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IV. DIE KURETEN ALS ΣΥΝΕΔΡΙΟΝ DES PRYTANEIONS
Hatte die Aufdeckung des Prytaneions durch Miltner die bereits von Keil39 geäußerte Ver-
mutung bezüglich des Ursprungsortes der Kuretenverzeichnisse bestätigt, so hat die archäologische
Untersuchung des Baues festgestellt, daß das Prytaneion in augusteischer Zeit, genauer gesagt,
etwa um die Zeitenwende oder kurz danach, als vorgängerloser Neubau errichtet worden ist40.
Solange sich nirgendwo anders ältere Kuretenlisten oder zumindest Hinweise auf die Existenz
in Stein gehauener Kuretenverzeichnisse finden, kann als sicher gelten, daß der Zeitpunkt der
Fertigstellung des Prytaneions zugleich auch der terminus post quem für den Beginn der jährlichen,
öffentlichen Aufzeichnung der Kureten ist, wie sie uns in den Listen B 1 ff. vorliegt. Die noch bei
Strabon41 als ,,άρχεΐον“ bezeichneten Kureten, deren sowohl lokale als auch funktionelle Zuge-
hörigkeit zum Artemision sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Grund der beiden Inschriften
Alf. erschließen läßt, erscheinen nunmehr als Körperschaft des neuerrichteten, „augusteischen“
Prytaneions42, eine einschneidende Zäsur43, die, wenn nicht alles täuscht, vor dem Hintergrund
der römischen Politik, insbesondere der des ersten Prinzeps, gesehen werden will.
Das durch die Grabungen der letzten zwei Dezennien immer deutlicher gewordene Bild der
Stadtentwicklung läßt erkennen, welch grundlegenden Einschnitt der Beginn der Prinzipatszeit
für Ephesos bedeutete. Der Aufstieg zur ersten Stadt Asiens anstelle von bislang Pergamon, in
der fernerhin der römische Prokonsul residieren sollte, und das daraus resultierende Bestreben
der Römer, diese Zäsur auch architektonisch zu markieren, bewirkten eine großzügige Neuge-
staltung des Viertels auf der Sattelhöhe zwischen Panayir- und Bülbüldag, in die auch das als
religiöses Zentrum des „römischen“ Ephesos neuerrichtete Prytaneion einbezogen wurde. Daß
dieses „römische“ Ephesos sich politisch nicht mehr nach dem Artemision richtete, anderseits
aber auf die traditionelle Verbundenheit mit seiner Stadtgöttin, vor allem aber auf ein gutes Ein-
vernehmen mit der mächtigen Artemisionhierarchie nicht verzichten konnte, liegt auf der Hand.
Mit welcher Behutsamkeit Augustus dabei zu Werke gegangen ist, zeigen Maßnahmen wie die
Wiederherstellung der Ιερά χώρα der Artemis44 auf der einen, die Reduzierung des bereits von
Mithridates und später von Antonius unmäßig vergrößerten Asylbereiches des Tempels 45 auf der
anderen Seite. War erstere eine Notwendigkeit der Pietas, so zeigt die zweite das deutliche Be-
streben, dem „herrschaftsfreien Raum“, den der Tempelbezirk darstellte, durch eine Rückkehr
zum Status quo ante Grenzen zu setzen46. Da das Artemision in dieser neuen Ordnung politisch
keine offizielle Rolle mehr spielte, war auch das κουρητών άρχεΐον in seiner bisherigen politisch-
kultischen Doppelfunktion unerwünscht. Was von den Funktionen dieses κουρητών άρχεϊον blieb,
39 Vgl. Anatolian Studies (Buckler), S. 122f.
40 Vgl. Alzinger a. Anm. 6 a. O.
41 Die Geographie Strabons, der Ephesos zweifellos aus eigener Anschauung gekannt hat, war zwar erst
um 18 n. Ohr. fertig, doch ist die Aktualität seines ephesischen Exkurses sicherlich um einiges älter.
42 Zu fragen bleibt, wo das Prytaneion der voraugusteischen „lysimachischen“ Stadt gelegen hat.
43 Vgl. auch Picard S. 280: „L’epoque imperiale parait, en effet, avoir introduit certains changements
importants dans la confrerie“.
44 Vgl. etwa CIL III 14.1951 und die Inschrift ÖJh 45, 1960, Sp. 42ff. = Führer durch das archäologische
Museum in Sel^uk-Ephesos (1973), S. 108f. = Inschriften von Ephesos II 459.
45 Vgl. Strabon, Geogr. XIV 641 C und CIL III 6070 == 7118.
46 Wenn Strabon in diesem Zusammenhang von den durch einen allzu großen Asylbereich beeinträchtig-
ten Sicherheitsverhältnissen spricht, so war dies sicherlich nicht der einzige, vor allem aber nicht der wichtigste
Grund für diese Maßnahme.
 
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