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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0053
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Paris

Teppich der Madonnenfolge (Geburt des Herrn). Die Übereinstimmung der Fassung
der unteren Mittelkartusche ist in beiden Folgen ohne weiteres ersichtlich; die nahe
Verwandtschaft der in den Frachtgirlanden spielenden Putten bedarf keiner weiteren
Erörterung; die rahmenden Architekturglieder — Karnies, Eierstab — decken sich
vollkommen. Zum Überfluß trägt ein Teppich der Straßburger Serie — Mariens Ver-
mählung — das Brüsseler Stadtzeichen, der Wirkername fehlt. Zunächst steht die
Tatsache fest, daß die Geburt Mariä, die Darbringung im Tempel und die Vermählung
in Brüssel und aller Wahrscheinlichkeit nach im Atelier des Geraert van der Strecken
entstanden sind. Zweifelhaft ist die Provenienz der Verkündigung; die Signatur Da-
mours tragen die Begegnung Marias und Elisabeths, die Geburt des Heilandes (Abb. 20),
die Anbetung der Könige, Mariä Reinigung, die Flucht nach Ägypten, Jesus im Tempel,
die Krönung der Madonna; die unsignierten Teppiche, Hochzeit von Kana, Tod Marias,
Mariä Himmelfahrt, dürften gleichfalls in dem Pariser Atelier Damours entstanden
sein. Die Höhen wechseln zwischen 4,70 m und 4,92 m, die Längen zwischen 5 m
und 6,23 m. Die Technik Damours steht weit über dem Können seines Reimser
Meisters Pepersack; es müssen engere Verbindungen zwischen dem Wirker und dem
Streckenschen oder einem anderen Brüsseler Atelier bestanden haben, die einen der-
artigen Fortschritt gegenüber der Reimser Reihe, an der Damour doch einen wesent-
lichen Anteil hatte, erklären. Das genaue Datum der Pariser Niederlassung Damours
ist nicht bekannt, möglicherweise kommt ein Brüsseler Aufenthalt vor 1650 in Betracht,
jedenfalls steht Meister Pierre im Höhepunkt seiner Schaffenskraft — er ist 1610 von
Pariser Eltern (Pierre Damour und Marie Mariette) in der Vorstadt Saint-Marcel ge-
boren —, als er die Fertigstellung der Madonnenreihe 1652 übernimmt. Die letzten
Behänge erfordern eine Arbeitszeit von rund fünf Jahren. Am 2. September 1657 er-
folgt die notarielle Überweisung der 14 Behänge als Dank- und Erinnerungsgabe Le
Masles an seinen Meister, den großen Kardinal. Der Stifter Le Masle segnet am
25. Februar 1662 das Zeitliche; in seinem Nachlasse befinden sich 12 (statt 14) Pa-
tronen „tableaux reprösentant l'histoire de la Vierge peints sur toille, qui sont les
originaux des dessins de la tapisserie donnöe par ledict deffunct sieur des Roches ä
l'eglise de Paris, garnis de leurs cadrez dorez" — die goldgerahmten Kartons waren
in Ölfarbentechnik ausgeführt —•, „prisez ensemble la somme de 600 livres"; zwei
Kartons waren anscheinend in Brüssel verblieben. Die prächtige Folge zierte bis 1714
an festlichen Tagen den Chor von Notre-Dame; der Umbau der Kathedrale ließ eine
weitere Aufhängung als unzweckmäßig erscheinen, die Reihe gelangte 1739 für den
Preis von 10000 Livres in den Besitz des Straßburger Münsters.

Mit der Madonnenfolge ist die Reihe der authentischen Arbeiten Damours, soweit
mir bekannt, erschöpft.

Des öfteren tauchen Namen von Pariser Wirkern im 17. Säkulum auf, der Auszug
aus den Kirchenbüchern der Metropole Frankreichs dürfte eine stattliche Zahl ergeben;
von Bedeutung für die Geschichte der Bildteppichfolgen werden sie erst dann, wenn
sich Bildwirkereien von einigem Werte mit ihnen verknüpfen lassen. Mit dem Auf-
blühen der Manufakturen der Comans und van den Planken werden die wenigen
noch vorhandenen Ateliers fast zur Untätigkeit verdammt, sie nehmen mehr und mehr
den Charakter reiner Reparaturwerkstätten an (121). Im 18. Jahrhundert liegen die
Verhältnisse kaum anders, das Urteil des Pariser Parlaments vom 12. November 1728
spricht mit genügender Deutlichkeit (122). Es erübrigt sich, die Namen der Meistei— die
Witwe Monnissier, Nicolas Toffier (um 1760) usw. —, die sich mehrfach in Inventarauf-
stellungen finden, im einzelnen aufzuzählen. Daß trotzdem noch selbständige Ateliers in
Tätigkeit waren, beweisen die allerdings äußerst selten auftauchenden signierten Arbeiten,
m der Hauptsache Möbelwirkoreien, hier und da auch Porträts. U. a. erwähnt Guiffrey ein
Bruststück — Edelmann in niederländischer Tracht, dunkelbrauner Rock, Hut mit roten
Federn — im Besitze eines Herrn Lombard-Dumas inSommieres (bei Montpellier) mit der
Marke P. F. PARI 1666 (123). Sollte es sich nicht um ein Erzeugnis der Florentiner
Staatsmanufaktur handeln? P. Fevere signierte als alter Pariser des öfteren P. F. PARISIIS.

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