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hab ich solche Schmerzen gehabt, daß ich es nit aussprechen
kann, Gott sei ihr gnädig. Jhr gemeine Freude ist gewesen,
von Gott zu reden, und sah gern die Ehre Gottes, und sie war

im 63 Jahr da sie starb, und ich habe sie chrlich nach meinem

Vermögen begraben lassen. Gott der Herr verleihe mir, daß
ich auch ein seliges Ende nehme, und daß Gott mit seinen himm-
lischen Heeren, mein Vater, Mutter und Freunde zu meinem
Ende wollen kommen, und daß uns der allmächtige Gott dss

ewige Leben gebe. Amen. Und in ihrem Tode sah sie viel

lieblicher, denn da sie noch das Leben hatte."

Jch habe Dürer's Sprache in dieser Stelle uur unbedeutend
der heutigen näher gebracht: Jedermann wird aus ihr heraus-
fühlen, mit welcher Liebe er an seiner Mutter hing, von der
kein Bild, soviel ich mich erinnere, vorhanden ist, obgleich er sie
sicher mehr als einmal portraitirte.

Nun betrachten wir seinen Vater, den er zweimal gemalt
hat, ein alter, klugblickender Mann mit einem Käppchen in der
Hand. Und dann Wohlgemuth's Portrait, mit aller erdenklichen
Sorgfalt die vom Alter ausgemergelten Ziige wiedergebend. Es
bedürfte auch hier der Worte nicht, mit denen Dürer, vor dem
der Mutter, den Tod des Vaters beschreibt: weun irgend etwas
von der Liebe und Treue seines Gemüthes Kunde giebt, so sind
es diese Portraits.

Es ist keine Kleinigkeit, Menschen darzustellen wie sie wirk-
lich stnd. Wir haben, wenn wir den Bereich der modernen
Malerei überblicken, eine Reihe Portraits ersten Ranges, die bis
über die Hundert gehen. Nichts lehrreicher, als eine Vergleichung
solcher Werke. Nirgends zeigt sich die Seelentiefe eines Künst-
lers so bestimmt wie beim Portrait. Es bildet den Gradmesser
für ihr Genie, und dies deßhalb um so sicherer, als Portraits
von bedeutenden Meistem immer mehr als Nebenarbeit betrachtet
werden, bei denen sie sich in gewisser Beziehung gehen lassen.
Portraitmaler von Beruf können hier nicht in Frage komnien,
 
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