DER NIEDERLÄNDISCHE EINFLUSS
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das die Völker zusammenführte, und die Kunst, die sich in ihrer Gefolgschaft
entwickelte, galt als Gemeinschaftsgut der Menschheit, mit ihren Jüngern
wanderten ihre Formen.
Einer Zeit, der die Kunst Dienerin einer Weltgeltung heischenden Kirche
gewesen ist, war der Gedanke nationaler Gebundenheit künstlerischen Aus-
drucks fremd. So ist der Begriff deutscher Kunst nicht ein von allem Anfang
feststehender, sondern er bildet sich im Laufe der kulturellen Entwicklung.
Mit der Einschränkung nur, daß dem Bewußtsein der Zeitgenossen solche Vor-
stellung fremd war, kann von deutscher Kunst einerseits, von fremden Ein-
flüssen, die sie trafen, anderseits die Rede sein. Das Fremde wurde nicht als
solches aufgenommen und verarbeitet, es galt vielmehr als Teil gemeinsamen
Besitzes. Das Band zeitlicher Gemeinsamkeit, gleicher Stellung im Ablaufe der
Entwicklung war stärker als das der nationalen Zusammengehörigkeit, und ein
Konrad Witz mochte sich seinen westlichen Nachbarn näher fühlen als seinen
Zeitgenossen im östlichen Oberdeutschland oder in den nördlichen Provinzen.
So ist der starke und unverkennbare niederländische Einfluß, der nach der
Jahrhundertmitte die deutsche Kunst in seinen Bann zwingt, nicht wie ein
Strom zu verstehen, der von außen wirkte, vielmehr wie eine als innere Nötigung
empfundene Triebkraft. Rogier van der Weyden gab die Formulierungen, die
für lange gültig blieben, und er machte den neuen Stil zum Gemeingut der
Zeit. Ihm wurde untertan, was in den Bannkreis seiner Kunst geriet. Sein
Stil wurde richtunggebend für die neue Orientierung der deutschen Malerei,
die um das Jahr 1460 sich vollzog. Seine Kunst war die Sonne, der aller
Blicke sich zuwandten, aber das Licht, das von ihr ausstrahlte, leuchtete den
Deutschen mit heimatlichem Glanze, da es einen Weg erhellte, der ihnen wie
der eigene erscheinen mußte.
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das die Völker zusammenführte, und die Kunst, die sich in ihrer Gefolgschaft
entwickelte, galt als Gemeinschaftsgut der Menschheit, mit ihren Jüngern
wanderten ihre Formen.
Einer Zeit, der die Kunst Dienerin einer Weltgeltung heischenden Kirche
gewesen ist, war der Gedanke nationaler Gebundenheit künstlerischen Aus-
drucks fremd. So ist der Begriff deutscher Kunst nicht ein von allem Anfang
feststehender, sondern er bildet sich im Laufe der kulturellen Entwicklung.
Mit der Einschränkung nur, daß dem Bewußtsein der Zeitgenossen solche Vor-
stellung fremd war, kann von deutscher Kunst einerseits, von fremden Ein-
flüssen, die sie trafen, anderseits die Rede sein. Das Fremde wurde nicht als
solches aufgenommen und verarbeitet, es galt vielmehr als Teil gemeinsamen
Besitzes. Das Band zeitlicher Gemeinsamkeit, gleicher Stellung im Ablaufe der
Entwicklung war stärker als das der nationalen Zusammengehörigkeit, und ein
Konrad Witz mochte sich seinen westlichen Nachbarn näher fühlen als seinen
Zeitgenossen im östlichen Oberdeutschland oder in den nördlichen Provinzen.
So ist der starke und unverkennbare niederländische Einfluß, der nach der
Jahrhundertmitte die deutsche Kunst in seinen Bann zwingt, nicht wie ein
Strom zu verstehen, der von außen wirkte, vielmehr wie eine als innere Nötigung
empfundene Triebkraft. Rogier van der Weyden gab die Formulierungen, die
für lange gültig blieben, und er machte den neuen Stil zum Gemeingut der
Zeit. Ihm wurde untertan, was in den Bannkreis seiner Kunst geriet. Sein
Stil wurde richtunggebend für die neue Orientierung der deutschen Malerei,
die um das Jahr 1460 sich vollzog. Seine Kunst war die Sonne, der aller
Blicke sich zuwandten, aber das Licht, das von ihr ausstrahlte, leuchtete den
Deutschen mit heimatlichem Glanze, da es einen Weg erhellte, der ihnen wie
der eigene erscheinen mußte.