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VI. DIE KURETEN

Wie B 54 (Z. 2f.) zeigt, war die organisatorische Form des kaiserzeitlichen Kuretenkollegiums
die eines Synedrions164. Im folgenden soll nun versucht werden, diese angesichts des sehr
komplexen Begriffes „Synedrion“ sehr undeutliche Aussage durch Aussagen über die Kure-
ten selbst zu präzisieren. Was die Zahl der Vereinsmitglieder betrifft, so muß man zu-
nächst zwischen „Aktivmitgliedern“, also den jeweiligen jährlichen Kureten, und den „Alt-
mitgliedern“, den ,,κεκουρητευκότες“165, unterscheiden, worunter alle ehemaligen Kureten zu ver-
stehen sind, die offenbar dem Verein auf Lebenszeit angehört haben. Was die Kultdiener betrifft,
so scheinen diese nach ihren Funktionsgruppen eigene Synedrien gebildet zu haben, wie zumindest
für die ιεροκήρυκες feststeht166. Um die numerische Größe des Kuretensynedrions in etwa zu be-
stimmen, sei eine kleine theoretische Rechnung gestattet: bei einem numerischen Nullstand am
Tage seiner Konstituierung und unter der Voraussetzung, daß alle Kureten ein entsprechendes
Alter erreicht hätten, hätte sich der Verein innerhalb einer Generation, also nach 30 Jahren, bei
einer jährlichen Zahl von sechs Kureten auf (6x29) -j- 6 Mitglieder aufgefüllt. Diese natürlich
nur imaginäre Zahl hätte sich dann später mit der Aufstockung der Jahreskollegien auf sieben
bzw. neun Kureten und vielleicht sogar darüber167 entsprechend erhöht. Wie vage auch immer
diese numerischen Überlegungen sein mögen168, so zeigen sie doch, daß wir mit einem für antike
Verhältnisse recht ansehnlichen Kultverein zu rechnen haben169.
Was die Befriedigung der finanziellen Bedürfnisse des Kuretensynedrions betrifft, so waren
hierfür die jeweiligen Prytanen zuständig170. Eine singuläre Aktion bedingt durch einen besonderen
Anlaß171 scheint hingegen die „Kollekte“ des Μ. Αύρήλιος Μενέμαχος (18P) gewesen zu sein, der
zwischen 180 und 192172 unter den (noch lebenden) Prytanen eines Zeitraumes von (mindestens)
17 Jahren zugunsten des „Vereinsvolkes der ,,κεκουρητευκότες“ mehr als 6400 Denare gesammelt
hat173. Für ihre Munifizenz hatten die Prytanen selbstverständlich das Recht, „ihre“ Kureten

164 Vgl. F. Poland, Geschichte des griech. Vereinswesens, (1909) S. 156ff., und ders., RE IV A 2 Sp. 1350
s. v. συνέδρων.
165 Vgl. B 54 Z. 7.
166 Vgl. D2Z. Iff.: ίερώτατον/συνέδρων των/κουρητών ίερο-/κηρύκων. Dies entspricht der enormen Vereins-
freudigkeit der griechischen Welt, in der nahezu jede, auch die kleinste Interessengruppe in irgend einer Form
vereinsmäßig organisiert war.
167 Die Ermittlung der jährlichen Kuretenzahl sieht sich der Schwierigkeit gegenüber, daß mehr als ein
Drittel der Kuretenkataloge defekt ist (vgl. S. 99), doch beträgt die Normzahl bis Liste B 39 sechs (lediglich
B 8 und B 9 weisen ausnahmsweise 5 Kureten auf); zwischen B 40 und B 42 haben wir sieben Kureten zu
konstatieren, d. h. sechs Kureten und einen έβδομοκούρης, der jedoch ab B 43 als Kultdiener rangiert (vgl.
S. 88.). B 44 weist neun Kureten auf; ob diese Zahl auch für die beiden anderen Listen der Gruppe IV (B 43
und B 45) angenommen werden darf, muß dahingestellt bleiben. Zu einer möglichen weiteren Erhöhung der
Kuretenzahl vgl. S. 171 zu N 10. C 1 schließlich (C 2:5, defekt) weist 3 Kureten auf.
168 Die Imponderabilität der Rechnung liegt vor allem in der Möglichkeit, daß viele Kureten das ent-
sprechende Alter nicht erreicht haben.
169 Vgl. Poland a. Anm. 164, a. O. S. 277ff.
170 Einen Einblick in die umfangreichen Verpflichtungen der Prytanen gewährt D 1; nicht umsonst wird
von der Prytanin Τυλλία in F 3 gesagt: ,,τόν πλούτον εις παν πραγμ’ άναλοΰσ άφθόνως“. Vgl. auch S. 165.
171 Dieser war vielleicht die άνανέωσις des Kuretensynedrions durch Μ. Αύρήλιος Μενέμαχος, vgl. S. 55.
172 Vgl. S. 94f.
173 Die Summen hinter den Namen zweier Prytanen sind nicht genannt.
 
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