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Die Wacht im Osten: Feldzeitung der Armee-Abteilung Scheffer — 1916 (Januar - Dezember)

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(Nr. 245-275, August 1916)
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https://doi.org/10.11588/diglit.2910#1099
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^ sr 6 rAo ^rsrr/s/srr rrrrS A^rrg/snA^r


Me toll wird
daS Heulen. daS
Zischen in der
Luft, das Krachen
der platzendenGe-
schofse, die weite
Ebene scheint zu
dampfen, so stet
gen hier, dort,
überall die Rauch-
und Vtaubwolken
auf.

Mit einer
wahnfipnigenMu-
nitionsverfchwen-
dung überfchüttet
die rusfische Ar-
tillerie den ein-
samen Retter. — Der aber erreicht
ungrfährdet den Waldsaum, lockert
noch einmal den Säbel in der
Scheide, den Browning in der
Gürteltasche und trabt dann hin
mit maüen, kaum hörbaren Huf-
schlägen über den moofigen Wald-
boden. — Und er verfinkt aufs
neue in Gedanken. — Der Tag
fällt ihm ein, wo er, aus dem
Urlaub zurückgekehrt, im Hause
des Regierungspräfidenten zum
erstenmal der jungen Gattin seines
Regimentskommandeurs gegen-
übersteht. — Mein Gott, was
ist aus dem eckigen Backfisch ge-
'wordm im Strome der Zeit. Hoch,
königlich die Gestalt, wie seltsam
lmchten im blassm Geficht die von
schwarzen Wimpern überschatteten
blauen Augen; wie wunderbar
blitzm und gleißen die Brillantm
im wogmden, lodernden Fmer-
meer des duftigen, üppigen Haares.

— So steht fle ihm gegenüber am
Kaminfeuer der kleinm Biblio-
thek, während von der Ferne
grdämpft und unwirklich der Lärm
des Festes herüberklingt; und so
sagt ste mit der tiefen, klarm
Altstimme, in seltsam wie aus
Herzenstiefe vibrierendem Halb-
ton: »Herr von
Rettberg, wissm
Sie rpech, daß Sie
meine Backfisch-
sehnsucht warm?

Der Traum mei-
neS sechzehnjäh-
rigen Mädchm-
herzms?* — Ein
mokantes Lächeln
zieht um ihren
Mund, ein Lä-
chrln, das von
spöttelnderSelbst-
betrachtung er-
zähtt! Da wallt
seinheißeSReiter-
blut, schäumt in
dm Adern, pertt
wie Sekt unter
der Haut, da
beugt er fich tief
nieder über die
Hand der jungen
Kommandeusr.

— Dann kam der

Ltn anamittsches 'Sataillon aus vem europatschen «negsschaupiay

Ein britischer Sergeant am Schützengraben-Periskvp bei Salontki

Etn Feldbazar in «inem anglo-indischen Lager am TigriS

tRach «ugUschm Tartzellangen)

Krieg. Leichten
Herzens rückte er
aus, standmitdem
Regimmt in Bel-
gim,inFrankreich
und jetzt hier in
Rußland. — Und
hier traf's ihn,
das Unerwartete,
Lolle, Undenk-
bare, diese wahn-
witzigeJronie des
Schicksals, —
Graf Tauenries,
ihr Gatte, machte
ihn zu seinem Ad-
jutantm. — Hei,
wie das ihn
peitschte, ihn traf bis ins Blut,
wie das tiefer fraß, je mehr und
mehr er den Grafen kmnmlernte,
diesen wunderbarm, anspruchslosm,
gütigm Mmfchen, diesen ernsten
ehrlichm und in seiner Lebens-
anschauung so keusch und schlicht
denkendm Soldatm. Wie ein
Bater war er zu ihm, nicht wie
ein Vorgesetzter. — Tief, ganz
tief wühlte die Scham in seinem
Blut. — Durch dm Wald kam's
wie Pferdegetrappel. Da verhielt
er den Gaul, und lugte, den
Revolver fchußbereit in der Hand,
durch die nickendm Zweige. —

Sah die zwei Lanzenfähnchm
lustig flattern, schwarzweiß. Da
wußte er, Gefechtsordonnanzen,
die sein Regiment suchten, spornte
den Gaul und trabte ihnen mt-
gegm.

„Herr Kamerad?"

„Befehl vom Oberkommando!
Regiment greift 11 Uhr 30 an."

Und dann die näheren Details,
ein Händedruck über die Kruppe
der Gäule, dann rissen die Offi-
ziere die Pferde herum.

Also zum Angriff vor!

Gott sei Dank!

Wie weggewischt war all das
Grüblerische,
selbstquälende
Lräumm, Hau-
gm am Ber-
gangmen, Furcht
vor dem Kom-
mendm. Jetzt
kam erst die
schöne srische,
fröhliche Reiter-
schlacht; Säbel
heraus, Lanzen
gefällt und dann
wie's Ungewitter
übers Blachfeld,
daß die rotm
Blutrosm sprie-
ßen und auf
bleichen, toten
Gefichtern seltsam
aufglühm.

Und ganz plötz-
lich sprang ihn
der Gedanke an,
groß, still, wie
:in Wink mit Er-
 
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