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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0227
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Beauvais

ker, die Genehmigung zur Herstellung von Bildteppichen „de la moniere de Celles de
Flandres", d. h. in tief litziger Technik, „pour l'etablissement des Manufactures royales
de tapisseries de haute et basse lice" — ein gewisser Widerspruch, der dem Unter-
nehmer lediglich größere Bewegungsfreiheit zusichert — „en la ville de Beauvais et
autres lieux de Picardie" auf eine Zeitspanne von 30 Jahren erteilt.

Um die nötigen Baulichkeiten zu ermöglichen, übernimmt die königliche Kasse vor-
schußweise 2/3 der tatsächlich entstehenden Kosten bis zum Botrage von 30000 Livres
— die Anlagen werden hypothekarisch belastet —; die gleiche Summe — zinslos, im
Laufe von sechs Jahren rückzahlpflichtig— wird für die Beschaffung der Rohmaterialien,
Farbstoffe usw. zur Verfügung gestellt (2). IMIt ausführlicher Genauigkeit buchen die
Comptes des bätiments unter dem 7. III. 1665, 28. I. 1667 usw. die Ausgaben (3), die
allein bei den Baulichkeiten eine Summe von rund 60000 Livres erreichen. Als Gegen-
leistung verpflichtet sich der Unternehmer bei Eröffnung der Manufaktur 100 Ange-
stellte zu beschäftigen und die gleiche Zahl in jedem kommenden Jahre neu aufzu-
nehmen, bis das Maximum von 600 nach Ablauf von sechs Jahren erreicht ist. Es ist
kaum anzunehmen, daß die beiden Parteien ernstlich mit der Durchführung dieses
Biesenprojektes rechneten, das in seinem Ausmaße die größten Brüsseler Ateliers bei
weitem in den Schatten stellen würde; die Zusicherung der Löschung der vorauf er-
wähnten Hypotheken im Falle der restlosen Durchführung des Programms war also
zunächst reine Hypothese. Um dem Zustrom der flämischen Wirker einen gewissen
Anreiz zu geben, wird Hinart ein Werbegeld für jeden neueingestellten Flamen in Höhe
von 20 Livres gewährt, „la bienvenue", wie der zeitgenössische Ausdruck lautet. Ar-
tikel X befaßt sich mit den Naturalisationsbedingungen, einen breiten Raum nimmt
die Lehrlingsfiage ein. Der Staatskasse fällt ein jährlicher Beköstigungs- und Ausbil-
dungszuschuß in Höhe von 30 Livres für die Person zur Last; unter dem 7. 2. 1669
gelangen z. B., um einen Beleg aus dem schon im Gange befindlichen Betriebe heraus-
zugreifen (4), an Hinard 2865 Livres zur Auszahlung „pour le salaire de cent deux
(102) apprentifs qui sont ä lad. manufacture pendant l'aimee 1668, et 680 liv. pour rem-
boursement de pareille somnic qu'il a payee aux ouvriers tant francais qu'estrangers
• . . 3545 liv."

Ähnliche Anweisungen finden sich noch des öfteren. 1666 beliefen sich die Zuschüsse
für die Zugewanderten (je 20 Livres) auf 1420 liv. — es kamen also 71 neue Wirker in
Frage —; die Lehrlingsgelder bezifferten sich auf 657 liv. 3 s. 6 d. (22 Lehrlinge) (5);
1667 erscheinen 42 neue Wirker (840 liv.) (6), die Lehrlingszahl beträgt 95; das Jahr
1669, ein Höhepunkt, fand bereits Erwähnung; 1671 werden 43 Wirker neu aufge-
nommen, die Zahl der Lehrlinge ist auf 145 gestiegen (7); im Laufe des Jahres 1672
hat sich der Personalbestand der Manufaktur um 57 Tapissiers vermehrt, die Lehr-
lingszahl beläuft sich auf 150 (8); 1673 werden die „bienvenues" für 55 fremde
Wirker ausgeworfen, der Lehrlingsbestand ist auf 139 gesunken. Die Angaben spre-
chen deutlicher als lange Ausführungen. Das ursprünglich vorgesehene Programm
mit einer jährlichen Personalerhöhung von 100 Mann hat naturgemäß nicht ein-
gehalten werden können, dagegen wird die Mindestlehrlingszahl von 50 übertroffen;
Beauvais rechnet nach kurzer Zeit zu den ersten Ateliers Frankreichs und der Nieder-
lande.

Hinart, seine Gesellschafter und Wirker, genießen neben gewissen Zollerleichterungen,
hiaugerechtsamen usw. vor allem die Befreiung von dem Stadtmilizdienst und der
militärischen Einquartierung, ein besonders kräftiges Zugmittel für die in der Heimat
mit Quartierbelegungen ständig geplagten Flamen (9).

Die von Hinart und seiner Gesellschaft erzeugten Wirkereien haben eine genau vor-
geschriebene Signatur zu tragen, der Verkauf innerhalb Frankreichs ist abgabenfrei,
der Auslandszoll beläuft sich auf 20 Livres für eine Folge von 20 Ellen Gesamt-
länge.

Mit großer Ausführlichkeit werden die Niederlassungsverhandlungen in den Akten
des Notars Houppin festgelegt — Vorbedingung ist fließendes Wasser für Färberei und

4 Gobel, Wandteppiche II.

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