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Brodersen, Kai; Gebhardt, Hans [Editor]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Jahrbücher: Weltbilder — Berlin, Heidelberg [u.a.], 47.2003 [erschienen] 2004

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4061#0012

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2 Hans Gebhardt und Helmuth Kiesel

Lebensraum der Menschen. Wann und wo genau das Kompositum „weralt"
entstand, ob schon in vorchristlicher germanischer Zeit oder erst unter
christlichem Einfluss, ist nicht mit Sicherheit auszumachen. Fest steht nur,
dass die Texte, in denen das Wort „weralt" (in seinen verschiedenen Formen)
auftaucht, aus christlicher Zeit stammen und dass in ihnen „weralt" zur Wie-
dergabe des kirchenlateinischen „saeculum" verwendet wird, also im Sinne
von „Menschenalter", „Zeitalter" oder „Weltalter", aber auch „diesseitige, sün-
dige Welt". Über das Christentum und die antike Literatur, die im Rahmen der
so genannten Karolingischen Renaissance wieder Bedeutung erlangte, wurde
der Begriff „Welt" mit verschiedenen Vorstellungen aufgeladen, für die es in
den alten Sprachen unterschiedliche, wenn auch synonym verwendbare Be-
zeichnungen gab, so vor allem mit „aion" = „Zeitalter, Ewigkeit", „kosmos" -
„Weltall, Himmelsordnung" und „mundus" = „Welt, Weltall, Schöpfung". Sol-
chermaßen erlangte „werelt" oder „werlt", wie in mittelhochdeutscher Zeit
vorzugsweise gesagt wurde, ein breites Spektrum an Bedeutungen. Das
Grimmsche Wörterbuch nennt elf Hauptbedeutungen: 1) Zeitalter, Men-
schenalter, Weltalter; 2) Zeitlichkeit oder diesseitiges, zeitverhaftetes Dasein;
3) Kreis der Erdbewohner; 4) Außenwelt; 5) Erdkreis; 6) Schöpfung; 7) Ma-
krokosmos, Universum; 8) Mikrokosmos (Welt im Kleinen); 9) Gesamtheit
der Bewusstseinsinhalte oder Seinsvorstellungen; 10) Gesamtheit der sinnlich
und geistig erfassbaren Erscheinungen und Sachverhalte; 11) allumfassende
Menge, Fülle, Totalität. - Die ursprüngliche Bedeutung von „weralt" verblasste
darüber so sehr, dass man das Wort bald nicht mehr als Kompositum wahr-
nahm und ein Otfried von Weißenburg um die Mitte des 9. Jahrhunderts das
neue, eigentlich geminatorisch-pleonastische Kompositum „worolt-altar"
(„Weltalter") bilden konnte.4

In den Erläuterungen des Grimmschen Wörterbuchs zu der unter 9) ge-
nannten Bedeutung von „Welt" als Gesamtheit der Bewusstseinsinhalte oder
Seinsvorstellungen wird gleichsam als Kurzformel das Wort „Weltbild" ver-
wendet. Auch dieses Wort findet sich - in der Lautung „uuerltpilde" - bereits
im frühmittelalterlichen Deutsch, und zwar im Anschluss an das lateinische
„imago ideaque mundi".5 Eine häufigere Verwendung fand es jedoch erst seit
dem Beginn des 19. Jahrhunderts, als es zu einem Fachwort der Philosophie
wie der Psychologie wurde, Schlagwortcharakter erhielt und eine gewisse
Ausdifferenzierung erfuhr. Das Grimmsche Wörterbuch verzeichnet folgende
Bedeutungen: „1) sinnbildlich zeichenhafte darstellung der welt. / a) durch
sprachliche Schilderung [...] /b) durch die weltbezeichnende und -begreifen-
de spräche an sich [...] / c) durch die bildende kunst [...]/ 2) vorstellungs-
mäsziges bild der weit, wie es sich aus der gesamtheit der welteindrücke und
weltanschaulichen Vorstellungen ergibt [...]/ a) eines individuums [...] / b)

Vgl. ebd., Sp. 92.
Vgl. ebd., Sp. 1552.
 
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