Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
werden muß. Für das Vita-Retabel wollen wir festhalten, daß trotz der unverkennbaren Bindeglied -
. funktion nur eine - wenn auch höchst wichtige - Vorstufe gegeben ist, da die formale Selbständigkeit, die
das Kriterium der Predella ist, noch fehlt, j
Eine mit dem fortschreitenden Jahrhundert zunehmende Aufsteilung der Proportionen, möglicherweise
unter Verzicht auf die Predellenzone, begegnet bei der unten beschnittenen Tafel aus der ehemaligen
Franziskanerkirche in Colle Val d’Elsa (Siena, Abb. 136; Garr. 411; 2,32 x 1,13 m; 1290-1300). Gleich
einem Glasfenster werden die vertikalen Abteilungen von Spitzbogenprofilen überwölbt. Darüber ist
zwischen acht Engeln die Halbfigui Christi dargestellt.
Bei den außertoskanischen Franzpalen in S. Antonio zu Amalfi (Garr. 394; 1,00 x ca. 0,64 m; Ende 13.,
Anfang 14. Jh.) und in S. Francesco zu Syrakus (Garr. 400; 1,76 x 0,90 m; erstes Viertel 14. Jh.) sind wohl
auch Szenen neben der Standfigur angeordnet, aber das Stadium der Vita-Ikone wird nicht überschritten,
da in der Gestaltgebung der hochoblongen Tafeln die Aufstellung über einem Altar formal unberück-
sichtigt bleibt. Anders verhält es sich bei der 1284 datierten68, ebenfalls rechteckigen Klarenpala des Pro-
tomonastero di S. Chiara zu Assisi (Abb. 137; Garr. 393; 2,81 x 1,66 m), deren Basisbreite und ein die
nach vorn geneigte Aufstellung ermöglichender, heute abgesägter stendardo (vgl. Abb. 231, Kap. 8) die
Retabelverwendung beinahe zur Gewißheit machen.
Seit der Jahrhundertmitte werden, mit der Katharinenpala im Museo Civico zu Pisa beginnend (Abb. 134;
Garr. 399; 1,07x 1,13 m; 1250-1260), die oben an Stelle des Giebels durch eine flach abgestumpfte
Pyramide das franziskanische Vorbild variiert, auch andere Heilige auf den Vita-Retabeln dargestellt.
Von einem Bilde der hl. Agnes mit Szenen aus ihrer Legende in S. Paolo a Ripa d’Arno, Pisa, unterrichtet
uns Vasari in der Vita Cimabues69. In direktem Anschluß an die Franziskustafeln entstanden das pisani-
sche Werk aus dem Florentiner Kunsthandel mit dem hl. Veranus (Garr. 407; 1,52 x 0,97 m; 1270-1280),
die Magdalenenpala in der Accademia zu Florenz (Abb. 137a; Garr. 404; l,64x 0,76m; 1280-1285), das der
Schule in Pisa zugehörige Retabel der hl. Giuliana in der gleichnamigen Kirche zu Livorno (Garr. 406;
1,65 x 1,05 m; 1295-1305) sowie die Tafel der erst im 17. Jh. selig gesprochenen Franziskaner-Terzia-
rierin Margherita da Cortona70 im Diözesanmuseum dieser Stadt, die wieder über eine „Predella“ verfügt
(Garr. 403; 1,56 x 1,30 m; erstes Viertel 14. Jh.). Die einfache Rechteckform findet sich in der Toskana
bei einem in S. Verano zu Peccioli befindlichen Beispiel (Abb. 135; Garr. 398; 1,23 x 1,01 m; 1270-1280).
Nach einer von Garrison durchgeführten Identifizierung der Szenen ist nicht, wie bisher angenommen, der
Inhaber des Patroziniums, sondern der hl. Nikolaus dargestellt71, zu dessen Füßen ein winziges Stifter-
figürchen an den privaten Auftraggeber des Stückes erinnert, das erst 1881 aus Privatbesitz in die Kirche
S. Verano gekommen ist, aus der es nach lokaler Tradition stammen soll.
Auch außerhalb der Toskana sind die hochrechteckigen, nichtfranziskanischen Heiligenpalen mit seit-
lichen Legendenszenen mehrfach anzutreffen. Bei den Tafeln der hl. Margret und des hl. Nikolaus72
in S. Margherita zu Bisceglie bei Bari (Garr. 395 und 396; 1,29 x 0,86 m; zweite Hälfte 13. Jh.) sind die
als Oranten dargestellten Figuren rahmenartig von einem umlaufenden Szenenband umschlossen. Zwei
großformatige, ca. 2 m hohe süditalienische Tafeln vom Anfang des 14. Jhs., die den hl. Nikolaus als
Bischof bzw. als Pilger zwischen schmalen Seitenszenen wiedergeben und als Ausläufer des toskanischen
Vita-Retabels zu betrachten sind, befinden sich in Kakopetria (Cypern, Garr. 397) und in der Krypta der
Kathedrale zu Trani (Garr. 401).
In der Toskana selbst setzt sich der Typ in der von den Franziskus-Retabeln geprägten Form in den
folgenden, von Garrison73 aufgeführten Beispielen fort, die bis zum Anfang des Quattrocento hinaufreichen.
Dabei zeigt das Retabel der hl. Margret in S. Maria a Montici (1,30 x 1,63 m)74 - im Gegensatz zu der noch
stärker der Tradition verhafteten Miniaspala in S. Miniato al Monte (Abb. 138; 1,85 x 1,06 m; zwischen
1335-1342)75 und einer zweiten Tafel der hl. Margret im Vatikan (um 1410)76 - ähnlich dem Altarauf-
satz des hl. Franz in Pisa (Abb. 131), aber in weit verstärkter Weise - ein fast extremes Herabziehen der
Tafelschrägen bis in die unteren Bildzonen, so daß fast der Eindruck eines Flachgiebeldossales entsteht.
In der Überlieferung des Vita-Retabels wurzelt die von Simone Martini während seines Aufenthaltes in
Neapel nach 1317 gemalte Pala77 des Franziskanerkonvents S. Lorenzo Maggiore (jetzt Pinakothek),
auf der der hl. Ludwig von Toulouse dargestellt ist, der seinen Bruder Robert von Anjou zum König von
Neapel krönt (Abb. 139).
Im Format ist der spitze Giebelabschluß beibehalten, es fehlen aber die seitlichen Szenen, die jetzt als
Predella unterhalb der Haupttafel angeordnet sind. Damit ist, in Fortsetzung der auf der Franzpala der

95
 
Annotationen