Br. 3. HEIDELBERGER 13SS.
JAHRRÜOHER DER LITERATUR.
Frauenstädt: Schopenhauers Nachlass.
(Schluss.)
»Nun sind zwei unleugbare Gewänder d. h. unzertrennliche Qualitä-
ten Gottes, P er s οnali t ä t und Kau s ali t ä t. Diese müssen immer
im Begriff Gottes vorkommen, sind die nothwendigsten Merkmale;
sobald man sie wegnimmt, kann man wohl noch von Gott reden,
ihn aber nicht mehr denken. Ich aber sage: In dieser zeitlichen,
sinnlichen, verständlichen Welt gibt es wohl Persönlichkeit und
Kausalität, ja sie sind sogar nothwendig. Aber das bessere Be-
wusstsein in mir erhebt mich in eine Welt, wo es weder Persön-
lichkeit und Kausalität, noch Subject und Object mehr gibt (sic).
Meine Hoffnung und mein Glaube ist, dass dieses bessere, über-
sinnliche, ausserzeitliche Bewusstsein mein einziges werden wird:
darum hoffe ich, es ist kein Gott (sic). Will man aber den Aus-
druck Gott symbolisch gebrauchen für jenes Bewusstem selbst,
oder für Manches, das man nicht zu sondern und zu benennen
weiss, so mag’s sein, doch, dächt ich, nicht unter Philosophen.« Ist
die Negation der Persönlichkeit und Kausalität, des Subjectes und
Objectes »Bewusstsein«? Ist sie nicht vielmehr Nichts, wie auch
S. anderwärts seinen Himmel das Nichts genannt hat ? Ist das
Nichts Bewusstsein oder gar besseres Bewusstsein ? Wenn Scho-
penhauer den Ausdruck Gott in der Philosophie tadelt, was soll
man zu seinem Bewusstsein sagen, dessen Wesen darin besteht,
kein Bewusstsein zu sein ? In ähnlicher Excentrität kann darum S.
S. 440 sagen: »Wer die Wahrheit liebt, hasst die Götter,
im Singular, wie im Plural.« S. 441: »Gott ist in der neuen
Philosophie, was die letzten fränkischen Könige unter den Majores
domus, ein leerer Name, den man beibehält, um bequemer und
unangefochtener sein Wesen treiben zu können.« . .. »Wenn ihr
weiter nichts wollt, als ein Wort, bei dem ihr euch enthusiasmirt
und in Verzückung gerathet; so kann dazu das Wort Gott, so
gut wie andere, als Schiboleth dienen.« ... »Gott und die Welt ist
Eins« ist »bloss eine höfliche Wendung, dem Herrgott den Abschied
zu geben; denn die Welt versteht sich von selbst, und für die
wird Keiner dabei besorgt werden.« Ueber die Beschaffenheit des
Willens als desDinges an sich und den Pessimismus S. 441:
»Die Macht, die uns in’s Dasein rief, muss eine blinde sein.
Denn eine sehende, wenn eine äusserliche, hätte ein boshafter
LVIII. Jahrg. 1. Heft. 3
JAHRRÜOHER DER LITERATUR.
Frauenstädt: Schopenhauers Nachlass.
(Schluss.)
»Nun sind zwei unleugbare Gewänder d. h. unzertrennliche Qualitä-
ten Gottes, P er s οnali t ä t und Kau s ali t ä t. Diese müssen immer
im Begriff Gottes vorkommen, sind die nothwendigsten Merkmale;
sobald man sie wegnimmt, kann man wohl noch von Gott reden,
ihn aber nicht mehr denken. Ich aber sage: In dieser zeitlichen,
sinnlichen, verständlichen Welt gibt es wohl Persönlichkeit und
Kausalität, ja sie sind sogar nothwendig. Aber das bessere Be-
wusstsein in mir erhebt mich in eine Welt, wo es weder Persön-
lichkeit und Kausalität, noch Subject und Object mehr gibt (sic).
Meine Hoffnung und mein Glaube ist, dass dieses bessere, über-
sinnliche, ausserzeitliche Bewusstsein mein einziges werden wird:
darum hoffe ich, es ist kein Gott (sic). Will man aber den Aus-
druck Gott symbolisch gebrauchen für jenes Bewusstem selbst,
oder für Manches, das man nicht zu sondern und zu benennen
weiss, so mag’s sein, doch, dächt ich, nicht unter Philosophen.« Ist
die Negation der Persönlichkeit und Kausalität, des Subjectes und
Objectes »Bewusstsein«? Ist sie nicht vielmehr Nichts, wie auch
S. anderwärts seinen Himmel das Nichts genannt hat ? Ist das
Nichts Bewusstsein oder gar besseres Bewusstsein ? Wenn Scho-
penhauer den Ausdruck Gott in der Philosophie tadelt, was soll
man zu seinem Bewusstsein sagen, dessen Wesen darin besteht,
kein Bewusstsein zu sein ? In ähnlicher Excentrität kann darum S.
S. 440 sagen: »Wer die Wahrheit liebt, hasst die Götter,
im Singular, wie im Plural.« S. 441: »Gott ist in der neuen
Philosophie, was die letzten fränkischen Könige unter den Majores
domus, ein leerer Name, den man beibehält, um bequemer und
unangefochtener sein Wesen treiben zu können.« . .. »Wenn ihr
weiter nichts wollt, als ein Wort, bei dem ihr euch enthusiasmirt
und in Verzückung gerathet; so kann dazu das Wort Gott, so
gut wie andere, als Schiboleth dienen.« ... »Gott und die Welt ist
Eins« ist »bloss eine höfliche Wendung, dem Herrgott den Abschied
zu geben; denn die Welt versteht sich von selbst, und für die
wird Keiner dabei besorgt werden.« Ueber die Beschaffenheit des
Willens als desDinges an sich und den Pessimismus S. 441:
»Die Macht, die uns in’s Dasein rief, muss eine blinde sein.
Denn eine sehende, wenn eine äusserliche, hätte ein boshafter
LVIII. Jahrg. 1. Heft. 3