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Die 1859 aus S. Francesco zu Pisa entfernte Pala (Abb. 131), die sich heute wieder in der ersten Kapelle
links neben dem Chor befindet, wird 1728 von P. M. Felice Mariottini erwähnt. Zu seiner Zeit war sie
durch eine Verkleidung, die nur die Kopf- und Brustpartie des hl. Franz freiließ, verdeckt84. Wahrschein-
lich ist die Pala mit der schon vom Libro Antonio Billi, dem Anonymo Gaddiano und Vasari Cimabue
zugeschriebenen Tafel zu identifizieren85. 1631 wurde sie in der anläßlich einer Epidemie veranstalteten
Bittprozession mitgeführt86.
In der Dominikanerkirche S. Catarina zu Pisa, die 1252 im wesentlichen vor der Vollendung stand,
beschreibt Vasari in der Vita von Margarito d’Arezzo eine Pala der hl. Katharina und erwähnt im An-
schluß hieran noch eine goldgrundige Tafel des hl. Franz: ,, ...in Pisa in S. Caterina, dove, nel
tramezzo della chiesa, e appoggiata sopra un altare una tavola dentrovi S. Caterina e molte storie in
figure piccole della sua vita, edinuna tavola un S. Francesco con molte storie in campo d’oro.“87
Beide Bilder sind heute nicht mehr vorhanden. Nach der Beschreibung und der Datierung in die zweite
Hälfte des 13. Jhs., die in der Attribution an Margarito d’Arezzo enthalten ist, können wir sie uns ähnlich
der eben genannten Pala sowie dem Retabel der hl. Katharina im Museo Civico zu Pisa vorstellen
(Abb. 134).
Das Retabel im Museo Civico zu Pistoia (Abb. 132) hat in der zwischen 1294-1394 errichteten Kirche
S. Francesco88 bis zum Ende des 19. Jhs. auf dem Altar der ersten Seitenkapelle rechts neben dem Chor
gestanden und ist nach vorübergehendem Aufenthalt in der Sakristei 1915 in das Museum gelangt.
Auf Grund einer von Bughetti89 zitierten Quelle des 18. Jhs., in der das Gebäude beschrieben wird, läßt
es sich durch die Erwähnung eines 1635 datierten, vergoldeten Holzaltars, der das Dossale tabernakelartig
umschloß und von Bildern der Heiligen Klara und Elisabeth flankiert wurde, mit Sicherheit bis in
das 17. Jh. zurückverfolgen. In S. Croce zu Florenz ist die erste Kapelle rechts neben dem Hauptchor,
wie die um 1320 entstandenen Fresken Giottos aus der Legende des hl. Franz zu erkennen geben90, von
Anfang an dem seraphischen Heiligen geweiht gewesen. Wie in S. Francesco zu Pescia hat eine Familie,
hier die der Bardi, die Betreuung des Oratoriums übernommen. Das hier aufgestellte Retabel (Abb. 133)
ist eine Stiftung der Tedaldi. Es war zunächst an einem der Familie gehörigen Pfeiler des Mittelschiffs
aufgehängt gewesen und kam von dort erst 1595 in die Bardikapelle91.
Die Verehrung des hl. Franz oder die des Titelheiligen ist, in Fortsetzung der bisherigen Tradition, aber
unter Anpassung an die in den Bettelordenskirchen vorliegenden baulichen Gegebenheiten, eine Sache
des Neben- oder Kapellenaltars, auf dem das Dossale das Ausstrahlungszentrum für die die Thematik
des Retabels erweiternde Gesamtdekoration des Raumes darzustellen vermag.
Erst ziemlich spät und wohl vorwiegend in kleineren Kirchen mit einfachem Chor oder in Nebenräumen
scheint das Vita-Retabel die Verbindung zum altare maggiore gewonnen zu haben, die für das Heiligen-
Antependium niemals eine Schwierigkeit bedeutet. Die Vorbereitung erfolgt durch die Reliquienschreine
(vgl. Kap. 6), unter denen in Italien der ursprünglich auf Säulen hinter dem Hauptaltar aufgestellte,
1267 vollendete Sarkophag des Widmungsheiligen in S. Domenico zu Bologna als wichtigste Vorstufe
für das Vita-Retabel über dem altare principale anzusehen ist, das dort jedoch nur selten begegnet. Eines
der wenigen Beispiele ist in der 1229 erbauten Franziskanerkirche zu Colle Val d’Elsa bei Siena die von
ser Sovarizio di ser Bonafidanza 1328 gestiftete, nicht mehr erhaltene Tafel des hl. Franz, die bis zum
Jahre 1584 auf dem Hochaltar des einchörigen Saalbaues gestanden hat92. Vielleicht ist sie ein Nachfolge-
bild der am Ende des Dugento entstandenen Pala (Abb. 136), die 187193 in die Pinakothek in Siena
überführt wurde.
In Florenz hat, wie Paatz94 annimmt, das Retabel des hl. Minias (Abb. 138), das sich noch zwischen
1738-1742 auf dem Altar der Unterkirche von S. Miniato al Monte in Florenz befand, mit höchster Wahr-
scheinlichkeit über der die Reliquien dieses Heiligen bergenden Mensa von Anfang an als dessen Aufsatz
gedient. Paatz datiert deshalb diese Tafel in Übereinstimmung mit Offner in die Zeit um 1335-1342,
weil in diesen Jahren dort die Neuanfertigung von Dekorationen überliefert ist.
In diesem Falle sind wir in der seltenen Lage, noch den Altar zu besitzen, für den das Bild geschaffen
wurde, das mit der wegen des niedrigen Gewölbes maximal möglichen Höhe von 1,85 m wohl über die
erforderliche Höhenerstreckung verfügt, um sich an dieser Stelle zu behaupten, aber doch durch die
schmale Gestalt der Tafel, deren Giebelspitze fast an die Decke anstößt, in ein proportionales Mißverhält-
nis zur Mensa gerät, wo der Retabelbreite von nur 1,06 m Abmessungen von nicht weniger als 2,66 m
gegenüberstehen. Die hier sichtbar werdende Diskrepanz divergierender Richtungstendenzen ist, neben

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