Neueste Schriften über deutsche Universitäten.
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Dem „Manuale Scliolarium“ folgen die „Quaestiones fabulosae.Ä
Dass vier Reden bei Gelegenheit von zwei quodlibetarischen Dispu-
tationen in Heidelberg gehalten worden sind, haben wir oben schon
erwähnt. Diese Disputation, welche von der Artisten-Facultät aus-
ging, war der feierlichste und umfassendste aller academischen Acte.
Sie wurde an manchen Universitäten, wie in Heidelberg, jedes Jahr,
an andern alle vier Jahre gehalten (S. 232) und dauerten gewöhnlich
mehrere Tage. Der Magister Johann Lamside hielt im Jahre 1458
auf der Universität Greifswald eine Disputatio de quolibet über 14 Tage
lang, bei welcher zur Erhöhung der Feierlichkeit auch mehrere Ju-
risten determinirten d. i. Streitsätze aufstellten* * * * 17). Die Wahl der
Thesen stand, innerhalb der Glänze der freien Künste, in dem Be-
lieben eines Jeden. Sie wurden oft sogar von Baccalaureen und
Scholaren gegeben und nicht selten auch scherzhafte Thematen als
Streitsätze aufgestellt. Der Magister, welcher bei dem Acte zu fun-
giren hatte, Quodlibetarius genannt, wurde von der Artisten-Facultät
gewählt18), und seine Aufgabe war es, jedem Opponenten Rede zu
stehen und ihn zu bekämpfen, mochte der Opponent in dieser oder
in jener Weise seine Meinung aufstellen. Der Quodlibetarius war
also genöthigt in utramque partem zu argumentiren, oder entgegen-
gesetzte Meinungen zu vertheidigen, je nachdem es den Opponen-
ten beliebte, ihre Behauptungen zu gestalten. Sagte der erste Oppo-
nent: „die Menschen sind Thiere“, so musste der Quodlibetarius
dieses widerlegen; behauptete der zweite Opponent, „die Menschen
sind rocht Thiere“, so musste der Opponent auch dieses widerlegen,
um seine Geschicklichkeit im Disputiren zu zeigen; was freilich nur
eine grosse Gewandheit und Meisterschaft in der Rede möglich
machte. Eben desshalb hiess auch die Disputation de quolibet, weil
der Magister dabei quodlibet vertheidigen musste 19).
Eingeführt wurden die disputationes quodlibeticae auf der Pa-
riser Universität schon zur Zeit des Albert us-Magnus (1250),
und B u 1 ä u s findet in dieser Sitte schon die Depravation der Dia-
gegeben und besonders auch hervorgehoben, in wie weit das Pennalwesen
auf der Universität Heidelberg Geltung gehabt hat. Vergl. auch Dinckel,
De origine, causis, typo et ceremoniis Depositionis. Erphurdi 1579, 12. T h o-
luck, das academ. Leben, Abtheil. I, S. 200—206. 279—294.
17) Kose gart en, Gesch. der Universität Greifswald, Th. I. S. 84. 109.
18) Wollte in Heidelberg der Gewählte dieses allerdings sehr schwierige
Geschäft nicht übernehmen, so hatte er 4 fl. Strafe zu zahlen; zahlte er diese
nicht, so wurde er .„a singulis actibus Facultatis Artiuin“ so lange suspendirt,
bis er bezahlt hatte. Acta Facult. Art. T. I. F. 2, a. T. HI. F. 5, a. In den
angegebenen Stellen der Acten sind die Statuten über die Disputatio de quolibet
ausführlich mitgetheilt. Das erste Statut ist bald nach der Begründung der
Universität (1386) und das zweite im Jahre 1490 abgefasst worden. Eine
Beschreibung des festlichen Actes selbst haben wir aber weder in den Acten
der Artisten-Facultät noch in den Annalen der Universität gefunden.
19) Buläus. Histor. Univ. Paris. T. I. p. 348. Kink, Gesch. d. Univ.
Wien. Th. i. S. 76. v. Bianco, Gesch. der Univ. Cöln. Th. I. S. 119 ff. Th. II.
