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Fichte: Die Seelenfortdauer. 377
Bildung« ist die Befreiung des Glaubens von den Störungen wah-
rer und echter religiöser Gesinnung zu erwarten. Die Wissenschaft
begründet den »Wesensgehalt« des Glaubens (S. XI). Der Glaube wird
auf diesem Wege Gesinnung, »feste Welt- und Lebensansicht«. Den
Grund zu dieser wahrhaft vorurtheilsfreien religiösen Weltanschau-
ung kann nur die Wissenschaft legen, »frei, nichts voraussetzend«,
die sich von »jeder- Beziehung zu einer bestimmten Theologie ab-
lösen muss« (S. XII). Die theologische Dogmatik, »ein Gemisch
von Glaubensvoraussetzungen und einer ungeläuterten Metaphysik«,
ist nur ein »hindernder Gefährte« für die Wissenschaft. Der »Wie-
deraufbau« ruht nur auf der »Grundlage universaler, zugleich un-
bestreitbarer Weltthatsachen« sicher und fest (S. XIII).
Der Herr Verf. versucht, sich auf Kant berufend, eine philo-
sophische Begründung der christlich religiösen Weltanschauung. Er
geht zu diesem Zweck von der »rein psychologischen, von
allen metaphysisch theologischen Beziehungen freigehaltenen Er-
forschung des religiösen Gefühles« nach seinem praktischen und
theoretischen Charakter aus (S. XV). Das Religionsgefühl darf mit
der Theologie nicht verwechselt werden. Die Vermischung beider
Elemente hat »unzählige Verwirrungen« bis zur Stunde hervorge-
rufen. Nachdem der Herr Verf. die Stellung seiner Aufgabe zu
den Bestrebungen der Gegenwart entwickelt hat, geht er zum Nach-
weise des »Charakters und der Quelle des Religionsgefühls« über.
Es ist ein aus dem Innersten des Menschen stammendes Gefühl
der Abhängigkeit »von einer höheren sittlichen Macht, dessen letzte
Quelle nicht in dem Schein oder dem Phänomenalen der Aussen-
welt, sondern im letzten Grunde alles Seins und Denkens, Gott
allein aufgefunden werden kann. Er deutet auf Schleiermachers
Anschauung hin, welcher der Religion wieder ihre »menschlichen
Quellen eröffnete« (S. XXXIII), indem er »Religion und Philosophie«
von der alten Dogmatik befreite. Die »bisherige Theologie« kann
nicht mehr als die »rechte, vollgenügende Verwalterin des grossen
Schatzes lebendiger Gotteserkenntniss erachtet werden«, Philosophie
und »allgemeine Erfahrungsforschung« müssen jetzt dieses Amt
übernehmen (S. XXXIV). Die eigentlichen »Offenbarungswahrheiten«
enthalten nichts, dem Geiste der reinen Gotteserkenntniss und ihren
Ergebnissen Fremdes. Sie sind vom »Menschengemüth« »ewig be-
stätigt«. Am »Menschen muss sich zeigen lassen«, was »glanbens-
werth« und »glaubensnöthig« sei. Was man in neuerei’ Zeit zu
diesem Zwecke versucht hat, zielt auf die »Verbesserung« der
»hinfällig gewordenen theologischen Dogmatik«, auf die »Fülle
und Tiefe des rein religiösen Gehaltes« (S. XXXVII). Nicht das
historische Zeugniss, Psychologie und Ethik haben die Heilswahr-
heiten in »ihrer allgemein menschlichen Bedeutung« zu unter-
suchen. Der Herr Verfasser wollte zunächst in seinen Werken
über diese beiden Wissenschaften die Phänomenologie und innere
Stufenfolge des religiösen Bewusstseins aufzeigen und darin ein
 
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