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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0092

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80 Stefan Büttner

zur gesetzten Zeit zu liefern etwas so Unausbleibliches werden muß als das
Wiederaufgehen der Sonne." (TW 4,332)

An die Eltern gerichtet stellt Hegel eine Maxime auf, die auch in unse-
rer heutigen Situation richtig ist: Bei den Anforderungen, die gegenwärtig an
Studierende, wir würden hinzufügen, an alle gestellt werden, ist wichtig, ja ent-
scheidend „es mit dem Anfange des Unterrichts ja nicht zu lange anstehen zu
lassen." (TW 4,356)

Schlussbemerkung: Hegel als Lehrer

Sein Selbstbild des Lehrers entwirft Hegel anläßlich der Verabschiedung sei-
nes Amtsvorgängers im Rektorat, Leonhard Schenk, mit pathetischen Worten:
„Dem Lehrstande ist der Schatz der Bildung, der Kenntnisse und Wahrheiten,
an welchem alle verflossenen Zeitalter gearbeitet haben, anvertraut, ihn zu er-
halten und der Nachwelt zu überliefern. Der Lehrer hat sich als den Bewahrer
und Priester dieses heiligen Lichts zu betrachten, daß es nicht verlösche und
die Menschheit nicht in die Nacht der alten Barbarei zurücksinke." (TW 4,307)

Hegel scheint seine Forderungen, die er an Stoff und Form der Bildung
sowie an das Selbstbild des Lehrers stellt, als Lehrer selbst in gelungener
Weise umgesetzt zu haben, wie der Bericht eines seiner ehemaligen Schüler
eindrucksvoll bezeugt: „Zuvörderst zog Hegel die Naturwissenschaften, Ge-
schichte, Kunst und die Literatur der Alten häufig in seine Entwicklungen, um
an ihnen gleichungsweise philosophische Theses zu erklären: dann diktierte er
nur kurze Sätze und ließ den Sinn derselben die Zuhörer selbst im Wechselge-
spräch frei erörtern. Jeder konnte das Wort verlangen und eine Meinung gegen
andere geltend zu machen suchen, der Rektor selbst trat nur hin und wieder
belehrend dazwischen, um die Erörterung zu leiten. Auf solche Weise wurden
den Schülern vielseitige Kenntnisse mitgeteilt, der Trieb zum Eindringen in
das eigentlich Wissenschaftliche angeregt, und insbesondere der Scharfsinn
gebildet. - Was aber noch wohltätiger wirkte, und die Anstalt im hohen Grad
auszeichnete, das war die Art, wie Hegel die Schüler behandelte. Von der untern
Gymnasialklasse an, wo man noch vier Jahresstufen bis zur Universität hatte,
redete er jeden Schüler mit ,Herr' an, und bemaß hiernach auch seinen Ta-
del und seine Zurechtweisungen. Ein solches achtungsvolles Benehmen eines
Mannes, dessen Ruf täglich stieg, gegen junge Leute, erweckte in diesen ein
ungemein hebendes Selbstgefühl [... ]".45

Das größte Lob für einen Philosophen spricht sich hier aus - das Lob zur
Einheit von Reflexion und Leben, von Theorie und Praxis gekommen zu sein.

45 J.G.A.Wirth, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben. Emmishofen 1844,24; zit. nach Nicolin
1970, usf. Vgl. dazu auch die Schilderungen bei Rosenkranz 1977,25of.: „Die Abiturienten ließ
er zu sich kommen, um ihnen privatim den Ernst ihres Schrittes an's Herz zu legen und ihnen
für ihre Führung auf der Universität Winke zu geben, die sich den Meisten bewährten."
 
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