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Die freie Kinderzeichnung.

/^ine gute Anterrichtsmethode ist synthetisch und analytisch. Der Anterricht des
1. Schuljahres war wesentlich analytisch, die Kinder zeichneten ganze Dinge, ja
sogar ganze Situationen. Die Äbungen des 2. und 3. Zahres, soweit sie bisher besprochen
wurden, sind mehr synthetischer Natur, indem sie auf Einzelheiten nach Maßgabe
einer vom Leichten zum Schwierigen, vom Einfachen zum Komplizierteren fort-
schreitenden Stufensolge in genauerer Weise eingehen. Darüber aber laufen die
5vinder Gefahr, den Blick für das Wesentliche und Bildmäßige größerer und
komplizierterer Dinge und Situationen zu verlieren. Dieses wird verhindert durch
das „malende" Zeichnen, wie es fchon im 1. Iahre geübt wurde. Etwa in jeder
2. Stunde lafse man die Kinder zeichnen und malen, „was sie wollen". Da dürfen
fie sich nach Äerzenslust aussprechen. Llnd sie tun es gern, die Stille in der Klafse
bezeugt es. Der Lehrer sehe ihnen nicht auf die Finger, wenn sie ihren geheimen
Schatz auskramen, die Kinder sind sehr schamhaft und mögen nur dem, der ihr ganzes
Vertrauen hat, ihre Äeimlichkeit zeigen. Der Lehrer nehme fie daher sehr ernst und
lafse sich nie dazu verleiten, ein kindliches „Gekritzel" lächerlich zu machen oder gar
durch Drohungen besseres erzwingen zu wollen. Er soll vielmehr abwarten, was
komme, und aus den Zeichnungen der Kinder lernen, wie er durch seine Nachhilfe
fördern könne. „Zeichnet, was ihr wollt!" das klingt so sehr unmethodisch und ist
doch das Zauberwort, welches schlummernde Kräfte weckt. Es ist noch nicht an-
gebracht, eine bestimmte Aufgabe der ganzen Klasse zu stellen. Denn fordern kann
man nur, was bereits i n den Köpfen steckt. Der Vorstellungsinhalt ist aber bei
den Kindern sehr verschieden, und die Neigungen sind es erst recht. Allen eine
Vorstellung suggerieren ist nicht immer möglich. Nur eins sollte man nicht unter-
lassen: Kinder zeichnen bis ins Endlose, soweit das Papier eben reicht. Deshalb
ist es nützlich, wenn der Lehrer ihnen sagt: „Zeichnet das Bild in einen Rahmen!"

Wie soll der Lehrer die Zeichnungen unterrichtlich nutzbar machen? Das ist
schwer allgemein zu sagen. Selbstverständlich darf er sich nicht auf Perspektive und
Beleuchtung einlassen. Aber was auf eine salsche Vorstellung von den Dingen
an sich schließen läßt, das muß, allerdings in schonender Weise und nicht zuviel auf
einmal, besprochen werden. Zn bezug auf das Material lasse der Lehrer den Kindern
völlige Freiheit. Sie greifen am liebsten zu den Farbstiften, besonders Mädchen
fassen die Sache gleich im dekorativen Sinne an, indem sie schöne Farbeneffekte
erzielen wollen; Knaben neigen mehr dem beschreibenden Zeichnen zu.

Beispiele freier Kinderzeichnungen.

1. Mädchen mit Korb.

Dieses von einem 7 jährigen Mädchen gezeichnete Bild weist entschieden auf
seinen weiblichen Llrsprung hin und zwar durch die Blumen, unter welchen die erste
links sogar eine Andeutung von Komposition enthält, ferner durch die Bänder im
Äaar, die Schuhschnüre und die Spitzen am Kleide. Diese Dinge würden von
 
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