Paris
(f 1515) in Blois, Franz I. in Chambord und Fontainebleau; erst Heinrich II. (1547—59)
erwählt Paris wieder zur ständigen Residenz.
Der reiche Textilienschatz des französischen Königshauses, der unter der langen und weisen
Regierung Karls V. zu einem äußerst stattlichen Bestände ausgebaut war, der mit den
Schätzen des Hauses Burgund in Wetteifer treten konnte, fiel den Engländern (1418)
in die Hände und wurde schmählich verschleudert. Neue Aufträge an die Pariser Groß-
händler und das Heer der Wirker blieben völlig aus; mit unheimlicher Schnelligkeit
ging eine jahrhundertealte Industrie zugrunde. Die 1422 den Pariser Bürgern auferlegte
Steuerliste nennt nur noch die beiden Tapissiers Jehan des Champs und Pierre Renardin.
1423 werden die drei Wirker — oder Händler? — Jehan Chevance, Gromier Dumonstier
und Guillaume Deschamps mit der Schätzung der königlichen Textilien betraut. Die
Mehrzahl der Pariser Wirker sucht und findet ihre Beschäftigung in der Nähe des
Hofes, in den Städten und Schlössern der Loire, in der Touraine; ein anderer Teil
siedelt nach den führenden Manufakturen des Nordens nach Arras und Tournai über
oder wandert nach Italien aus.
In den vierziger Jahren betreibt Renaud de Maincourt, ein zweifellos äußerst be-
fähigter Wirker, in der Hauptstadt eine Manufaktur; der Meister verläßt aus nicht
näher ersichtlichen Gründen die Heimat und tritt 1455 in die Dienste des Papstes.
Jacquemin de Vergieres, „tappicier", bezieht 1454 für Ausbesserungsarbeiten von der
Königin Marie (d'Anjou) den Betrag von 13 1. 15 s. t. „laquelle tappicerie estoit fort
endommaigie de chiens, rats, souritz et autres bestes (!) qui l'avoient rongöe." Um
1460 ist Brice d'Espagne (Jehan d'Espaing) in Paris tätig. Am 30. Oktober 1459 be-
schließen die Canonici von Saint-Maurice zu Angers das Andenken ihres Namensheiligen
durch eine reiche Bildteppichfolge zu ehren. Einer ihrer Mitbrüder, Hugues Fresneau,
stellt die Summe von 200 Talern am 19. Januar 1460 zur Verfügung — die Schluß-
rechnung belauft sich auf 240 Taler, den fehlenden Betrag deckt das Kapitel —
Meister Brice wird mit der Arbeit betraut; die sechs Behänge sind als Schmuck des
Chorgestühls bestimmt. Die Stücke werden durch drei weitere Teppiche mit Episoden
aus dem Leben und Leiden des St. Mauritius ergänzt, die erforderlichen Mittel in
Höhe von 120 Talern durch Vertrag vom 4. Februar 1460 dem Meister zugebilligt.
Am 20. Januar des darauffolgenden Jahres (1461) schafft Guillaume Dupuys die drei
Behänge von Paris nach Angers. Die auf Tuch gemalten Patronen dienten zu gewöhn-
lichen Zeiten als Schmuck des Singechors, sie wurden an festlichen Tagen durch die
Teppiche ersetzt, ein Brauch, den wir des öfteren finden (94).
Fragmente der St. Maurillusfolge tauchten um 1874 wieder auf; die Umsicht de Farcys
sicherte den kümmerlichen Rest — zwei Episoden, 1,80 m lang, 1,55 m hoch — dem
Schatze der Kathedrale. Die Ausführung steht nicht über dem Durchschnitt, die
Textur ist mittelfein: Der Heilige gräbt in einem Garten, im Hintergrunde erscheinen
die heckenumsäumten Wege; das tafelnde Königspaar von England nimmt von
St. Mauritius einen mit Früchten gefüllten Teller entgegen; das obere noch erhaltene
Spruchband in gotischen Lettern — die untere Legende ist zerstört— erläutert die Szene:
tant que la mer lui randist les clefs du reliquiaire de leglise et de puis a ruia
pres le roy de agleterre qui joyeusement le receut et retint pour son jardinier.
Die Wiedergabe der Köpfe, der Brokatmuster der Gewänder und des Baldachins ist
ziemlich grob. Es spricht nichts dafür, daß der Entwurf der Folge der Hand eines
Pariser Meisters entstammt, es läßt sich im Gegenteil eine nahe Verwandtschaft mit
der gleichzeitigen französisch-flämischen Malerschule feststellen (95). Aller Wahrschein-
lichkeit nach kommt ein Atelier des Grenzgebietes als ausführende Werkstatt in Be-
tracht; Tournaiser Einflüsse machen sich bedeutsam geltend. Das Fragment hat im
übrigen nichts mit der zweiten Folge des heiligen Maurillus gemein, gleichfalls im Be-
sitze der Kathedrale zu Angers, die erst 1616/1617 entstand.
1484 bezieht die Stadtverwaltung Tournai eine Verdürenserie von Guillaume de
Sauchoy, „marchand de Paris", die als Geschenk dem „escuyer d'escurie et varlet de
chambre du roy nostre Sire" Guillebert Donghe überreicht wird.
