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kriege des Lucius Verus. Auch der Bronzeguß erhielt sich in technischer Vollendung und
die handwerkliche Fabrication mit der Kunst in Fühlung. Eine gefällige Ortsspecialität
sind die marmornen Aschenkisten der frühen Kaiserzeit mit ihren constanten Tierköpfen
und Guirlanden. Vernachlässigt, fast immer ohne figürliche Zierden, sind erst die späteren
Sarkophage; nur der intact erhaltene, von schönen Niken, Eroten und Blumengewinden
umzogene des Celsus in der Gruft der Bibliothek bildet eine Ausnahme.
Den Gewerben schließt sich der Stand der Ärzte an (οι από του Μουσείου ιατροί), der
zahlreich vertreten ist und trotz decimierender Epidemien1) in allgemeinem Ansehen stand;
aus einer Reihe letzthin gefundener Inschriften erhellt, daß die Ärzte das Museion als ihr
Synedrion benutzten und dort alljährlich in Behandlung medicinischer Aufgaben einen Wett-
bewerb um vier Preise abhielten; es kann nur Zufall sein, daß von einem Culte des Asklepios
mit seinen Krankeninstituten noch nichts Bestimmteres verlautet. Auch das Schulwesen
nahm genossenschaftliche Formen an (μαΤηται und παιδευταΐ περί τό Μουσεΐον), leider ohne daß
man näheres erführe. Daß es die nachdrücklichste Pflege erhielt, ist für eine Griechenstadt
selbstverständlich; etwas Besonderes scheint zu sein, daß die Knaben bei feierlichen An-
lässen corporativ mit ihren Paidonomen im Theater erschienen, auch Anteil an Geldspenden
erhielten. Die in der Apostelgeschichte erwähnte σχολή Τυράννου τινός, wo Paulus zwei Jahre
hindurch von der fünften bis zur zehnten Tagesstunde seine Unterredungen hält,2) wird
nicht der Hörsaal eines Sophisten sein, wie erklärt wird, da die hoffärtigen Sophisten
sich gewiß ablehnend gegen den vom Handwerk lebenden Juden verhielten, sondern die
Taberna eines Elementarlehrers, welcher der Sitte gemäß zweimal täglich, in der Morgen-
frühe und des Nachmittags, Unterricht erteilte, so daß sein Local in der Zwischen-
zeit leer stand und sich zu beliebigen Unterredungen um so eher empfahl, wenn es, wie
so oft, an der Straße lag. Für die offenbar nach attischem Muster eingerichtete Ephebie,
die sich aus vornehmen Häusern recrutierte und an festlichen Aufzügen wie eine Nobel-
garde teilnahm, war vorgesorgt, wie nur eine Metropole vermochte. Ihre Ausbildung für
den advocatorischen und municipalen Dienst empfing sie in den Hörsälen der Rhetoren
und Sophisten, die auch hier ihre große Rolle spielten und mit den Ärzten die wissen-
schaftliche Intelligenz des Handelsplatzes repräsentierten. Vielleicht nicht wie in Athen
förmlich angestellt, worüber Nachrichten fehlen, jedesfalls als Celebritäten ihrer Zeit gesucht
und umworben, ließen sie sich gern in der reichen Stadt nieder, die ihnen ungewöhnliche
Honorare und eine Befriedigung ihres größten Ehrgeizes verhieß, mit einem Schwarm alter
und neuer Anhänger einen glänzenden Musensitz zu begründen. Mit dem Hauptorte der
1) Nach Philostratos, Apollonios von Tyana IV io heilt
der Wundertäter die Pest in Ephesos bei einem in der Nähe
des Theaters befindlichen Heiligtume des Apotropaios, indem
er einen vom Daimon der Krankheit besessenen Bettler steini-
gen läßt. Auf dem Wege zum Hippodrom findet die Scene
statt nach dem Florentiner Scholion zu Euripides Hekabe
1265; vgl. W. H. Roscher, Kynanthropie 32 ff.
2) Acta Apost. XIX 9 ed. F. Blaß nach der römischen
Recension. — Über die Tageszeiten des Schulbesuchs vgl.
