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Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Forschungen in Ephesos — Forschungen in Ephesos, Band 1:, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.43825#0089
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eingetragen, aber durch Grabungen noch nicht untersucht wurden. Einige Meter hoch
erhalten ist eine wohl frühmittelalterliche kleine Kirche, Panajia Kapulü genannt, die einen
Kilometer nordwestlich von dem beschriebenen Wachtturm unter einer Gruppe von Platanen
steht. Sie wird jetzt von Pilgern viel besucht und hat eine sonderbare Berühmtheit erlangt.
Lazaristen von Smyrna haben sie im Jahre 1891 entdeckt und für das Haus der heiligen
Maria erklärt, welches die stigmatisierte Nonne Anna Katharina Emmerich (1774—1824)
in ihren von Clemens Brentano aufgezeichneten Visionen nach Lage und Gestalt aus-
führlich beschrieb.1)
Die frommen Finder erbauten in der Nähe ein Unterkunftshaus für die Besucher, dem
bald ein zweites folgte, und veröffentlichten die eben genannte, mit nützlichen Illustrationen
und Plänen ausgestattete Schrift, die das Wunder archäologisch begründen soll. Dieser
Schrift ist in Fig. 29 der Grundriß der jetzt modern ergänzten und mit einem Schutzdach
überspannten Ruine entlehnt samt den naiven Deutungen, welche die Lazaristen in die Com-
partimente eintrugen. Es ist eine Spielart der von Strzygowski2) kürzlich behandelten Kreuz-
kuppelkirchen des Orientes — die Form erinnert an das Patibulum — roh erbaut aus Bruch-
und Backsteinen und nach Osten orientiert, schwerlich älter als das vierte Jahrhundert.
Der Zustand der Ruine bedarf noch einer genaueren Untersuchung. Daß die Schilderungen
der Nonne in bezug auf die Form und Einrichtung des vermeintlichen Hauses, das nach
dem Tode der Maria in eine Kirche verwandelt worden sei, in allem Wesentlichen nicht
harmonieren, bedarf keines Erweises. Einigermaßen stimmt nur die Lage auf einem Berge,
drei bis vier Stunden südlich von Ephesos, linkerhand des von Südost kommenden Weges,
lehrreich insofern, als sich wieder zeigt, mit welchen Streichen der Zufall Glaubenswilligen
entgegenkommt.
6. Spätere Schicksale.
Ein Blick möge noch auf die Hauptwenden der weiteren Ortsgeschichte gestattet
sein, da hier kein Versuch unternommen werden kann, diese Geschichte in ihrem ganzen
Laufe zu verfolgen, wofür unendliches Material noch in der Erde ruht.
Die spärlichen Nachrichten über die Altstadt, die oben erörtert und wohl erschöpft
wurden,3) versagen, ein Bild von ihr zu gewinnen. Nur das wird deutlich, daß seit Kroisos

Ö P. E. E. Schmöger, Das arme Leben und bittere Leiden
unseres Herrn Jesu Christi und seiner heiligsten Mutter Maria
nach den Gesichten der gottseligen Anna Katharina Emme-
rich, aus den Tagebüchern des Clemens Brentano, Regens-
burg 1881 40 S. 1114 ff. (die Originalausgabe habe ich nicht
erreichen können). Die Lazaristen geben ihre Quelle nicht
an und scheinen eine französische Überarbeitung benutzt zu
haben, in der manches geändert war.
2) J. Strzygowski, Kleinasien 135 ff.

3) Hinzufügen möchte ich, daß in drei ephesischen In-
schriften der Kaiserzeit eine Ära begegnet, die sich, wie Hicks
sah, nur auf die Gründung der Altstadt oder des Artemision
beziehen kann. Sie gehen auf Sieger in den ephesischen
Olympien und enthalten Olympiadenangaben, die nicht sehr
weit auseinanderliegen: CIG III 2999 hat die 455. Olympiade,
die beiden anderen später gefundenen (Hicks a. a. O. DCIV und
DCV) gleichmäßig die 517. Epheseis oder Pentaeteris unter
dem Agonotheten Tib. Julius Reginus. Die beiden letzteren
 
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