HINRIK FUNHOF IN HAMBURG
Unter den deutschen Meistern, die in den Niederlanden selbst entscheidende
Anregungen empfingen, steht der Hamburger Hinrik Funhof, dessen
Name auf westfälische Herkunft zu deuten scheint, an erster Stelle. Ein-
tragungen in Hamburger Urkunden nennen im Jahre 1475 den Meister, der
bereits zehn Jahre später als verstorben erwähnt wird. Eine glückliche Kombi-
nation erwies in dem Hochaltar der Johanniskirche in Lüneburg ein Werk
seiner Hand. Mit diesem Funde wurde der deutschen Kunstgeschichte nicht
ein Name allein, sondern ein Meister von hohem Range wiedergegeben.
Daß Funhof maßgebenden Einfluß in den Niederlanden empfangen hat,
kann einem Zweifel nicht unterliegen. Zu deutlich ist die Verwandtschaft mit
dem Stil des Dirk Bouts, der in dem deutschen Meister seinen getreuesten
Schüler gefunden hat. So eng ist die Beziehung, daß die Vermutung ausge-
sprochen werden konnte, kein anderer als Funhof habe die Gerechtigkeits-
bilder des Brüsseler Rathauses, die Bouts unvollendet zurückließ, nach dessen
Tode fertiggestellt. In Deutschland jedenfalls hat niemand so restlos die Lehre
der neuen niederländischen Malerei verstanden und verarbeitet wie Hinrik Funhof
in den vier Flügeltafeln des Lüneburger Altars. Kunstreich erfundene Archi-
tekturen schaffen Raum für eine Reihe von Darstellungen, von denen zwei
nebeneinander im Vordergründe, andere in kleinerem Maßstab in der Ferne der
Landschaft oder in rahmenden Gehäusen erscheinen (Abb. 116). Das Interesse des
Malers konzentriert sich auf die sachliche Schilderung zeitgenössischen Lebens.
Der eigentliche Sinn des legendarischen Vorgangs tritt kaum über die Schwelle
des Bewußtseins. Eine vornehme Tischgesellschaft ist das zentrale Motiv der
Bilder aus dem Leben der heiligen Cäcilie, und es wird nicht die leiseste Gemüts-
bewegung in den Zügen der Tafelnden sichtbar, wenn Salome mit dem Haupte
des Täufers auf der Schüssel teilnahmlos vor sich hinblickend hereinschreitet.
Eine lautlose Gemessenheit hemmt jede freiere Regung, der größere Zu-
sammenhang geht verloren, da das Auge nahsichtig scharf auf das Einzelne
eingestellt ist. Wie die Bilder gemalt wurden, so wollen sie gesehen werden,
man muß Stück für Stück die Teile ablesen, um alle die kleinen Köstlich-
keiten zu genießen, mit denen der Maler seine Tafeln geschmückt hat. Er
verstand es, porträthaft Menschen verschiedenster Art zu schildern, anmutige
Jünglinge wie den heiligen Georg, züchtige Fräulein wie die heilige Cäcilie,
würdige Greise wie den Papst, der die Hände der heiligen Ursula zum Abschied
drückt, arge Bösewichter wie den Henker des Johannes (Abb. 115) oder die Bogen-
schützen im Bilde der Ursulalegende. Umständlich und sorgsam auf nieder-
Unter den deutschen Meistern, die in den Niederlanden selbst entscheidende
Anregungen empfingen, steht der Hamburger Hinrik Funhof, dessen
Name auf westfälische Herkunft zu deuten scheint, an erster Stelle. Ein-
tragungen in Hamburger Urkunden nennen im Jahre 1475 den Meister, der
bereits zehn Jahre später als verstorben erwähnt wird. Eine glückliche Kombi-
nation erwies in dem Hochaltar der Johanniskirche in Lüneburg ein Werk
seiner Hand. Mit diesem Funde wurde der deutschen Kunstgeschichte nicht
ein Name allein, sondern ein Meister von hohem Range wiedergegeben.
Daß Funhof maßgebenden Einfluß in den Niederlanden empfangen hat,
kann einem Zweifel nicht unterliegen. Zu deutlich ist die Verwandtschaft mit
dem Stil des Dirk Bouts, der in dem deutschen Meister seinen getreuesten
Schüler gefunden hat. So eng ist die Beziehung, daß die Vermutung ausge-
sprochen werden konnte, kein anderer als Funhof habe die Gerechtigkeits-
bilder des Brüsseler Rathauses, die Bouts unvollendet zurückließ, nach dessen
Tode fertiggestellt. In Deutschland jedenfalls hat niemand so restlos die Lehre
der neuen niederländischen Malerei verstanden und verarbeitet wie Hinrik Funhof
in den vier Flügeltafeln des Lüneburger Altars. Kunstreich erfundene Archi-
tekturen schaffen Raum für eine Reihe von Darstellungen, von denen zwei
nebeneinander im Vordergründe, andere in kleinerem Maßstab in der Ferne der
Landschaft oder in rahmenden Gehäusen erscheinen (Abb. 116). Das Interesse des
Malers konzentriert sich auf die sachliche Schilderung zeitgenössischen Lebens.
Der eigentliche Sinn des legendarischen Vorgangs tritt kaum über die Schwelle
des Bewußtseins. Eine vornehme Tischgesellschaft ist das zentrale Motiv der
Bilder aus dem Leben der heiligen Cäcilie, und es wird nicht die leiseste Gemüts-
bewegung in den Zügen der Tafelnden sichtbar, wenn Salome mit dem Haupte
des Täufers auf der Schüssel teilnahmlos vor sich hinblickend hereinschreitet.
Eine lautlose Gemessenheit hemmt jede freiere Regung, der größere Zu-
sammenhang geht verloren, da das Auge nahsichtig scharf auf das Einzelne
eingestellt ist. Wie die Bilder gemalt wurden, so wollen sie gesehen werden,
man muß Stück für Stück die Teile ablesen, um alle die kleinen Köstlich-
keiten zu genießen, mit denen der Maler seine Tafeln geschmückt hat. Er
verstand es, porträthaft Menschen verschiedenster Art zu schildern, anmutige
Jünglinge wie den heiligen Georg, züchtige Fräulein wie die heilige Cäcilie,
würdige Greise wie den Papst, der die Hände der heiligen Ursula zum Abschied
drückt, arge Bösewichter wie den Henker des Johannes (Abb. 115) oder die Bogen-
schützen im Bilde der Ursulalegende. Umständlich und sorgsam auf nieder-