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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Winter-Halbjahr 1908/1909 — 1908/​1909

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1908/09

Heidelberger Akademische Mitteilungen

Nr. 7

ad 1. Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen
und durch Akklamation genehmigt.
ad 2. Es liegt vor eine Einladung der Rede- u. Lese-
halle in Prag zum 60. Stiftungsfest. Es soll dem Verein
gedankt werden. Der Ausschuss ist nicht vertreten.
ad. 3. Der Herr Vorsitzende berichtet den Plan, den
der engere Senat für die Universitätsfeier aufgestellt hat.
Man stimmt dem Plane zu; nur gegen die enge, spalier-
mässige Aufstellung der Herren Chargierten und Fahnenträger
unten im Säulengange des neuen Kollegienhauses zum Em-
pfange des Grossherzogs wendet sich der Herr Vertreter der
Burschenschaften, Herr Schramm. Im gleichen Sinne reden
dazu die Herren Vertreter des V. D. St. und des Wingolf.
Herr Schramm stellt darauf den Antrag: „Der Herr Vor-
sitzende solle den Herrn Prorektor bitten, dass beim Empfange
des Grossherzogs unten im Portale als Vertreter der Stu-
dentenschaft nur der engere Ausschuss anwesend sei, dass
dagegen die Herren Chargierten und Fahnenträger der Kor-
porationen von vornherein im Saale Aufstellung nähmen.
ad 4. Nichts.
Schluss der Sitzung 63/4 h.
Pajunk (Allemanniae).

Oeffentliche sozialwissenschaftliche Vorträge
für das Publikum.
Seit dem Frühjahr 1908 besteht an unserer Uni-
versität eine „Organisation der Mitglieder (Studierenden)
des Volkswirtschaftlichen Seminars", welche zu dem
Zweck ins Leben gerufen wurde, durch Veranstaltung
von wissenschaftlichen Vorträgen national-ökonomischen
und sozialpolitischen Inhalts und durch Erörterung der
bezüglichen Probleme in der Form einer zwangslosen
Diskussion die Sozialwissenschaft zu pflegen und ihre
Mitglieder geistig anzuregen. Angesichts des hohen
Bildungswertes und der allgemeinen Bedeutung dieser
hochinteressanten Vorträge, — welche gewöhnlich von
den hervorragenden Fachgelehrten unserer Universität
gehalten werden, — hat der Ausschuss (Vorstand) dieser
„Organisation" — entgegen seiner sonstigen Gepflogen-
heit — vor kurzem den Entschluss gefasst, dem Bei-
spiele ähnlicher studentischer Vereine in Berlin, Mün-
chen usw. folgend, seine wissenschaftlichen Veranstal-
tungen sowohl den Studierenden sämtlicher Fakultäten
als auch dem grösseren Publikum unserer Stadt zugäng-
lich zu machen. Der Vorstand ging dabei von den fol-
genden Voraussetzungen aus: Volkswirtschaftliche und
soziale Probleme stehen heutzutage im Brennpunkte des
öffentlichen Lebens: unser Zeitalter ist förmlich durch-
setzt von „Fragen" verschiedenster Art. Allein das
wirtschaftliche und soziale Leben der Gegenwart ist
derart kompliziert geworden, dass es den Unbefangenen,
den objektiv Urteilenden — selbst in den gebildeten
Kreisen — sehr schwierig wird, in diesen verwickelten
Verhältnissen sich zurecht zu finden. Die Bewegtheit
und Nervosität der Gegenwart bringen es aber mit sich,
dass man nicht unparteiischer Beobachter der sich ab-
spielenden dramatischen Vorgänge auf dem wirtschaft-
lich-sozialen Gebiete bleiben kann, dass auch der abseits
Stehende veranlasst wird, Stellung zu nehmen, Farbe zu
bekennen und Farbe zu tragen. Unter solchen Verhält-
nissen ist es die soziale Mission der „voraussetzungs-
losen", unparteiischen, nur nach Wahrheit und Gerech-
tigkeit strebenden Sozia1wissenschaft, in die uns
umgebende verworrene Welt der wirtschaftlichen und
sozialen Erscheinungen hineinzuleuchten, die Gesetz-
mässigkeit derselben aufzudecken, allgemeine Kategorien
zu liefern und so zur Stütze und zum Wegweiser unserer
Anschauungen und unserer Handlungen zu werden. Dass
ein Bedürfnis nach wissenschaftlicher Erkenntnis der
volkswirtschaftlich-sozialen Erscheinungen und Probleme
auch in Heidelberg vorhanden ist, kann nicht bezweifelt 1

werden. Es ist zu wünschen, dass die wissenschaft-
lichen Veranstaltungen der „Organisation" mit der Zeit
zu einem geistigen Mittelpunkt ausreifen werden, um
welchen sich das Interesse für nationalökonomiscli-soziale
Probleme gruppieren wird. Dass diese wissenschaft-
lichen Veranstaltungen frei von jeder Tendenz
sind, versteht sich von selbst. — Dem Vorstand der
„Organisation" ist es gelungen, für seinen ersten öf-
fentlichen Vortrag den hervorragenden Gelehrten und
Nationalökonomen unserer Universität, Herrn Geheimen
Hofrat Professor Dr. E. Gothein, zu gewinnen. Das
Thema dieses Vortrages, welcher am Mittwoch, den
9. Dezember 1908, in der Stadthalle (Parterre, Be-
ginn halb 9 Uhr, Eintritt frei) stattfindet, lautet:
„Nationalökonomisehe Spaziergänge um Heidelberg".
Dieses Thema wird sicherlich namentlich den Heidel-
bergern sehr willkommen sein; und dass die grosse
Belehrung, die uns durch diesen Vortrag zu Teil werden
wird, nicht in eine trockene, — sagen wir mal — „pro-
fessorale" Form sich kleiden wird, dafür bürgt der
Name dieses hochgeschätzten und allgemein beliebten
Gelehrten.
Der zweite öffentliche Vortrag findet am Mitt-
woch, den 20. Januar 1909 (wieder in der Stadthalle,
Beginn halb 9 Uhr, Eintritt frei) statt. Dem Vorstande
ist es gelungen, für denselben den ordentlichen Professor
der Nationalökonomie an unserer Universität, Herrn Pro-
fessor Dr. Alfred Weber, zu gewinnen. Dieser aus-
gezeichnete Gelehrte, — übrigens ein Vertreter der sog.
österreichischen Schule der Nationalökonomie in Deutsch-
land, — welcher neben seiner Fachwissenschaft die
Greuzdisziplinen der Sozialwissenschaft, wie Sozio-
logie, Biologie usw., in den Bereich seiner wissenschaft-
lichen Forschung gezogen hat, wird über das sehr in-
teressante, anziehende und sicherlich Anklang findende
Thema: „Der Entwicklungsgedanke in der Soziologie"
sprechen.
Es ist zu erwarten, dass diese Veranstaltungen, —
zu denen die Studierenden (Damen und Herren) höflichst
eingeladen sind, — sich einer ebensolchen Beliebtheit
und Popularität erfreuen, einen ebensolchen Resonanz-
boden in der akademischen Welt Heidelbergs finden
werden, wie das in den anderen deutschen Universitäts-
städten der Fall ist.
 
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