S. 62. Kose garten a. a. O. S, 84. 109.
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Dem „Manuale Scliolarium“ folgen die „Quaestiones fabulosae.Ä
Dass vier Reden bei Gelegenheit von zwei quodlibetarischen Dispu-
tationen in Heidelberg gehalten worden sind, haben wir oben schon
erwähnt. Diese Disputation, welche von der Artisten-Facultät aus-
ging, war der feierlichste und umfassendste aller academischen Acte.
Sie wurde an manchen Universitäten, wie in Heidelberg, jedes Jahr,
an andern alle vier Jahre gehalten (S. 232) und dauerten gewöhnlich
mehrere Tage. Der Magister Johann Lamside hielt im Jahre 1458
auf der Universität Greifswald eine Disputatio de quolibet über 14 Tage
lang, bei welcher zur Erhöhung der Feierlichkeit auch mehrere Ju-
risten determinirten d. i. Streitsätze aufstellten* * * * 17). Die Wahl der
Thesen stand, innerhalb der Glänze der freien Künste, in dem Be-
lieben eines Jeden. Sie wurden oft sogar von Baccalaureen und
Scholaren gegeben und nicht selten auch scherzhafte Thematen als
Streitsätze aufgestellt. Der Magister, welcher bei dem Acte zu fun-
giren hatte, Quodlibetarius genannt, wurde von der Artisten-Facultät
gewählt18), und seine Aufgabe war es, jedem Opponenten Rede zu
stehen und ihn zu bekämpfen, mochte der Opponent in dieser oder
in jener Weise seine Meinung aufstellen. Der Quodlibetarius war
also genöthigt in utramque partem zu argumentiren, oder entgegen-
gesetzte Meinungen zu vertheidigen, je nachdem es den Opponen-
ten beliebte, ihre Behauptungen zu gestalten. Sagte der erste Oppo-
nent: „die Menschen sind Thiere“, so musste der Quodlibetarius
dieses widerlegen; behauptete der zweite Opponent, „die Menschen
sind rocht Thiere“, so musste der Opponent auch dieses widerlegen,
um seine Geschicklichkeit im Disputiren zu zeigen; was freilich nur
eine grosse Gewandheit und Meisterschaft in der Rede möglich
machte. Eben desshalb hiess auch die Disputation de quolibet, weil
der Magister dabei quodlibet vertheidigen musste 19).
Eingeführt wurden die disputationes quodlibeticae auf der Pa-
riser Universität schon zur Zeit des Albert us-Magnus (1250),
und B u 1 ä u s findet in dieser Sitte schon die Depravation der Dia-
gegeben und besonders auch hervorgehoben, in wie weit das Pennalwesen
auf der Universität Heidelberg Geltung gehabt hat. Vergl. auch Dinckel,
De origine, causis, typo et ceremoniis Depositionis. Erphurdi 1579, 12. T h o-
luck, das academ. Leben, Abtheil. I, S. 200—206. 279—294.
17) Kose gart en, Gesch. der Universität Greifswald, Th. I. S. 84. 109.
18) Wollte in Heidelberg der Gewählte dieses allerdings sehr schwierige
Geschäft nicht übernehmen, so hatte er 4 fl. Strafe zu zahlen; zahlte er diese
nicht, so wurde er .„a singulis actibus Facultatis Artiuin“ so lange suspendirt,
bis er bezahlt hatte. Acta Facult. Art. T. I. F. 2, a. T. HI. F. 5, a. In den
angegebenen Stellen der Acten sind die Statuten über die Disputatio de quolibet
ausführlich mitgetheilt. Das erste Statut ist bald nach der Begründung der
Universität (1386) und das zweite im Jahre 1490 abgefasst worden. Eine
Beschreibung des festlichen Actes selbst haben wir aber weder in den Acten
der Artisten-Facultät noch in den Annalen der Universität gefunden.
19) Buläus. Histor. Univ. Paris. T. I. p. 348. Kink, Gesch. d. Univ.
Wien. Th. i. S. 76. v. Bianco, Gesch. der Univ. Cöln. Th. I. S. 119 ff. Th. II.
S. 62. Kose garten a. a. O. S, 84. 109.