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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0396
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Florenz

Rost (Rostel), der uns von der Werkstatt Ferrara her bekannte Brüsseler Wirker, der
Sohn des Laurentius Rost, und Nikolaus Karcher (Carchera) treten in die Dienste des
Mediceerfürsten. Die Übersiedelung erfolgt 1544 oder 1545; der grundlegende Vertrag
datiert vom 20. Oktober 1546. „Joannes Rostel de Flandria Magister Auleorum sive
ut vulgo dicitur d'Arazzerie et Tappezzerio" in erster und „Niccolajo Carchera" in
zweiter Linie verpflichten sich zur Aufstellung von 24 Gezeugen, von denen zum
mindesten 12, auf Verlangen des Herzogs auch alle in Betrieb gehen müssen; als Ge-
sellen und angestellte Meister dürfen nur tüchtige und geschickte, in ihrer Kunst
durchaus erfahrene Wirker zugelassen werden. Die beiden Unternehmer erklären sich
bereit, junge Burschen, die sich der Wirkerei widmen wollen, zur gründlichen Aus-
bildung zu übernehmen; die Zahl der Lehrlinge setzt der Landesherr fest, Rost und
Karcher steht kein Einspruchsrecht zu. Im übrigen arbeitet die Manufaktur nach den
Wünschen des Herzogs und an dem Orte, den er bestimmt. Die Verpflichtungen
sind, so langatmig sie der Vertrag auch behandelt, in keiner Weise drückend. Die
Lehrlingsausbildung gehört aus wirtschaftspolitischen Gründen zu den Selbstverständ-
lichkeiten jeder Atelierncugründung, sie wird durch landesherrliche Verpflegungszu-
schüsse wesentlich erleichtert. Die Gegenleistungen der herzoglichen Regierung sind
dagegen recht weitgehend. Die beiden Unternehmer beziehen für die Dauer des
Vertrages eine jährliche Subvention in Höhe von 600 seudi d'oro in monatlichen Raten.
Die für den Herzog erzeugten Folgen werden zudem entsprechend der Feinheit und
Schwierigkeit der Durchführung vergütet. Die Bereitstellung der Atelierräumlich-
keiten ist Sache der Regierung, die im übrigen auch für die Ausstattung, die 24 Ge-
zeuge und die sonstigen für den Wirkereibetrieb nötigen Geräte zu sorgen hat. Zum
mindesten müssen genügend landesherrliche Auftrage vorliegen, um dauernd vier bis
fünf Stühle im Gange zu halten. Die letztgenannte Abmachung will nicht recht zu
der hohen Forderung der 24 Gezeuge passen, die Wirker konnten jedoch unbedenk-
lich auf die Klausel eingehen, da bereits eine größere Anzahl Stühle für den Herzog
belegt war. Zudem stand es Rost und Karcher frei, auch in fremdem Auftrage nach
Belieben tätig zu sein. Die Vertragsdauer lief von drei zu drei Jahren. Die sachlich
klare Abfassung der einzelnen Punkte ist nicht weiter verwunderlich, wenn man be-
denkt, daß ein mehr als einjähriger Probebetrieb vorausging. Absatz 7 befaßt sich
mit einer bereits in Arbeit befindlichen Josephs-Folge. Als Patronenzeichner wird
Agnolo Bronzino genannt. Die riesige, zwanzig Behänge und Fensterpfeilerstücke
zählende golddurchwirkte Serie war für den Saal der Zweihundert im Palazzo Vecchio
bestimmt, der größte Teil der Teppiche befindet sich noch in der Sala dei Dugento,
ein kleiner im Palazzo del Quirinale zu Rom. Die Durcharbeitung der Kartons, so-
weit Bronzino in Frage kommt, fällt in die Jahre von 1545 bis 1552, als Hilfskraft
steht dem Meister Raffaello dal Colle zur Verfügung, der einer Einladung Bronzinos
(3) (30. IV. 1548) Folge leistet und zeitweilig von Rom nach Florenz übersiedelt. Neu-
entwürfe sind dal Colle nicht zuzuschreiben, er erledigt im wesentlichen die Über-
tragung der Entwurfsskizzen in die naturgroßen Kartons. Bronzino's Lehrer Jacopo
da Pontormo, ist nur mit zwei wenig glücklichen Entwürfen beteiligt, Franz Salviati
zeichnet den t(Traum Pharaos" — „mit dem allergrößten Fleiß, der bei einem solchen
Werke möglich ist und den die Bilder, die gewebt werden, brauchen: ideenreiche
Erfindungen, mannigfache Kompositionen wollen die Gestalten haben, daß sie sich
eine von der andern abheben, damit sie Rundung haben und heiter in den Farben,
reich in Tracht und Kleidung werden11 (G. Vasaris „Lebensbeschreibungen" Bd. VI,
S. 291. Deutsche Ausgabe). Geisenheimer unterzieht die Folge einer eingehenden Un-
tersuchung (4), in der er die Angaben Contis in einer Reihe von Punkten ergänzt und
durch urkundliche Auszüge belegt.

Die Übertragung der großen Kartons in Gold, Wolle und Seide wird zu fast gleichen
Hälften auf die beiden Wirker verteilt. Rost übernimmt: Josephs Traum (Sonne und
Mond), Joseph wird verkauft, Jakobs Trauer über den angeblichen Tod des Sohnes
(Pontormo), die Brüder behalten Josephs Kleider zurück, Joseph im Gefängnis, die

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