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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0385
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Ferrara

Museum, der das Schild Burgunds und die Embleme des Goldenen Vließes auf Ver-
dürengrund legt; die Länge der „chuperta" mißt 41/«, die Breite 37a Ellen. Schließ-
lich nennt der Beleg einen dritten Behang, wiederum eine „verdura Minute de lana
e Seda", 67a auf 6 Ellen, die augenscheinlich das Gegenstück zu dem ersterwähnten
Teppich bildet. Meister Mille und sein Fachgenosse Raynaldo Grua de Faenza (Re-
nauld Grue) stehen im übrigen schon bald nach ihrem Eintreffen mit den maßgeben-
den kirchlichen Behörden der Stadt in geschäftlicher Verbindung. Der Vertrag, den
die beiden Wirker mit dem Bischof von Ferrara unter dem 4/5. Januar 1466 schließen,
bezieht sich sowohl auf Wandteppiche (spaleriis) als auch auf gewirkte Rückbe-
hänge (banchalibus). Meister Mille genießt bis zu seinem Tode, der in das Jahr 1483
fällt, das volle Vertrauen des Herrscherhauses; er wird ständig mit mehr oder weniger
umfangreichen Arbeiten betraut (7). Einen breiten Raum nehmen die gewirkten Saum-
tierdecken ein — zumeist Wappendarstellungen in geometrischer Fassung oder auf
Verdürengrund. Die Manufaktur von Ferrara erweist sich mitunter nicht leistungs-
fähig genug, das starke Prunkbedürfnis des Fürsten und seines Hofes zu befriedigen;
Mille wird im Januar 1476 nach Brügge, dem Hauptstapelplatz der flämisch-braban-
tischen Wirkereien, entsandt, um 22 reich gearbeitete Maultierdecken zu erwerben;
als Makler dienen die bekannten Häuser des Lorenzo de'Medici und des Tommaso
de'Portinari, die uns bereits mehrfach in der Geschichte der niederländischen Bild-
teppiche begegneten, der ausgeworfene Betrag beläuft sich auf 132 Dukaten (8). Meister
Mille bezieht als herzoglicher Diener seit dem Jahre 1475 ein Monatsgehalt in Höhe
von 4 Lire, sowie einen Jahreszuschuß (32 Lire) für die Miete der Atelierräume. Die
Arbeiten des Wirkers finden noch mehrfach Erwähnung, es handelt sich zumeist um
gröbere Wirkereien „de lana grossa", als Patronenmaler tritt des öfteren Cosme Tura
in Erscheinung. In das Jahr 1478 fallen wiederum 10 „coperte con insegne ducali".
1480 werden zwei Portieren („antiporti") genannt.

Kehren wir zu den Anfängen der Manufaktur Ferrara zurück, so läßt sich die Tätig-
keit des eingangs erwähnten Pietro di Andrea di Fiandra noch bis etwa 1471, also
rund 30 Jahre lang, verfolgen. In das Jahr 1458 fällt eine über den Rahmen der üb-
lichen Verdüren und Wappenteppiche hinausgehende Arbeit, fünf «palii d'altare con
figure di santi".

Die Berufung des Livino di Giglio de Burgis (Lieven Gillisz aus Brügge) fällt in
den Beginn der vierziger Jahre, er ist zeitweilig (1457) in Florenz tätig, kehrt aber
bald nach Ferrara zurück und arbeitet als geschickter Meister zahlreiche Behänge nach
Tura's Entwürfen; er segnet um 1473 das Zeitliche (9).

Eine bedeutsame Rolle spielt Rinaldo de Fiandra, bekannter unter dem Namen Ri-
naldo di Gualtieri Boteram. Der Meister stammt aus Brüssel (Rainaldo de Borsella,
Rainaldo Boterame da Burseies); er siedelt sich 1436 zunächst in Siena an und er-
scheint 1445 am Hofe von Ferrara, nachdem der Herzog schon zuvor mit ihm in ge-
schäftlicher Verbindung gestanden hat. Rainaldo ist Händler und Wirker, er zählt zu
den Tüchtigsten seiner Zunft, die Verbindung mit der Heimat wird nie gelockert.
Der größte Teil der von ihm gelieferten Folgen dür fte in den Niederlanden, nur ein
kleiner Bestand in eigenen Werkstätten auf italienischem Boden entstanden sein. 1449
wendet Boteram seine Tätigkeit dem Hause Gonzaga zu, ohne die dauernde Fühlung
mit Ferrara zu verlieren. In dem Erlasse von 1465, der sich mit der Tätigkeit Meister
Mille's befaßt (10), ist gleichfalls von ßoteram die Rede, es handelt sich um eine von
dem Brüsseler Händler-Wirker gelieferte Josephsgeschichte. Es fällt auf, daß die ur-
kundlichen Belege sich über Boteram in einer für einen Kunsthandwerker ganz unge-
wöhnlich liebenswürdigen Form äußern. Ein persönlicher Erlaß des Herzogs Ercole
(1481)

spricht von wAmico nostro carissimo Rainaldo de Borsella nuncupato Boteram
lapezerio"; es handelt sich bei diesem Auftrag, der „certe tapezarie et croce da pia-
nede de recamo" behandelt, um die für die damalige Zeit recht beträchtliche Summe
von 46873 Gulden (11). Die Tatsache, daß der Meister sich sowohl mit dem Ver-
schleiß von Wirkereien als auch von Stickereien befaßt, illustriert deutlich den aus-

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