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Marées-Gesellschaft [Hrsg.]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 2.1920

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Gesammelte Worte über grosse Meister
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Dehmel, Richard: Rembrandt
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https://doi.org/10.11588/diglit.44996#0024
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GESAMMELTE WORTE ÜBER GROSSE MEISTER

Reinheit waren, was Er als Erster gewesen ist: der Meister der
Erleuchtung. Nicht weil er Übersinnliches darstellt: das haben
vor ihm und nach ihm auch andere vermocht, nur daß er das
Wunder, vor dessen Dasein sie staunten, an der geheimen Stätte
des Werdens belauscht hat. Selbst die innerlichsten Ekstasen
Grünewalds, selbst die inbrünstigsten Visionen des Greco sind
doch bloß durch dieselbe Absonderlichkeit des Außenlichtes vor-
gespiegelt, mit der Correggio oder WTitteau unsere Sinne bezau-
bern, sei es des natürlichen Zwielichtes, sei es einer künstlerischen
Beleuchtung; Rembrandt schöpft zum ersten Male Innenlicht.
Was allein Lionardo in den Landschaftshintergründen seiner
menschlichen Bildnisse schon von ferne anzudeuten wagt: das
Heimatland der Seele — das rückt Er in den Vordergrund. Was
sonst nur im vollkommenen Dichterwort aufwogt, das flutet stetig
zwischen den bunten Blinkfeuern seiner dämmrigen Farben-
flächen: das Licht, in dem unsre Träume schwimmen, das nicht
aus dem Raum in die Augen scheint, sondern mit dem die Seele
die Raumwelt erleuchtet. Er hat den tausendfarbigen Glanz der
Natur durchforscht, bis er in seiner eignen Natur den Ursprung
aller Strahlen entdeckte: er hat Gott geschaut.
Nicht die biblischen Legenden und mystischen Fabeln, in denen
er dies offenbart, sind die deutlichsten Zeichen seiner Einsicht;
noch verklärter ist seine Andacht, wenn er aus dem alltäglichen
Dasein — drum eben blieb er solange unverstanden — die Leucht-
kraft des ewigen Wesens schöpft. Wer den Blick des Karlsruher
Selbstporträts in sich aufgenommen hat und trägt nicht den hei-
ligen Willen davon, ein von Grund aus lauterer Mensch zu
werden, der wird nie begreifen, daß Kunst Gottesdienst sein
kann, daß sie Erlösung des Geistes sein soll, daß sie frei werden
will von der Selbsttäuschung und Selbstgefälligkeit des sinn-
lichen Lebens.
 
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