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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 3) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62336#0330
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Jan Davids? de Heem.
Auch das sogenannte Stillleben, die Darstellung des Kleinen und Einzelnen in der Natur,
wie es namentlich in Auswahl und Anordnung das Walten der Menschenhand verräth, hat inner-
halb der holländischen Kunst seinen bestimmten Kreis von Bearbeitern gefunden; und sogar die
möglichen Unterabtheilungen dieser Gattung der Malerei haben ihre eigenen Meister gehabt-
Keine unter diesen aber hat einen größeren Künstler als das Haupt der ihr zugethanen Gruppe
aufzuweisen, als die Blumen- und Früchtemalerei
Da die Gegenstände des Stilllebenmalers an sich kein geistiges Interesse haben, so hat die
Kunst der Meister sich vorzugsweise auf die Bearbeitung richten müssen, und durch die malerische
Anordnung, die schlagende Naturwahrheit der Nachahmung, den Glanz der Farben, die Harmonie
der Haltung muß ein Aequivalent für den mangelnden Inhalt geboten werden. Hierin haben nun
in der That die hervorragenden unter den holländischen Stilllebenmalern Unübertreffliches geleistet;
ja, sie haben eine Art von Idealität für ihre Darstellungen zu erreichen gewußt, indem sie sie —
ganz analog der Formenidealisirung in der figürlichen Darstellung — nicht aus die Wiedergabe des
zufällig in der Natur Gegebenen eingeschränkt, sondern das — räumlich und zeitlich — zerstreut
gegebene Material nach malerischen Gesichtspunkten frei vereinigt haben, um die möglichst hohe,
bildmäßige Schönheit zu erreichen. So sehen wir Weintrauben und andere Früchte neben den
Blumen des Frühlinges erscheinen; Schmetterlinge umflattern sie, während die Raupe am Blatte
kriecht, fremdartiges Gethier und Gewächs mischt sich unter die einheimischen; kurz, das Stillleben
ist zeitlos, nur durch das Gesetz der Schönheit in der Auswahl, durch das der Wahrheit in der
Gestaltung des Einzelnen gebunden.
Der Hauptmeister der Blumen- und Früchtemalerei ist Ian Davidsz de Heem, Sohn
und Schüler des David de Heem. Er wurde im Jahre 1600 zu Utrecht geboren und starb
1674 zu Antwerpen, wohin er sich vier Jahre zuvor des Kriegslärmes wegen geflüchtet hatte.
Früh schon übertraf er seinen Vater, und Niemand von seiner zahlreichen Gefolgschaft ist ihm gleich
geworden. Seine Composition ist von ausgezeichnetem Geschmack: es ist kaum zu viel gesagt, daß
manche seiner Blumen- und Fruchtgehänge an die von Raphael inspirirten Dekorationen der Log-
gien des Vaticanes in Rom erinnern. Die Zeichnung ist bei ihm von tadelloser Correctheit, und
in geistvollem Vortrage weiß er große Bestimmtheit der Formen mit großer Weiche zu verbinden. '
Auch in der Farbe ist er ausgezeichnet. Die warmen, goldigen Töne walten bei i)m vor, und
namentlich in seinen früheren Bildern nähert er sich durch die Energie und Geschlossenheit seiner
Färbung und Beleuchtung dem Rembrandt. Später verliert er etwas von dieser feinen Harmonie:
die fast noch naturwahreren Gegenstände vereinzeln sich im Bilde.
Für seine besten Bilder werden gehalten: im Belvedere zu Wien der Abendmahlskelch mit
der darüber schwebenden Hostie, von Blumen und Früchten — in symbolischer Bedeutung auch
einer Getreidegarbe und Weintrauben — umgeben, und im Museum zu Berlin eine herrliche
Blumenumrahmung, welche einst ein (gemaltes) steinernes Heiligenbild einschloß, jetzt aber, nachdem
das Mittelstück 1806 abhanden gekommen, eine die Harmonie empfindlich störende Madonna mit
dem Kinde von Karl Begas in sich faßt. L. U.


Deui-schlands Kunstschätze IH.

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