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1865.

JTr. 20. HEIDELBERGER
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

0. Flügel, Der Materialismus vom Standpunkte der atomistisch-
mechanischen Naturforschung beleuchtet. Leipzig, Louis Per-
nit zsch. 1865. XII u. 100 S. in 8.
Wieviel Getöse auch der materialistische Streit seit ein paar
Dezennien bei uns gemacht hat, er ist meistens in andern als den
streng philosophischen Kreisen geführt worden. Die in der philo-
sophischen Literatur besonders angesehenen Schriftsteller haben es
fast alle vorgezogen, schweigend sich davon fern zu halten. Die
Zahl der über das Thema veröffentlichten Schriften hat darunter
wahrlich nicht gelitten. Um so weniger ist man geneigt, von einer
neuen noch etwas Neues und Besonderes zu erwarten. Die vor-
liegende hat wenigstens etwas Apartes, nämlich dass sie sich selbst
auf den Standpunkt der atomistisch-mechanischen Naturforschung
stellt, und von da aus den Materialismus beleuchtet. Sie ist so in
der günstigsten Position, um dem Materialismus alle nur gestattete
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. In der That hebt sie das
Richtige in seinen Aussagen überall hervor. Doch ist sie weit ent-
fernt, ihm übrigens durch die Finger zu sehen: sie stellt auch seine
vornehmsten Irrthümer in scharfe Beleuchtung, und sucht ihren
Grund aufzudecken. Dabei wird dem Materialismus, der es so sehr
liebt, sich als Erfahrungsthatsache hinzustellen oder wenigstens als
diejenige Ansicht, die allein ein Bekenner der exakten Wissen-
schaften hegen könne und dürfe, zu Gemüthe geführt, wie wenig
er selbst eine Thatsache ist, wie wenig er es mit den Thatsachen
genau nimmt, und wie wenig die Hypothese, die er ist, mit dem
ganzen Umkreise und der Eigenthümlichkeit der natürlichen und
der geistigen Thatsachen zusammenstimmt. Bei ihrer allseitigen
und genauen Erfassung und Erwägung zeigt sich vielmehr, dass
für die atomistische Hypothese, wenn sie auch innerhalb gewisser
Gränzen genügt, doch noch eine Um- und Weiterbildung erforder-
lich ist.
Der ganzen Abhandlung wird eine Erinnerung an die Grund-
begriffe vorausgeschickt, von welchen die diametral einander ent-
gegenstehenden Natur ansichten abhängig sind, deren eine das Sein
als das Ursprüngliche der Natur ansieht, während nach der andern
das Werden an der Spitze steht. Ist das Beharrende in seinem
Wesen sich gleichbleibende Seiende das Erste, so setzt man, der
Manchfaltigkeit der Dinge wegen, von vornherein vieles oder vieler-
lei Seiendes voraus, die gegebenen Veränderungen sind dann als
das Sekundäre Hauptgegenstand der Erklärung: man sucht Ursachen
LVIII. Jahrg. 4. Heft. 20
 
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