DER EINFLUSS DER ITALIENISCHEN MALEREI
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In Avignon zuerst ist solche Tätigkeit italienischer Maler historisch ver-
bürgt. Avignon war, seit es der Sitz päpstlicher Hofhaltung geworden, natur-
gemäß auf Italien hingewiesen. So bedarf es keiner Erklärung, daß die Kunst
des italienischen Trecento hier allmählich Fuß faßte. Als höchst erstaunliche
Tatsache ist es vielmehr zu verzeichnen, daß noch lange genug die boden-
ständige Kunstübung sich gegen die fremde Invasion zu behaupten vermochte.
Während der ganzen ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts waren ausschließlich
französische Künstler an der Ausführung und dem Schmuck der großen Bauten
des päpstlichen Hofes beschäftigt.
Die Überlegenheit der neuen italienischen Form wurde im Norden keines-
wegs vom ersten Tage an zugestanden. Gegenüber der körperlosen Anmut
und edlen Schönlinigkeit der Gestalten ihrer eigenen Malerei mochte den
Franzosen, die in Toskana die Fresken der großen Meister zu sehen Gelegen-
heit hatten, die italienische Menschendarstellung niedrig in ihrer weltlichen
Gesinnung, spukhaft häßlich in ihrer erdnahen Wirklichkeit erscheinen.
Erst als die Wege eigener Entwicklung im Verlaufe des 14. Jahrhunderts
der französischen Kunst eine Richtung wiesen, die sie der Malerei des italie-
nischen Trecento näherte, begann der fremde Stil eine Wirkung zu üben, die
man nun allerdings nicht tiefgreifend und revolutionierend genug sich vorzu-
stellen vermag. Es ist begreiflich, daß in Frankreich, wo im ganzen Verlaufe
des Mittelalters die Plastik die führende Kunst gewesen, im Rahmen einer
wesentlich skulpturalen Entwicklung zuerst das Gefühl für die körperliche
Existenz der einzelnen Figur sich bildete. Die Malerei folgte nach. Um die
Mitte des 14. Jahrhunderts war durch die Erkenntnis von der Körperhaftigkeit
der Erscheinung der alte Flächenbann des Bildes durchbrochen. Aber der
Norden hätte von hier noch einen weiten Weg zu durchmessen gehabt bis zur
Einbeziehung der plastischen Einzelform in ein allseitig zusammenhängendes
Raumbild, wenn nicht in Italien ein Menschenalter zuvor die Bildform des
klassischen Altertums, die alle Elemente der neuen Wirklichkeitsdarstellung
vorgebildet enthielt, wiederentdeckt und zur Grundlage einer neuen malerischen
Anschauung gemacht worden wäre.
Aus diesem Zusammentreffen der an der antiken Überlieferung genährten
Kunst Italiens mit der selbständig ähnliche Wege suchenden französischen
Malerei ist die allgemeine Stilbildung nördlich der Alpen, die um die Mitte des
14. Jahrhunderts einsetzt, zu erklären. Der neue Naturalismus, der in dem Werke
der Brüder van Eyck seine Krönung finden sollte, erwuchs aus der Berührung
der eignen Kunst des gotischen Nordens mit den Formen giottesker Malerei.
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In Avignon zuerst ist solche Tätigkeit italienischer Maler historisch ver-
bürgt. Avignon war, seit es der Sitz päpstlicher Hofhaltung geworden, natur-
gemäß auf Italien hingewiesen. So bedarf es keiner Erklärung, daß die Kunst
des italienischen Trecento hier allmählich Fuß faßte. Als höchst erstaunliche
Tatsache ist es vielmehr zu verzeichnen, daß noch lange genug die boden-
ständige Kunstübung sich gegen die fremde Invasion zu behaupten vermochte.
Während der ganzen ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts waren ausschließlich
französische Künstler an der Ausführung und dem Schmuck der großen Bauten
des päpstlichen Hofes beschäftigt.
Die Überlegenheit der neuen italienischen Form wurde im Norden keines-
wegs vom ersten Tage an zugestanden. Gegenüber der körperlosen Anmut
und edlen Schönlinigkeit der Gestalten ihrer eigenen Malerei mochte den
Franzosen, die in Toskana die Fresken der großen Meister zu sehen Gelegen-
heit hatten, die italienische Menschendarstellung niedrig in ihrer weltlichen
Gesinnung, spukhaft häßlich in ihrer erdnahen Wirklichkeit erscheinen.
Erst als die Wege eigener Entwicklung im Verlaufe des 14. Jahrhunderts
der französischen Kunst eine Richtung wiesen, die sie der Malerei des italie-
nischen Trecento näherte, begann der fremde Stil eine Wirkung zu üben, die
man nun allerdings nicht tiefgreifend und revolutionierend genug sich vorzu-
stellen vermag. Es ist begreiflich, daß in Frankreich, wo im ganzen Verlaufe
des Mittelalters die Plastik die führende Kunst gewesen, im Rahmen einer
wesentlich skulpturalen Entwicklung zuerst das Gefühl für die körperliche
Existenz der einzelnen Figur sich bildete. Die Malerei folgte nach. Um die
Mitte des 14. Jahrhunderts war durch die Erkenntnis von der Körperhaftigkeit
der Erscheinung der alte Flächenbann des Bildes durchbrochen. Aber der
Norden hätte von hier noch einen weiten Weg zu durchmessen gehabt bis zur
Einbeziehung der plastischen Einzelform in ein allseitig zusammenhängendes
Raumbild, wenn nicht in Italien ein Menschenalter zuvor die Bildform des
klassischen Altertums, die alle Elemente der neuen Wirklichkeitsdarstellung
vorgebildet enthielt, wiederentdeckt und zur Grundlage einer neuen malerischen
Anschauung gemacht worden wäre.
Aus diesem Zusammentreffen der an der antiken Überlieferung genährten
Kunst Italiens mit der selbständig ähnliche Wege suchenden französischen
Malerei ist die allgemeine Stilbildung nördlich der Alpen, die um die Mitte des
14. Jahrhunderts einsetzt, zu erklären. Der neue Naturalismus, der in dem Werke
der Brüder van Eyck seine Krönung finden sollte, erwuchs aus der Berührung
der eignen Kunst des gotischen Nordens mit den Formen giottesker Malerei.