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Abb. 106 Hermen Rode. Tod Mariens. 1494. Lübeck, Marienkirche

wenn sie dem neuen Ideale dienten, dem zuerst Rogier van der Weyden
Form gegeben hatte.
Spricht man von niederländischem Einfluß und von deutscher Kunst, so muß
man sich vergegenwärtigen, daß beides zu jener Zeit nicht einen Gegensatz
bedeutete. Die staatliche Sonderexistenz der europäischen Nationen hatte im
Mittelalter noch nicht die Formen angenommen, die sie in der neueren Zeit kenn-
zeichnen. Die Grenzen waren nicht feststehend, sondern im Fließen, neue
Staatengebilde entstanden und verschwanden wieder, wie das burgundische
Reich, dem einstmals Flandern, Brabant und Holland gehörte, und der Natio-
nalitätsgedanke war nicht stark genug, einen Zusammenhalt zu begründen, der
nicht durch die Einheit eines festgefügten Staates gestützt wurde. Es kam
hinzu, daß im besonderen die kulturelle Gemeinschaft der europäischen Völker
während des Mittelalters stärker war als die nationale Sonderbildung. Die
Kirche übte mächtigeren Einfluß als der Staat. Ihre Einheit war das Band,
 
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