Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0501
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Madrid

Der französische Staatsschatz (Manufacture nationale des Gobelins) (22) besitzt einen
vierten, 1883 von der spanischen Staatsmanufaktur erworbenen Tugendteppich. Bor-
dürenlösung und Abmessungen (H. 2,32 m, L. 2,43 m) gehen genau mit der van
der Goten'schen Serie zusammen. Der Behang figuriert unter der Bezeichnung «der
Überfluß". Eine blumengekrönte Frauengestalt ruht auf Wolken, der rechte Arm
faßt die Garbe, die gesenkte linke Hand trägt das Füllhorn, dem verschwenderisch
Früchte entquellen. Geflügelte Putten pflücken Weintrauben oder spielen mit Blumen.
Die Bezeichnung „der Überfluß" dürfte unzutreffend sein, es handelt sich um ein
weiteres Tugendemblem, wahrscheinlich um den gnädenspendenden Glauben.

Als letzte große, unter klaren einheitlichen Gesichtspunkten entstandene Folge er-
scheint die prächtige Schlafzimmerausstattung Karls III. für das neue Schloß zu Madrid,
mit insgesamt 77 Teilen (Abb. 503-505).

Der gewaltige Brand vom Jahre 1734 hat das alte Madrider Königsschloß in Schutt
und Asche gelegt; der Neubau entsteht mit wesentlichen Erweiterungen in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit an der gleichen Stelle, Karl III. bezieht seine neue Residenz am
1. Dezember 1764. Eine besonders reiche Ausstattung erfährt das Parade-Schlafzimmer
des Herrschers; die Wirkereien werden, unter ausgiebiger Verwendung von Gold-
einschlag, der Manufaktur Santa Barbara in Auftrag gegeben. Der Durchbildung der
Kartons unterzieht sich Guillermo Anglois mit unleugbarem Geschick und feinem Ver-
ständnis, Jose del Castillo ist an einigen der letzten Entwürfe beteiligt, Die Vorbilder
— namentlich die Portieren — der französischen Staatsmanufaktur der Gobelins und
der Werkstätten zu Beauvais sind in durchaus selbständiger Auffassung verwertet und
gewandelt. Als wesentlichster Bestandteil der Bettgarnitur erscheint die Paradedecke
mit den herabfallenden Klappen und dem Kopfstück (Abb. 503). Die Ornamente der
Seitenteile dienen der goldenen strahlensendenden Sonne, dem Symbol des Königtums,
als Fassung. Die Ausstattung wird ergänzt durch die vom Betthimmel herabhängen-
den Wirkereien — ganz in der Art des Deckenmittelstückes gelöst—, durch eine Wand-
garnitur in etwas gewandelter Auffassung, durch Teile unter, über und zwischen den
Fenstern und ein vollständiges zugehöriges Möbel. Die wirktechnische Durchführung
der Folge dürfte zu Ende der sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre erfolgt sein.

Eine zweite Zimmergarnitur, die nur teilweise sich im königlich spanischen Tex-
tilienscliatz erhalten hat, bietet insofern besonderes Interesse, als der „pompejanische
Stil", für den König Karl III., der einstige Beherrscher Neapels, der eifrige Erschließer
der vom Vesuv verschütteten altrömischen Städte, eine besondere Liebhaberei bezeugt,
zur Anwendung gelangt. Als Patronenmaler kommt Jose" del Castillo in Frage, die
Übertragung dürfte in den letzten Jahren des 18. Säkulums vonstatten gegangen sein
(Abb. 506). Blumeng ewinde, Ranken und Camai'eus «imitando las pinturas de Ercolano",
um den zeitgenössischen Inventarausdruck zu gebrauchen, heben sich zart und zugleich
kräftig von dem einfarbigen roten oder violetten Grund. Der fragmentarische Bestand
des «pompejanischen Zimmers" (7—10 Teile) erklärt sich aus der sorglosen Art, mit
der die Palastverwaltung und die Manufaktur die kostbare Folge behandelte. Eine
Portiere ging u. a. 1884 käuflich in den Besitz der Manufacture des Gobelins über
(H. 2,75 m, L. 1,28 m); der Mittelgrund ist rosa, der Rahmenfond gelb bezw. blau-
violett (23).

Unter dem 31. Dezember 1762 erhält Anton Raphael Mengs laut königlichem Dekret
die Oberaufsicht der Staatsmanufaktur Santa Barbara, ihm liegt die Beschaffung der
notwendigen Patronen ob, die Wahl geeignet erscheinender Maler. Die Zahlungs-
zusammenstellung der Kartonlieferungen in der Zeitspanne von 1776 bis Ende April
1780 bringt einen ungefähren Anhalt über die für die Staatsateliers tätigen Künstler
und den Umfang der von ihnen geleisteten Arbeiten. Jose" del Castillo bezieht für
16 Kartons 55000 Reales, Antonio Gonzalez Veläzquez bringt 23 Kartons, Mariano
Nani 14, Ginös Andres de Aguirre 11, Ramön Bayeu 20, Antonio Barbazza deren 6,
Jose" de Salas nur einen, Francisco de Goya dagegen 30 zur Ablieferung; insgesamt
werden der Manufaktur 121 Patronen zur Verfügung gestellt (24), ein recht beträcht-

483
 
Annotationen