Abb. iio Meister der Georgslegende. Drachenkampf des heiligen Georg. Köln, Wallraf-Richartz-Museum
wandelt sich kaum, es ändert sich nur die Form, wenn der Meister des Marien-
lebens das gewaltige Drama des Kreuzestodes Christi als eine liebenswürdige
Idylle schildert (Abb. 107). Er gibt nicht ein schmerzhaftes Aufbäumen, sondern
ein stummes, friedliches Sterben. Longinus bittet gleichsam um Verzeihung, weil
er die Lanze gebrauchte. Magdalena umfängt den Kreuzesstamm, aber sie be-
rührt kaum das harte Holz. Maria faltet anmutig beiseite blickend die Hände.
Johannes stützt leicht ihren Arm. In friedlichem Gespräch reiten die Kriegs-
knechte einher. Jede Einzelheit erscheint natürlicher im Sinne unmittelbarer
Beobachtung der Wirklichkeit, aber der Blick für das Ganze ging verloren.
Man darf nicht an die ergreifenden Gruppen der Trauernden unter dem Kreuze
denken, die dem leidenschaftlichen Gefühlsausdruck gotischer Kunst entstamm-
ten, wenn man zu den innerlich kaum beteiligten Statisten der neuen Bühne
einen Weg finden will.
Die Abhängigkeit von der Kunst des Rogier und Bouts wird in jedem Zuge
deutlich, mehr noch in den allgemeinen stilistischen Voraussetzungen als in
der spezifischen Formbildung. Wohl fehlt es auch an unmittelbaren Hinweisen
nicht. Eine Darstellung der Grablegung gleicht einem Nachklang von Rogiers
großem Eskurialbilde. Aber nicht viele eigentliche Entlehnungen sind sonst