144 Fritz Peter Knapp
das Kreuz Christi. Den Gefährten versiegelt es mit Wachs, d. h. mit Christi
Menschwerdung, das Gehör, damit sie ihr Herz von den Lastern und Be-
gierden abwenden und nur nach dem Himmel streben.
Das erscheint wiederum im Hortus deliciarum (Abb. 8).
Für die wundersamen Sirenen beruft sich Honorius auf heidnische Gelehr-
te, Odysseus (lateinisch Ulixes) hält er auf jeden Fall für eine historische Ge-
stalt. Die spirituelle Auslegung profanhistorischer Ereignisse konnte sich
zwar nicht auf die Autorität der Bibel stützen, war aber insofern legitim, als
Gott als Herr der Geschichte galt und auch die Bibel ja nur Ausschnitte aus
größeren historischen Zusammenhängen bot, also geradezu nach Ergänzung
rief.
Viele Geschichtsschreiber scheuten sich auch nicht, Gottes unmittelbar len-
kende, belohnende und strafende Hand im Verlauf der Ereignisse erkennen
zu wollen. Vorsichtige zogen sich allerdings auf die Position des Anicius Man-
lius Severinus Boethius (gest. 524) zurück, der in seiner Schrift De consolatio-
ne philosophiae (Vom Trost der Philosophie) zwar Gottes gütige Vorsehung
hinter allen Geschehnissen der Welt sah, freilich ohne dass aus immanenter
Perspektive der Sinn der verborgenen Wege Gottes erkennbar würde. Dem
Menschen müssen die irdischen Wirrnisse wie das Werk der antiken Göttin
Abb. 8. Hortus deliciarum, Blatt 221 verso: Odysseus und die Sirenen, Ausgabe Abb. 126
das Kreuz Christi. Den Gefährten versiegelt es mit Wachs, d. h. mit Christi
Menschwerdung, das Gehör, damit sie ihr Herz von den Lastern und Be-
gierden abwenden und nur nach dem Himmel streben.
Das erscheint wiederum im Hortus deliciarum (Abb. 8).
Für die wundersamen Sirenen beruft sich Honorius auf heidnische Gelehr-
te, Odysseus (lateinisch Ulixes) hält er auf jeden Fall für eine historische Ge-
stalt. Die spirituelle Auslegung profanhistorischer Ereignisse konnte sich
zwar nicht auf die Autorität der Bibel stützen, war aber insofern legitim, als
Gott als Herr der Geschichte galt und auch die Bibel ja nur Ausschnitte aus
größeren historischen Zusammenhängen bot, also geradezu nach Ergänzung
rief.
Viele Geschichtsschreiber scheuten sich auch nicht, Gottes unmittelbar len-
kende, belohnende und strafende Hand im Verlauf der Ereignisse erkennen
zu wollen. Vorsichtige zogen sich allerdings auf die Position des Anicius Man-
lius Severinus Boethius (gest. 524) zurück, der in seiner Schrift De consolatio-
ne philosophiae (Vom Trost der Philosophie) zwar Gottes gütige Vorsehung
hinter allen Geschehnissen der Welt sah, freilich ohne dass aus immanenter
Perspektive der Sinn der verborgenen Wege Gottes erkennbar würde. Dem
Menschen müssen die irdischen Wirrnisse wie das Werk der antiken Göttin
Abb. 8. Hortus deliciarum, Blatt 221 verso: Odysseus und die Sirenen, Ausgabe Abb. 126