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Hals, Frans [Hrsg.]; Grimm, Claus <Prof., Dr.> [Hrsg.]
Frans Hals: Entwicklung, Werkanalyse, Gesamtkatalog — Berlin, 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.29837#0152
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DAS HELLDUNKEL

Bei der Betrachtung der Farbigkeit selbst später Werke wie des Regentessenbildes fällt
auf, daß der licbtarme Hintergrund nicbt farblos, sondern schwarz-braun, schwarz-rot,
grün-grau und braun erscheint. Gerade angesichts der im Bildvordergrund ablesbaren
Tendenz, die Farben zu bloßen Helligkeitswerten zu verwandeln und diese bald zur
Bildtiefe hin verblassen zu lassen, überrascht die Feststellung einer derartigen Farbhaltig-
keit. Das Kolorit der entfernten, verdunkelten und blassen Gegenstände ist zudem nicht
in seiner Eigenart betont, sondern ist in eine doppelt indizierte starke Farb-Tonigkeit
eingegangen. Es ist darum auf eine Verweisfunktion jener entfernteren Farben zu
schließen, die jenseits der Motivkennzeichnung und der Regulierung flächenbildlicher
Wirkungen liegt.

Das Medium der Darstellung auf dem Tafelbild ist die Farbe. Auch Licht und Dunkel-
heit sind im Bild nicht anders darstellbar als durch die Farbe. In ihrer reinen Form sind
sie farblos. Das weiße und schwarze Pigment bilden die relativ stärkste Helligkeit oder
Dunkelheit durch Reflexion oder Absorption ab, aber als Farblosigkeit. Von der Wir-
kungsmacht des Lichtes dagegen kündet nur die Skala der Farben, genauer: die in deren
reinster Ausprägung latente spezifische Helligkeit. Diese ist im Gelb am strahlendsten,
der Charakteristik des Lichtes am nächsten; nach Rot, Grün, Braun hin nimmt sie ab.
Erst die Erscheinungsweise von beiden Bereichen zugehörigen Bildfarben, die sich in
ihrem jeweiligen Buntwert nicht restlos erschöpfen, sondern über diesen hinausverweisen
durch ihre Orientierung auf Licht und Finsternis als Urphänomene, und die zugleich
mehr sind als nur »Modifikationen« ihres Buntwertes (der ein bloßer Hinweis auf ein
Licht-Schatten-Verhältnis wäre), — erst diese Erscheinungsweise »suggeriert« Licht und
Finsternis (Zitate nach Ernst Strauss, dessen Gedanken diese Darlegungen folgen131).
Um Licht als Farbe darstellen zu können, wird die jeweilige Lokalfarbe zusätzlich be-
stimmt: Licht und Dunkelheit werden im selben Momente mehr als nur hingenommene
Gegebenheiten; sie werden zur Bildursache, als solche wird auf sie verwiesen. Beide
derart dargestellten Prinzipien werden als Nähe einer bestimmten Erscheinungsform vor-
geführt: Nur im Bereich seiner materiellen (Wärme-) Wirkung erscheint das Licht gelb,
nur in dieser Unmittelbarkeit läßt es sich als dynamisch vorstellen; nur die braune
Dunkelheit einer vor den Augen des Beschauers beginnenden Raumhöhlung läßt sich —
als kontrollierbarer Schwund des Lichtes — entsprechend dynamisch verdeutlichen. Alles
im Bilde Erfaßte wird in die Dimensionierung zwischen Licht und Dunkel hineingezogen;
auch die jenseits dieser Bestimmung sichtbare Eigenfarbigkeit gehört bereits einer auf
Lichtdarstellung hingeordneten Struktur an.

131 Ernst Strauss, Zu den Anfängen des Helldunkels, Hefte des Kunsthist. Seminars d. Univer-
sität München, Nr. 5, S. 5 ff.

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