Grasberger, Erziehung und Unterricht II 245 f.
kriege des Lucius Verus. Auch der Bronzeguß erhielt sich in technischer Vollendung und
die handwerkliche Fabrication mit der Kunst in Fühlung. Eine gefällige Ortsspecialität
sind die marmornen Aschenkisten der frühen Kaiserzeit mit ihren constanten Tierköpfen
und Guirlanden. Vernachlässigt, fast immer ohne figürliche Zierden, sind erst die späteren
Sarkophage; nur der intact erhaltene, von schönen Niken, Eroten und Blumengewinden
umzogene des Celsus in der Gruft der Bibliothek bildet eine Ausnahme.
Den Gewerben schließt sich der Stand der Ärzte an (οι από του Μουσείου ιατροί), der
zahlreich vertreten ist und trotz decimierender Epidemien1) in allgemeinem Ansehen stand;
aus einer Reihe letzthin gefundener Inschriften erhellt, daß die Ärzte das Museion als ihr
Synedrion benutzten und dort alljährlich in Behandlung medicinischer Aufgaben einen Wett-
bewerb um vier Preise abhielten; es kann nur Zufall sein, daß von einem Culte des Asklepios
mit seinen Krankeninstituten noch nichts Bestimmteres verlautet. Auch das Schulwesen
nahm genossenschaftliche Formen an (μαΤηται und παιδευταΐ περί τό Μουσεΐον), leider ohne daß
man näheres erführe. Daß es die nachdrücklichste Pflege erhielt, ist für eine Griechenstadt
selbstverständlich; etwas Besonderes scheint zu sein, daß die Knaben bei feierlichen An-
lässen corporativ mit ihren Paidonomen im Theater erschienen, auch Anteil an Geldspenden
erhielten. Die in der Apostelgeschichte erwähnte σχολή Τυράννου τινός, wo Paulus zwei Jahre
hindurch von der fünften bis zur zehnten Tagesstunde seine Unterredungen hält,2) wird
nicht der Hörsaal eines Sophisten sein, wie erklärt wird, da die hoffärtigen Sophisten
sich gewiß ablehnend gegen den vom Handwerk lebenden Juden verhielten, sondern die
Taberna eines Elementarlehrers, welcher der Sitte gemäß zweimal täglich, in der Morgen-
frühe und des Nachmittags, Unterricht erteilte, so daß sein Local in der Zwischen-
zeit leer stand und sich zu beliebigen Unterredungen um so eher empfahl, wenn es, wie
so oft, an der Straße lag. Für die offenbar nach attischem Muster eingerichtete Ephebie,
die sich aus vornehmen Häusern recrutierte und an festlichen Aufzügen wie eine Nobel-
garde teilnahm, war vorgesorgt, wie nur eine Metropole vermochte. Ihre Ausbildung für
den advocatorischen und municipalen Dienst empfing sie in den Hörsälen der Rhetoren
und Sophisten, die auch hier ihre große Rolle spielten und mit den Ärzten die wissen-
schaftliche Intelligenz des Handelsplatzes repräsentierten. Vielleicht nicht wie in Athen
förmlich angestellt, worüber Nachrichten fehlen, jedesfalls als Celebritäten ihrer Zeit gesucht
und umworben, ließen sie sich gern in der reichen Stadt nieder, die ihnen ungewöhnliche
Honorare und eine Befriedigung ihres größten Ehrgeizes verhieß, mit einem Schwarm alter
und neuer Anhänger einen glänzenden Musensitz zu begründen. Mit dem Hauptorte der
1) Nach Philostratos, Apollonios von Tyana IV io heilt
der Wundertäter die Pest in Ephesos bei einem in der Nähe
des Theaters befindlichen Heiligtume des Apotropaios, indem
er einen vom Daimon der Krankheit besessenen Bettler steini-
gen läßt. Auf dem Wege zum Hippodrom findet die Scene
statt nach dem Florentiner Scholion zu Euripides Hekabe
1265; vgl. W. H. Roscher, Kynanthropie 32 ff.
2) Acta Apost. XIX 9 ed. F. Blaß nach der römischen
Recension. — Über die Tageszeiten des Schulbesuchs vgl.
Grasberger, Erziehung und Unterricht II 245 f.