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DIE KÖLNISCHE MALEREI
einer Passionsfolge, der andere nach einem Bilde mit der heiligen Sippe
seinen Namen erhielt. Ihr Werk rundet sich nicht zum Bilde greifbarer Per-
sönlichkeiten, und es ergibt sich nur die an sich wahrscheinliche Folgerung,
daß mehrere Ateliers, deren Handwerkübung durch vielfach gleiche Gewohn-
heiten verbunden wird, um die Wende des 14. Jahrhunderts die Kirchen Kölns
mit Altartafeln versahen.
Von jenem Meister Wilhelm, dessen Ruhm durch poetische Umschreibungen
und dessen Werk durch unbedenkliche Attributionen bereichert worden war,
ließ eindringliche Forschung nur mehr einen wesenlosen Schatten zurück.
Aus der Masse des Werkstattgutes aber hebt sich als Perle altkölnischer
Malerei die Tafel mit der heiligen Veronika, die in der Münchener Pinakothek
verwahrt wird (Abb. 33). Hier vereinigen sich alle Vorzüge der Meisterhand,
reiner Erhaltung und einheitlicher Bildgestaltung. Hier hat die Farbe den hellen
Klang, hat das Antlitz der Frau den gehaltenen Ernst, haben die Engelgruppen
in den Ecken die rhythmische Klarheit, die den Meister gotischer Schulung ver-
rät, und die ersetzt, was an raumplastischer Konsequenz der Modellierung
ihm abgeht.
Nach Wilhelm und Hermann soll nun dem namenlosen „Meister der Münche-
ner Veronika“ der Ruhm zuteil werden, das Haupt der kölnischen Malerei zu
heißen. Aber auch die Aufstellung dieses dritten Meisters begegnet Schwierig-
keiten, da es nicht gelingen will, andere Werke seiner Hand einwandfrei zu
bestimmen. Die zarten Halbfigurenbilder der Madonna in Köln und Nürnberg,
die eine Zeitlang der Fälschung verdächtigt wurden, scheinen sich seinem Stile
zu nähern (Abb. 39). Ähnliche Engelgruppen kehren wie auf dem Veronikabilde
in der Darstellung der Marienkrönung auf dem Altarflügel der Schnütgensamm-
lung wieder (Abb. 38). Aber alle Linien sind zügiger, die Formen weicher ge-
rundet. Die Falten lagern sich breit am Boden wie erst in den Kompositionen
des zweiten Jahrzehnts. Mit der Auferstehung und Himmelfahrt dieser Tafel
gerät man anderseits schon in das breite Gewässer kölnischer Werkstatt-
produktion, der eine kurz nach 1409 entstandene Kreuzigungstafel des Darm-
städter Museums die zeitliche Stellung gibt.
Ist jene stille Versonnenheit, jene lyrische Gefühlsinnigkeit, die alle Werke
der Frühzeit kölnischer Tafelmalerei charakterisiert, das allgemeine Kennzeichen
der süßen Überreife gotischen Weltgefühls, so scheint doch der Geschmack an
zierlicher Anmut, an mädchenhafter Holdseligkeit der niederrheinischen Stadt
in besonderem Maße eigen gewesen zu sein. Denn nirgends trieb der Stil
dieser Übergangsepoche so reine und liebliche Blüten, und nirgendwo wirkte
DIE KÖLNISCHE MALEREI
einer Passionsfolge, der andere nach einem Bilde mit der heiligen Sippe
seinen Namen erhielt. Ihr Werk rundet sich nicht zum Bilde greifbarer Per-
sönlichkeiten, und es ergibt sich nur die an sich wahrscheinliche Folgerung,
daß mehrere Ateliers, deren Handwerkübung durch vielfach gleiche Gewohn-
heiten verbunden wird, um die Wende des 14. Jahrhunderts die Kirchen Kölns
mit Altartafeln versahen.
Von jenem Meister Wilhelm, dessen Ruhm durch poetische Umschreibungen
und dessen Werk durch unbedenkliche Attributionen bereichert worden war,
ließ eindringliche Forschung nur mehr einen wesenlosen Schatten zurück.
Aus der Masse des Werkstattgutes aber hebt sich als Perle altkölnischer
Malerei die Tafel mit der heiligen Veronika, die in der Münchener Pinakothek
verwahrt wird (Abb. 33). Hier vereinigen sich alle Vorzüge der Meisterhand,
reiner Erhaltung und einheitlicher Bildgestaltung. Hier hat die Farbe den hellen
Klang, hat das Antlitz der Frau den gehaltenen Ernst, haben die Engelgruppen
in den Ecken die rhythmische Klarheit, die den Meister gotischer Schulung ver-
rät, und die ersetzt, was an raumplastischer Konsequenz der Modellierung
ihm abgeht.
Nach Wilhelm und Hermann soll nun dem namenlosen „Meister der Münche-
ner Veronika“ der Ruhm zuteil werden, das Haupt der kölnischen Malerei zu
heißen. Aber auch die Aufstellung dieses dritten Meisters begegnet Schwierig-
keiten, da es nicht gelingen will, andere Werke seiner Hand einwandfrei zu
bestimmen. Die zarten Halbfigurenbilder der Madonna in Köln und Nürnberg,
die eine Zeitlang der Fälschung verdächtigt wurden, scheinen sich seinem Stile
zu nähern (Abb. 39). Ähnliche Engelgruppen kehren wie auf dem Veronikabilde
in der Darstellung der Marienkrönung auf dem Altarflügel der Schnütgensamm-
lung wieder (Abb. 38). Aber alle Linien sind zügiger, die Formen weicher ge-
rundet. Die Falten lagern sich breit am Boden wie erst in den Kompositionen
des zweiten Jahrzehnts. Mit der Auferstehung und Himmelfahrt dieser Tafel
gerät man anderseits schon in das breite Gewässer kölnischer Werkstatt-
produktion, der eine kurz nach 1409 entstandene Kreuzigungstafel des Darm-
städter Museums die zeitliche Stellung gibt.
Ist jene stille Versonnenheit, jene lyrische Gefühlsinnigkeit, die alle Werke
der Frühzeit kölnischer Tafelmalerei charakterisiert, das allgemeine Kennzeichen
der süßen Überreife gotischen Weltgefühls, so scheint doch der Geschmack an
zierlicher Anmut, an mädchenhafter Holdseligkeit der niederrheinischen Stadt
in besonderem Maße eigen gewesen zu sein. Denn nirgends trieb der Stil
dieser Übergangsepoche so reine und liebliche Blüten, und nirgendwo wirkte