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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0439
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Rom. Barberini

vollzieht sich in einer säulengetragenen Halle mit beiderseits eingebauten Loggien.
Barbier de Montault bringt ausführlich die erläuternden Legenden (19).

Im zweiten Behänge überwacht der Kirchenfürst die Austrocknungsarbeiten der pon-
tinischen Sümpfe von einer primitiven Brücke aus, die Arbeiter sind eifrig mit Schilf-
schneiden und Graben beschäftigt.

In feierlicher Handlung weiht im dritten Bilde Papst Gregor XV. Barberini zum
Kardinal, in den Lüften schwebt die allegorische Gestalt des Glaubens. Der vierte
Behang schildert die Papstwahl. Im Konklavesaal hält am Wahltisch aufrechtstehend
ein Kardinal den Namenszettel Barberini's, zur Linken verfolgen die Monsignori mit
Spannung die Handlung, in der Höhe schwingen sich die unvermeidlichen symbolischen
Gestalten. Im fünften Motive überreicht eine Bäuerin dem thronenden Urban VIH.
die erste Frucht der neukultivierten Gebiete, neben dem Papste nimmt Taddeo Bar-
berini Aufstellung, in den Händen die Stephanskrone — der Nepote führt die Gesandt-
schaft nach Ungarn —; Flußgötter, Göttinnen und Genien vervollständigen den figür-
lichen Apparat, im Hintergrunde dehnt sich eine bergige Landschaft. Es folgen die
Einweihung der Sankt Petersbasilika (1626), die Befestigung der Engelsburg (1627)
— ein Diener trägt den „ombrellino", der Architekt hält in den Händen den Plan
mit den vier Bastionen —, die Huldigung der christlichen Nationen (Abb. 436) und
ein allegorischer Behang (der Papst schlichtet den Streit zwischen Ravenna und
San Marino). Ein zehnter Teppich, der mit zwei uns bereits bekannten großen
Behängen der Geschichte Urban's (Befestigung, Huldigung) in die Sammlung de
Somzee überging und mit dieser 1901 (1904) zur Versteigerung gelangte (20), zeigt
den vom Klerus und einem militärischen Befehlshaber begleiteten Papst, in den Wolken
erscheinen St. Petrus, St. Paulus, der gewappnete St. Michael und eine vierte schwer
deutbare Gestalt. Ein kniender Geistlicher, ein Schreiben in der Rechten, weist auf
eine Kampfszene, im Hintergrunde (links) verjagt „Friede" die „Hungersnot". Es
handelt sich augenscheinlich um eine Anspielung auf die Unabhängigkeitsbestrebungen
des Kirchenstaates. Als elftes Stück käme in Frage die Vereinigung des Herzogtums
Urbino, nach dem Erlöschen des Hauses Rovere, mit dem Kirchenstaat.

Von besonderem Interesse sind die zugehörigen zehn langen Streifen (H. 0,90 m),
die aus der Sammlung de Somzee in jüngster Zeit zum Teil in den Besitz der Wiener
Kunsthandlung H. Frankl übergingen. Zweifelsohne handelt es sich um die soge-
nannten Bordüren Lazzaro Baldi's — die Fassung des großen Stückes ist viel zu ein-
fach, um eines Künstlers von Ruf zu bedürfen. Die Motive (Abb. 437) ahmen vergol-
dete Holzschnitzereien nach; die Deutung ist schwierig, die bisherigen Erklärungsversuche
der durchgängig historischen Episoden sind recht zweifelhafter Natur.

Wahrscheinlich gehören die 5,55 m hohen, 1,20 m breiten Pfeilerstücke — acht Tep-
piche; auf einer Säule ruht eine kreisrunde Scheibe mit Bilddarstellungen, durch Um-
schriften erläutert, überhöht von einem Maskaron mit Fruchtkorb, gefaßt von schweren
Girlanden und einer ornamentierten Hohlkehle — im Besitze der Berliner Kunst-
handlung „Altkunst" der gleichen Serie an. Die Technik ist einwandfrei, die Farben-
gebung — der Nachdruck liegt auf Gelbbraun — frisch.

Monsignore Barbier de Montault erwähnt in seinem „Inventaire descriptif des tapis-
series de haute-lisse conservöes ä Rome" weiterhin eine aus zwölf Behängen zusammen-
gestellte Geschichte Casars, die er der Barberini-Manufaktur zuschreibt. Tatsäch-
lich tragen die Behänge zum Teil die Brüsseler Stadtmarke, möglicherweise wurde
die Folge in einem römischen Atelier ergänzt — zwei Teppiche zeigen als Signatur
die Tiara. Die gleiche Unklarheit besteht hinsichtlich der von Gentiii als authentische
Arbeit aufgeführten Mosesgeschichte (11 Behänge), nähere Erläuterungen fehlen voll-
ständig; sollte es sich nicht um eine Verwechslung mit der florentmischen Mosesserie
aus dem Atelier des Bernardino van Asselt handeln (Abb. 411)? Zu den umstrittenen
Folgen zählt fernerhin die Äneaslegende, die mit acht Teppichen im österreichischen
Staatsschatze (Abb. 438), mit drei Behängen in der königlich schwedischen Kollektion
und verschiedentlich in Privatsammlungen vertreten ist. Die aus sechs Behängen zu-

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