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Claudia Lang-Auinger

nicht so dick und wenig konturiert wirkt, wie es oft bei kleinen Terrakotten der Fall ist. Hier scheint man sich
auch im Detail an großplastischen Vorbildern zu orientieren. Die gut erhaltenen Exemplare TK 31 bis TK 36
sind allesamt als Schöpfungen ephesischer Koroplasten anzusprechen, die durchwegs dem frühen Hellenis-
mus, also der ,vortanagräischen‘ Zeit zuzurechnen sind.
10.2 Weibliche Götter
10.2.1 Aphrodite
Von den Aphrodite-Statuetten lassen zwei eindeutig einen bestimmten Typus erkennen, eine weitere Matrize
und zwei Fragmente können als Teile von Aphroditedarstellungen angesprochen werden. TK 1 ist am besten
erhalten, doch von auffallend schlechter Qualität: Zum Einen wurde die schon reichlich in Gebrauch gestandene
Matrize von einer minderwertigen Vorlage abgenommen und zum Zweiten wurde auf eine sorgfältige
Ausfertigung offensichtlich kein Wert mehr gelegt6. Zweifelsfrei ist jedoch die Aphrodite von Knidos gemeint,
die nach einer der zahlreichen Kopien nach der Schöpfung des Praxiteles angefertigt wurde. Ein wesentliches
Merkmal dafür ist die nackte, stehende Frauengestalt, ein Gefäß zu ihrer rechten, auf das sie ein Tuch ablegt hat,
während sie ihre linke Hand keusch vor die Scham hält. Die Terrakotta ist gegenüber der überlieferten Kopie
aus dem Vatikan seitenverkehrt; die sehr vereinfachte Wiedergabe ist auf die wesentlichen Charakteristika,
anhand derer sie bestimmt werden kann, reduziert, was diese einfache Art der Koroplastik bei Verwendung von
nur einer Vorder- und einer Rückseitenmatrize erforderlich macht - zum Unterschied von den Möglichkeiten
bei Verwendung von vielen Teilmatrizen. Die reliefartige Ausgestaltung - geschlossene Beine und die gefüllte
Fläche zwischen Körper und erhobenem Arm - ist eine Folge dieser einfachen Herstellungstechnik. Ein leicht
vom Gefäß weggeneigter Oberkörper ist der einzige Ausdruck von Bewegung. Die viel gepriesene Anmut und
Grazie, das Wesen dieser Schöpfung, fehlen7.
Etwas mehr von dieser Anmut ist noch beim Fragment der kleinen Terrakotta TK 2 zu erahnen. Ein in
der Koroplastik ebenfalls häufig gewähltes Motiv ist der Typus der halbbekleideten Aphrodite, die bis in die
Kaiserzeit ein beliebtes Thema - sowohl in der Koroplastik8 als auch in der Marmorplastik - war9. Sie hält
den eng um die Beine geschlungenen Mantel mit der linken Hand über der Scham fest. Die kleine Plastik war
rundum durchgeformt, denn es wurde auch auf die kleinen Grübchen über den Gesäßbacken nicht vergessen. In
der Seitenansicht ist eine kleine Schrittstellung erkennbar - das rechte Bein ist in angehobener, angewinkelter
Haltung wiedergegeben. In der plump ausgefallenen Seitenansicht, die im Kontrast zu der zierlichen Vorder-
und Rückenansicht steht, wird die einfache Technik einer Vorder- und Rückseitenmatrize offenbar, mit der man
nur anspruchslosen Statuetten gerecht werden konnte. Mit der fehlenden zweiten Hand hat sie sich vermutlich
in die Haare gegriffen - damit wäre sie als Variante der Anadyomene anzusprechen.
Aus der Rückseitenmatrize TK 3 wurde eine zur Seite geneigte Göttin gewonnen. Der linke Arm wurde
ab dem Ellbogen, der rechte zur Gänze angesetzt. Die Beine, die etwa am halben Unterschenkel gebrochen
sind, sind als schematische Einheit wiedergegeben. Am linken Oberarm ist ein Wulst erkennbar und an der
linken Seite überstehender Ton. Es liegt eine Teilmatrize vor, an die Arme und Kopf separat angesetzt wurden.
Der seitliche Wulst beschreibt vermutlich einen herabfallenden Stoffteil, der quer unter dem Gesäß, die Beine
verdeckend, gezogen ist. Der schräg über den Rücken verlaufende Steg ist schwer zu deuten, könnte aber auch
ein Teil des Stoffstückes sein, das sie in ihrer linken Hand hochgezogen hält; damit wäre auch der Wulst am
Oberarm als Stoffsaum zu erklären: Aphrodite vor oder nach dem Bad, die ihre Blößen in ein Tuch gehüllt
hat. Die schematische Wiedergabe der Rückseite läßt nur Spekulationen über das tatsächliche Aussehen der
Vorderseite zu10.

6 Zur Vorgangsweise der Handwerker vgl. Muller, Thasos, 501 f.
7 Vgl. dazu Smith, Hellenistic Sculpture, 79 f.
8 Vgl. dazu Winter, Typen, 212, 7 und 8.
9 Vgl. dazu J. Inan, Roman Sculpture in Side (Ankara 1975) 152-154. 80 und 81, Taf. 72 und 73, Kleinplastiken mit seitlichem
kleinem Eros; A. Filges, Marmorstatuetten aus Kleinasien, IstMitt 49, 1999, 377-430.
10 Lang-Auinger, Funde, TK 6, die schematisch geformte Rückseite dieser sandalenlösenden Aphrodite gibt ein anschauliches Bei-
spiel dafür wie schwer anhand der Rückseite auf den Typus der Vorderseite geschlossen werden kann.
 
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