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ephesische Sophist Damianos (circa 150—220 n. Chr.) auf seinen Grundstücken am Meere
besaß, da sie Hafenquais hatten, die den ein- und auslaufenden Lastschiffen Ankerplätze
boten. Am Ende jener Bank aber nahe dem Meere findet sich eine künstliche Terrasse, auf
der sich, nach einigen gewaltigen Fundamentblöcken zu schließen, ein monumentaler Bau
erhob. Ein ausgezeichneter Beobachter, Professor G. Weber in Smyrna, hat hier einen Tempel])
vermutet; wahrscheinlicher aber wäre ein Leuchtturm, der ja überhaupt der Flußmündung,
seit sie mit solchem Aufwande als Einfahrt gesichert war, nicht fehlen konnte. Doch
bedürfen die Terrainverhältnisse der Endstrecke des Kaystros mit ihren antiken Resten
einer eigenen neuen Aufnahme, die Bestimmteres herausstellen wird.
Die Erwartung, daß sich für einzelne Stadien des Alluvialprocesses Anhaltspunkte
in alten Kartenaufnahmen gewinnen ließen, erweist sich als trügerisch. Von den Ptolemaei-
schen Karten ist schon ihres sehr kleinen Maßstabes halber abzusehen. Wo sie Ephesos
scheinbar an der Spitze einer Meeresbucht geben, kommt in linearer Verzerrung nur die
Tatsache zum Ausdruck, daß in der großen Curve, die der Küstencontour von Cap Trogilion
bei Mykale bis zur Makria Akra bei Lebedos beschreibt, Ephesos den östlich zurück-
liegendsten Punkt bezeichnet. Dasselbe gilt, wenigstens nach der Wiener Handschrift, die
ich einsah, von dem großen Kartenwerke des Türken Piri Reis, auf das R. Herzog unlängst
in einer lichtvollen Abhandlung die Aufmerksamkeit lenkte,2) nicht minder auch von den
Portolankarten der Renaissance, unter denen allerdings hin und wieder einmal, wie in
der anonymen Genueser des Jahres 1384 (Pinelli-Walckenaer atlas),3) ein Meerbusen vor-
getäuscht wird, der aber ganz außer Verhältnis zum Laufe der Küste steht und längst nicht
mehr offen war. Geradezu kindlich sind dann die ersten Darstellungsversuche moderner
Reisender (Fig. 1). Selbst der beste, den ich aus dem schönen Werke Choiseul-Gouffiers, das
zuerst gute Aufnahmen ephesischer Ruinen, unter anderem eine sehr bemerkenswerte des
sogenannten Claudiustempels brachte, in Verkleinerung hier wiederhole (Fig. 7), scheint mit
Benutzung einer am Orte genommenen flüchtigen Skizze nachträglich aus dem Gedächtnis
gezeichnet zu sein.4) Genaue Beobachtungen beginnen erst im neunzehnten Jahrhundert mit
den Arbeiten Heinrich Kieperts. Aber auch ohne kartographische Hilfen bleibt der gründ-
liche Wandel der Tallandschaft für die topographische Forschung das Grundphänomen, das
in alle Fragen hereinspielt, die Hauptvorstellung, an der im Gegensätze zu bisherigen
Behandlungen jede einzelne Überlieferung geprüft und controliert sein will, um das richtige
Licht zu erhalten. Bedeutet er doch für den Gang der Ortsgeschichte nichts weniger als
einen bloßen Wechsel der Scenerie, vielmehr das immer schwerer lastende Naturverhängnis,
dem die schwindende Lebenskraft von Ephesos endlich erliegen sollte.
Ö G. Weber, Guide du voyageur ä Ephese 52.
2) R. Herzog, Ein türkisches Werk über das Ägäische
Meer aus dem Jahre 1520, Athen. Mitteil. XXVII 417 ff.
3) Nordenskiöld, Periplus, Stockholm 1897 Taf. XVII S.59.
