. W.-R.

.. (Schluß.)

Solche Eiadrücke benutzen unsere Feinde aber b«>
sonder- gern, um unter Entstelluug der Tatsachen urrb
llmdrehung der Wahrheit bei den Neutralen Stim-
muug gegeu unS zu machen. Demselben Zweck mache»
fie deu Lusttaniafall dienstbar. Der bildet ein besoa-
dereS Kapitel britischer Seelenkunde. Der erianert fich
nicht an den Stolz Englands, als vor einigen Jahreu die
neuea Schwesterschiffe „Lusttania" uud „Mauretaaia"
unserer Hamburger Lini« da» blau« Band deS
OzeanS abgewannen? AIS sie zum erfieuwal iu sürrf
Lagen die lleberfahrt nach Neuyork erzwaugen? Da ist
uuu dem Kiade seirr liebstes Spielzeug zerbrochen wor-
den. Oder dem Sportsmann sein dest-S Sportwerk-
zeug.. Deu» diese Streckengier war Sport. Jhr ist
einst die „Titanic" zum Opfer gefallen. Groh war
demal» das Mitleid der Welt, zahlreich die BeileidS-
kundgebungen Deutschlands. Und dieseS selb« Deutsch-
land oerseukt jetzt abstchtlich einr „Lusttarria"? Di«
Barbaren! Jetzt erkenut man ihre rvahre Ratur, sagt
John Bull. Ja, Michel ist eben sanftmütig und mit-
leidSvoll, wena er i» Frieden leben kaun — abrr zoa-
nig, weun er gereizt wird, und sehr ,u fürchtea, wena
 
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