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(f 1515) in Blois, Franz I. in Chambord und Fontainebleau; erst Heinrich II. (1547—59)
erwählt Paris wieder zur ständigen Residenz.
Der reiche Textilienschatz des französischen Königshauses, der unter der langen und weisen
Regierung Karls V. zu einem äußerst stattlichen Bestände ausgebaut war, der mit den
Schätzen des Hauses Burgund in Wetteifer treten konnte, fiel den Engländern (1418)
in die Hände und wurde schmählich verschleudert. Neue Aufträge an die Pariser Groß-
händler und das Heer der Wirker blieben völlig aus; mit unheimlicher Schnelligkeit
ging eine jahrhundertealte Industrie zugrunde. Die 1422 den Pariser Bürgern auferlegte
Steuerliste nennt nur noch die beiden Tapissiers Jehan des Champs und Pierre Renardin.
1423 werden die drei Wirker — oder Händler? — Jehan Chevance, Gromier Dumonstier
und Guillaume Deschamps mit der Schätzung der königlichen Textilien betraut. Die
Mehrzahl der Pariser Wirker sucht und findet ihre Beschäftigung in der Nähe des
Hofes, in den Städten und Schlössern der Loire, in der Touraine; ein anderer Teil
siedelt nach den führenden Manufakturen des Nordens nach Arras und Tournai über
oder wandert nach Italien aus.
In den vierziger Jahren betreibt Renaud de Maincourt, ein zweifellos äußerst be-
fähigter Wirker, in der Hauptstadt eine Manufaktur; der Meister verläßt aus nicht
näher ersichtlichen Gründen die Heimat und tritt 1455 in die Dienste des Papstes.
Jacquemin de Vergieres, „tappicier", bezieht 1454 für Ausbesserungsarbeiten von der
Königin Marie (d'Anjou) den Betrag von 13 1. 15 s. t. „laquelle tappicerie estoit fort
endommaigie de chiens, rats, souritz et autres bestes (!) qui l'avoient rongöe." Um
1460 ist Brice d'Espagne (Jehan d'Espaing) in Paris tätig. Am 30. Oktober 1459 be-
schließen die Canonici von Saint-Maurice zu Angers das Andenken ihres Namensheiligen
durch eine reiche Bildteppichfolge zu ehren. Einer ihrer Mitbrüder, Hugues Fresneau,
stellt die Summe von 200 Talern am 19. Januar 1460 zur Verfügung — die Schluß-
rechnung belauft sich auf 240 Taler, den fehlenden Betrag deckt das Kapitel —
Meister Brice wird mit der Arbeit betraut; die sechs Behänge sind als Schmuck des
Chorgestühls bestimmt. Die Stücke werden durch drei weitere Teppiche mit Episoden
aus dem Leben und Leiden des St. Mauritius ergänzt, die erforderlichen Mittel in
Höhe von 120 Talern durch Vertrag vom 4. Februar 1460 dem Meister zugebilligt.
Am 20. Januar des darauffolgenden Jahres (1461) schafft Guillaume Dupuys die drei
Behänge von Paris nach Angers. Die auf Tuch gemalten Patronen dienten zu gewöhn-
lichen Zeiten als Schmuck des Singechors, sie wurden an festlichen Tagen durch die
Teppiche ersetzt, ein Brauch, den wir des öfteren finden (94).
Fragmente der St. Maurillusfolge tauchten um 1874 wieder auf; die Umsicht de Farcys
sicherte den kümmerlichen Rest — zwei Episoden, 1,80 m lang, 1,55 m hoch — dem
Schatze der Kathedrale. Die Ausführung steht nicht über dem Durchschnitt, die
Textur ist mittelfein: Der Heilige gräbt in einem Garten, im Hintergrunde erscheinen
die heckenumsäumten Wege; das tafelnde Königspaar von England nimmt von
St. Mauritius einen mit Früchten gefüllten Teller entgegen; das obere noch erhaltene
Spruchband in gotischen Lettern — die untere Legende ist zerstört— erläutert die Szene:
tant que la mer lui randist les clefs du reliquiaire de leglise et de puis a ruia
pres le roy de agleterre qui joyeusement le receut et retint pour son jardinier.
Die Wiedergabe der Köpfe, der Brokatmuster der Gewänder und des Baldachins ist
ziemlich grob. Es spricht nichts dafür, daß der Entwurf der Folge der Hand eines
Pariser Meisters entstammt, es läßt sich im Gegenteil eine nahe Verwandtschaft mit
der gleichzeitigen französisch-flämischen Malerschule feststellen (95). Aller Wahrschein-
lichkeit nach kommt ein Atelier des Grenzgebietes als ausführende Werkstatt in Be-
tracht; Tournaiser Einflüsse machen sich bedeutsam geltend. Das Fragment hat im
übrigen nichts mit der zweiten Folge des heiligen Maurillus gemein, gleichfalls im Be-
sitze der Kathedrale zu Angers, die erst 1616/1617 entstand.
1484 bezieht die Stadtverwaltung Tournai eine Verdürenserie von Guillaume de
Sauchoy, „marchand de Paris", die als Geschenk dem „escuyer d'escurie et varlet de
chambre du roy nostre Sire" Guillebert Donghe überreicht wird.
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