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Pülz, Andreas; Forstenpointner, Gerhard; Österreichisches Archäologisches Institut [Contr.]
Das sog. Lukasgrab in Ephesos: eine Fallstudie zur Adaption antiker Monumente in byzantinischer Zeit — Forschungen in Ephesos, Band 4,4: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.47141#0180
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Das sog. Lukasgrab in Ephesos

Einen eindeutigen Beweis für die Überbauung der kaiserzeitlichen Strukturen stellt zudem die offensichtliche
Aufgabe des kaiserzeitlichen Insulasystems zumindest im Bereich des Byzantinischen Palastes dar910.
Die erwähnten Wohnhäuser über den Portiken des Hafengymnasiums und der Verulanushallen sowie der
Befund im sog. Byzantinischen Palast weisen also auf tief greifende Veränderungen in der Unterstadt von
Ephesos spätestens im 5. Jahrhundert n. Chr. hin. Dabei hat man vielfach keine Rücksicht auf die ehemalige
Funktion der Vorgängerbebauung genommen und sich auch nicht mehr konsequent an das bestehende Raster-
system der Stadt gehalten. Vielmehr wurde dieses offenbar je nach Bedarf aufgegeben und das Straßennetz
- wie etwa auch die an Stelle der westlichen Portiken der Verulanushallen neu geschaffene Verbindungsstra-
ße samt begleitender Stoa zwischen der Arkadiane und der Marienkirche beweist - partiell modifiziert.
Zuletzt sei auf die byzantinische Stadtmauer verwiesen, die ebenfalls als ein Indiz für eine Konzentration
städtischen Lebens in der Spätantike im Bereich der ehemaligen Unterstadt von Ephesos gewertet werden
kann. Zwar ist der Wehrring bis dato wegen fehlender archäologischer Untersuchungen noch nicht exakt
datiert911, doch scheint der Verlauf des Mauerzuges anzuzeigen (Taf. 4), dass man zum Zeitpunkt seiner Er-
richtung bestrebt gewesen sein dürfte, das eigentliche Stadtzentrum zu umwehren912. Und hierbei fällt ganz
klar auf, dass die Fortifikation nur die erwähnten zentralen Areale in der spätantiken Unterstadt, i. e. die
repräsentativen Wohnhäuser im Bereich des Hafengymnasiums und der Verulanushallen, die Arkadiane, die
Marienkirche samt dem sog. Episkopeion, also das kirchliche Zentrum, und den sog. Byzantinischen Palast,
vielleicht der Sitz des römischen Prokonsuls bzw. des späteren Strategos913, umwehrte.
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass unter Berücksichtigung aller angeführten Fakten
und der aus ihnen resultierenden Schlussfolgerungen eine Lokalisierung des Forum Theodosianum wohl im
Bereich der Unterstadt anzunehmen ist. Allerdings ist zum jetzigen Zeitpunkt und ohne weitere Untersuchun-
gen eine genauere Eingrenzung seiner Lage noch nicht möglich. Ein wesentliches Kriterium für die Beurtei-
lung der vorgeschlagenen Lokalisierungsmöglichkeiten in der Unterstadt stellt aber sicherlich das Raumange-
bot dar, da bei einem Forum nicht nur ein freier offener Platz, sondern auch angrenzende Verwaltungs- und
Repräsentationsgebäude vorauszusetzen sind. Das Areal direkt vor dem sog. Byzantinischen Palast könnte
diese Voraussetzung aber erfüllt haben914. Aber auch der von der byzantinischen Stadtmauer an drei Seiten
umschlossene Platz an der Südseite der Arkadiane915 mit einer Quadriportikus und zentral gelegenem Rund-
monument würde sich hierfür anbieten916.
910 So überlagern etwa die Fundamentierungsmauern des Eingangssaales einen in den Boden eingelassenen Pithos eines ehemaligen
Wirtschaftsraums, dessen westliche Abschlussmauer ca. 10 m westlich des Arkadensaales nachgewiesen werden konnte. Dem-
entsprechend bedarf der aktuelle Plan des hellenistisch-römischen Insulasystems samt der kaiserzeitlichen Erweiterung von Groh
2006, Abb. 20 einer Revidierung, auf dem sich ein nordsüdverlaufender Straßenzug (Straße Nr. 54) direkt vor der Westfassade
des Palastes eingezeichnet findet. Ebenso entspricht die am nördlichen Ende des Komplexes eingetragene Ostweststraße (Straße
Nr. 45) nicht dem offen liegenden archäologischen Befund. Der kaiserzeitliche Vorgängerbau kann nämlich nicht an dieser
Stelle geendet haben, finden sich doch an der Nordwand ebenso wie auch an einem nach Norden vorkragenden Mauervorsprung
kaiserzeitliche Malereien in zwei Schichten, die direkt mit jenen der Hanghäuser vergleichbar sind, Miltner 1959, 249 f. Stich-
haltiger Beweis für die Aufgabe des bestehenden Rastersystems, die Anhebung des kaiserzeitlichen Laufniveaus und die Über-
bauung des Areals ist zudem ein 2005 unter dem Fußboden des tetrakonchalen Saales nachgewiesener ostwestverlaufender Stra-
ßenkörper, der als Verlängerung der Straße Nr. 25 zu interpretieren ist, s. den Grabungsbericht in ÖJh 75, 2006, 334. Dieser
Straßenzug findet auf dem Plan von Groh 2006, Abb. 20 (vgl. unsere Taf. 4) keine Berücksichtigung.
911 Vgl. die unterschiedlichen Ansätze: Müller-Wiener 1961, 89 (7./8. Jh.); Alzinger 1970, 1599 (8. Jh.); Foss 1979, 106 f. und 111
(7./8. Jh.); Brandes 1989, 84 (1. FI. 7. Jh.); Karwiese 1995, 140 (5./6. Jh.); Bauer 1996, 294 f. (nach 614); Scherrer 2001, 80
(um 610 n. Chr.); Niewöhner 2007a, 126 (dunkle Jahrhunderte). Für 2010 sind Untersuchungen an der byzantinischen Stadt-
mauer zur Klärung der offenen Datierungsfragen geplant.
912 Zur Umwehrung von anatolischen Städten im 5. und 6. Jh. vgl. Niewöhner 2007a, 122-125.
913 Müller-Wiener 1960, 724; Vetters 1966, 281; Foss 1979, 51. Dagegen sind für Lavan 1999, 148 f, die Indizien für eine Inter-
pretation als »govemor’s palace« nicht ausreichend. Angeführt sei zudem eine theoretische Möglichkeit, nach der der sog.
Byzantinische Palast als Bischofspalast diente. Das als Episkopeion interpretierte Gebäude am Ostende der Olympieion-Stoa wäre
in diesem Fall als Teil des bischöflichen Traktes zu verstehen, in dem der Klerus des Erzbischofs wohnte. Zum Bischofspalast
vgl. zuletzt Ceylan 2007, 178-180.
914 Dieser Bereich befindet sich heute genau unter dem geteerten Parkplatz des öffentlichen Haupteinganges in das Grabungsgelän-
des.
9,5 Zur Lage vgl. Groh 2006, 80 Plan 20, SF 1929-1931. Thür 2003, 273, denkt bei diesem Platz an ein weiteres, bislang nicht
identifiziertes spätantikes Forum, wobei ein Bezug zum Forum Theodosianum nicht hergestellt wird.
916 Vielleicht ließe sich so auch die Lage des justinianischen Viersäulendenkmales erklären.
 
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