4) Choiseul-Gouffier, Voyage pittoresque de la Grece,
Paris 1782 I pl. 120.
ephesische Sophist Damianos (circa 150—220 n. Chr.) auf seinen Grundstücken am Meere
besaß, da sie Hafenquais hatten, die den ein- und auslaufenden Lastschiffen Ankerplätze
boten. Am Ende jener Bank aber nahe dem Meere findet sich eine künstliche Terrasse, auf
der sich, nach einigen gewaltigen Fundamentblöcken zu schließen, ein monumentaler Bau
erhob. Ein ausgezeichneter Beobachter, Professor G. Weber in Smyrna, hat hier einen Tempel])
vermutet; wahrscheinlicher aber wäre ein Leuchtturm, der ja überhaupt der Flußmündung,
seit sie mit solchem Aufwande als Einfahrt gesichert war, nicht fehlen konnte. Doch
bedürfen die Terrainverhältnisse der Endstrecke des Kaystros mit ihren antiken Resten
einer eigenen neuen Aufnahme, die Bestimmteres herausstellen wird.
Die Erwartung, daß sich für einzelne Stadien des Alluvialprocesses Anhaltspunkte
in alten Kartenaufnahmen gewinnen ließen, erweist sich als trügerisch. Von den Ptolemaei-
schen Karten ist schon ihres sehr kleinen Maßstabes halber abzusehen. Wo sie Ephesos
scheinbar an der Spitze einer Meeresbucht geben, kommt in linearer Verzerrung nur die
Tatsache zum Ausdruck, daß in der großen Curve, die der Küstencontour von Cap Trogilion
bei Mykale bis zur Makria Akra bei Lebedos beschreibt, Ephesos den östlich zurück-
liegendsten Punkt bezeichnet. Dasselbe gilt, wenigstens nach der Wiener Handschrift, die
ich einsah, von dem großen Kartenwerke des Türken Piri Reis, auf das R. Herzog unlängst
in einer lichtvollen Abhandlung die Aufmerksamkeit lenkte,2) nicht minder auch von den
Portolankarten der Renaissance, unter denen allerdings hin und wieder einmal, wie in
der anonymen Genueser des Jahres 1384 (Pinelli-Walckenaer atlas),3) ein Meerbusen vor-
getäuscht wird, der aber ganz außer Verhältnis zum Laufe der Küste steht und längst nicht
mehr offen war. Geradezu kindlich sind dann die ersten Darstellungsversuche moderner
Reisender (Fig. 1). Selbst der beste, den ich aus dem schönen Werke Choiseul-Gouffiers, das
zuerst gute Aufnahmen ephesischer Ruinen, unter anderem eine sehr bemerkenswerte des
sogenannten Claudiustempels brachte, in Verkleinerung hier wiederhole (Fig. 7), scheint mit
Benutzung einer am Orte genommenen flüchtigen Skizze nachträglich aus dem Gedächtnis
gezeichnet zu sein.4) Genaue Beobachtungen beginnen erst im neunzehnten Jahrhundert mit
den Arbeiten Heinrich Kieperts. Aber auch ohne kartographische Hilfen bleibt der gründ-
liche Wandel der Tallandschaft für die topographische Forschung das Grundphänomen, das
in alle Fragen hereinspielt, die Hauptvorstellung, an der im Gegensätze zu bisherigen
Behandlungen jede einzelne Überlieferung geprüft und controliert sein will, um das richtige
Licht zu erhalten. Bedeutet er doch für den Gang der Ortsgeschichte nichts weniger als
einen bloßen Wechsel der Scenerie, vielmehr das immer schwerer lastende Naturverhängnis,
dem die schwindende Lebenskraft von Ephesos endlich erliegen sollte.
Ö G. Weber, Guide du voyageur ä Ephese 52.
2) R. Herzog, Ein türkisches Werk über das Ägäische
Meer aus dem Jahre 1520, Athen. Mitteil. XXVII 417 ff.
3) Nordenskiöld, Periplus, Stockholm 1897 Taf. XVII S.59.
4) Choiseul-Gouffier, Voyage pittoresque de la Grece,
Paris 1782 I pl. 120.