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EINLEITUNG

Hatten bereits die Grabungen J. T. Woods, des Pioniers der Ephesosforschung und Ent-
deckers des Artemisions, die erste epigraphische Bestätigung der zuvor nur durch den Exkurs
Strabons1 bekannt gewesenen Existenz ephesischer Kureten geliefert, so erfuhren diese wenigen
Zeugnisse2 mit einem Schlage eine gewaltige Vermehrung, als R. Heberdey im Jahre 1904 in Ver-
folgung der zwischen den beiden Stadtbergen Panayir- und Bülbüldag von Westen nach Osten
ansteigenden großen Straße vordrang und am Südabschluß eines ausgedehnten Gebäudekomplexes
westlich der Therme der Scholastikia3 eine Reihe von mächtigen, über und über mit Inschriften
bedeckten Säulentrommeln fand, die zweifellos in sekundärer Verwendung hierher gebracht
worden waren. Den größten Teil dieser Inschriften hat J. Poerner 1913 in seiner Dissertation
,,De curetibus et corybantibus“4 bekannt gemacht, ein weitergehender Versuch einer Auswertung
des von Poerner vorgelegten Listenmaterials erfolgte knapp zehn Jahre später durch Ch. Picard5.
Die F. Miltner 1955—1957 gelungene Lokalisierung und Aufdeckung des Prytaneions6 an
der Nordwestecke eines großen Platzes auf der Sattelhöhe zwischen Panyir- und Bülbüldag, den
die Forschung unterdessen als Staatsmarkt erkannt hat, bestätigte, was bereits J. Keil vermutet
hatte, nämlich daß die von Heberdey gefundenen Säulentrommeln Bauglieder des Prytaneions
w'aren. Die liier gemachten weiteren Funde legten den Gedanken nahe, das gesamte Material der
Kureteninschriften einer neuerlichen Bearbeitung zu unterziehen und zusammen mit den sonstigen
religiösen Texten des Prytaneions vorzulegen7. Als ständiger Mitarbeiter der Ephesosgrabung seit
1960 hat der Verfasser reichlich Gelegenheit gehabt, die von Miltner gefundenen Kureten- und
Prytaneioninschriften durch eine intensive Nachsuche nicht unwesentlich zu vermehren. Was
die Vollständigkeit der Kuretenlisten betrifft, so kann hiervon trotz aller Bemühungen keine Rede
sein, da nur etwa ein Viertel des einstigen Gesamtbestandes auf uns gekommen ist. Hier rächt
sich die lange Lebensdauer der Stadt. Mögen im Laufe der Zeit auch noch weitere Kuretenlisten
an anderen Stellen des Ruinenfeldes zutage kommen, so muß doch damit gerechnet werden, daß
der weitaus größere Teil für immer verloren ist.

1 Geogr. XIV, 20.
2 Vgl. die Inschriften A 2 und D 5.
3 Vgl. W. Alzinger, RE Suppl. XII, Sp. 1619f.; eine endgültige Publikation steht noch aus. Daß die später
von der Christin Scholastikia renovierte Thermenanlage mit dem Variusbad identisch ist, glauben der Verfasser
und R. Merkelbach unterdessen nachgewiesen zu haben, vgl. ZPE 31, 1978, S. 99.
4 Diss. Halle, S. 241 ff.
5 Bibi, des Ecoles Fran^aises d’Athenes et de Rome 123 (1922), S. 277f.; vgl. dazu auch J. Keil, Kulte im
Prytaneion von Ephesos, in: Anatolian Studies presented to W. H. Buckler (1939), S. 119ff.
6 Vgl. bis zur endgültigen Publikation Alzinger a. Anm. 3a. O. Sp. 1646ff. und ders., Augusteische Archi-
tektur in Ephesos (= Sonderschriften des Österr. Archäolog. Institutes 16, 1974), S. 51 ff., und ÖJh 50, 1972 bis
1975, Sp. 241ff. Kritisch bezüglich der Identifizierung St. G. Miller, The Prytaneion (1978) S. 99ff.
7 Dies war einer der letzten Pläne Miltners, dessen Ausführung durch den frühen und unerwarteten Tod
des um die Ephesosforschung so hochverdienten Gelehrten zunächst unterbrochen wurde; vgl. dazu ÖJh 44,
1959, Sp. 369f. (posthum): „Eine volle Auswertung dieser Listen kann nur bei Zusammenstellung des gesamten
epigraphischen Materiales erfolgen, das nunmehr bezüglich des Kollegiums der Kureten zur Verfügung steht.
Angesichts des mengenmäßig recht bedeutsamen Zuwachses wäre eine Neubearbeitung sehr fruchtbar, zumal
sie klare Einsicht in Zusammensetzung und Wandlung des Kollegiums brächte.“
 
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