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Nr. 19. HEIDELBERGER 1861.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

1 Giurati nel miovo regno Italiano. Osservazioni critiche di
Aristide Gabelli. Milano 1861.
Die Frage: ob in einem Staate, der bisher kein Schwurgericht
hatte, dies Gericht eingeführt und mit welchen Modifikationen es ge-
ordnet werden soll, erhält in jedem Staate nach den verschiedenen
sittlichen, intellektuellen, socialen und politischen Zuständen des
Volkes eine verschiedene Erledigung. Die Geschichte der darüber
stattgefundenen Verhandlungen ist vorzüglich eigenthümlich in Italien.
Man hätte erwarten sollen, dass eben in Italien, auf. dessen Gesetz-
gebung unter Napoleon I. die Gesetzgebung Frankreichs den grössten
Einfluss hatte, bei der Einführung des öffentlichen mündlichen Straf-
verfahrens auch das Schwurgericht aufgenommen würde, weil es in
Frankreich eingeführt war; um so auffallender war es, dass Napo-
leon in Mailand, als Eugen als Vicekönig von Italien ausgerufen
wurde, in seiner merkwürdigen Rede vom 7. Juni 1805, während
er ankündigte, dass das künftige Strafverfahren mündlich und öffent-
lich sein sollte, aussprach: dass er nicht glaube, dass unter den
Umständen, unter denen sich Italien befindet, auch an Einführung
der Schwurgerichte gedacht werden könne. Man musste annehmen,
dass Napoleon, der überhaupt kein Freund der Schwurgerichte war,
und auch seinen Landsleuten, den Corsikanern, diese Gerichte nicht
gewähren wollte, überhaupt die Italiener nicht für fähig hielt,
Schwurgerichte zu haben. Napoleon dachte dabei an die in Italien
herrschenden Parteiungen, und besorgte, dass Lossprechungen durch
die Geschwornen zu häufig vorkommen würden. — Als das lom-
bardisch-venetianische Gebiet wieder an Oesterreich gefallen war
und 1850 die Regierung in mehreren ihrer Provinzen Schwurge-
richte einzuführen beschlossen hatte, erhielt die Frage: ob sie auch
in Italien eingeführt werden sollten, eine neue Bedeutung. Der
Minister sprach seine Ueberzeugung aus, dass nach den Zuständen
des lombardisch-venetianischen Königreichs diese Gerichte nicht pas-
sen würden, bei denen man zweifeln müsse, ob sie mit dem Cha-
rakter der Bevölkerung im Einklänge stehen und von dieser als
eine Wohlthat angesehen werden würden. Die Einführung erfolgte
damals nicht. In der Presse waren die Stimmen über den Werth
der Einrichtung und ob sie für Italien passe, getheilt. In der ver-
dienstlichen in Venedig erscheinenden Zeitschrift Eco dei tribunali
erschienen damals Aufsätze für und gegen die Jury. Vorzügliche
italienische Schriftsteller, z. B. selbst Romagnosi, Giuliani und Car-
LIV. Jahrg. 4. Heft. 19
 
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