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Heidelberger Zeitung — 1862 (Juli bis Dezember)

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August
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N 183


Doimerstag, 7. August


L8S2.

» Auf die „Heidelberger
Zeittmg" kann man sich
noch snr den Mooat Au-
gusi und Kextcmber mlt 36 Krcuzern abon-
mrcn bei allen Postanstalten, den Boten und
Trägern, sowie dcr Erpedition (Heuqasse Nr. 2).

SS Die deurschen Schmerzenskinder.

ES ist scho» lange kein Gclegenheitswort
mchr gesprochen worden, welches so sehr zu
eineui Stichworte, zu cincr Partcilosung und
zu einem Zankapsel geworden wäre, wie daS
von dem Darmstädter Advokaten Mctz in sei-
»er Rede beiin Frankfnrter. Schüßenfest ge-
brauchte Wort: „deutsche SchmerzenSkinder."
Hätte er es blos aus dic SchleSwig.Hvlsteiner
und Kurhegen bczvgen, so wäre eS Ricman-
den aufgcsallcn; man HStte cs vielmchr ganx
paffend und zeitgemäß gefundcn, und die Schles-
wig-Holsteiner, welche sclbst mit florumwun-
d-ner Fahne erschienen warcn, hätten gewiß
nichts dagegen einzuwcnden gchabt. Allch bie
Einschließung der Deutschösterreicher in den
Begriff der SchmcrzenSkindcr crscheint an und
für stch bctrachtct unvcrfänglich und gerecht-
fertigt, wenn man -rwägt, daß dem Lrang
und Verlangen unserer deutsch-österreichischen
Brüder, sich mit Dculschland inniger zu
verschmelzen, dürch dic vielgestaltigen nnd znm
Theil eiuander widersprechenden Jnteressen bes
viclzüngigen österreichischen Siaaiencomplcres,
dem stc cinverleibt stnd, ein schmerzlicheS Hin-
derniß stch entgegenstcllt. Nur das Einc haupt-
sächlich konntc anstößig besunden werden, daß
hinstchtlich dcr an jenes Wort stch knüpsenden
Eriünciungcn der Zeitpunkt Nlchs gut gewählt,
daß an einem Vcrbrüdernngsscste der deutschen
Stämme, welchcs das allgeuicin gesühlte Bc-
dürsniß der Einigung in daS Lcbcn gerufen
hatte und bei welchcm auch die Oesterreichcr zahl-
reich vcrtreten warcn, die dcutsche Zcrriffenheit
zur Unzeit in daS Gedächtniß gerufen und
dadurch ätzendes Salz in die noch blutende
Wnude geworsen wurde. Man hätte je-
nem Worte vermuthlich nicht so viel Gewicht
bcigelegt, wenn es nicht auS dem Munde dcS
MisstonSpredigers deS NationalvereinS ge-
konnnen wärc, in welchem es lcicht für ein
Stich- oder Stachclwort bcr preußcnfreundli-
chen Kleindeutschen gegen die Angehörigcn der
großdeutschen Partci genommcn wcrden konntc.

Zu einem wirkiichen Zankapsel wurde aber
das Wort erst durch dik strenge Anssaffung
uud DcSavouiruiig deffelben von Sciien deS
jungen iproler Proseffors Wildauer, wclcher

darin eine, gewiß nicht beabsichtigte, Kränkung
seiner LanvSlcute erblicktc. Wenn aber Herr
Wildauer für feinen östcrreichischen PatriotiS-
muS von seinem Kaiser mit der kisernen Krvne
auSgezeichnet wurde, so hat es ihm ander-
seitS, wie aus Wien berichtct wird, bci seinen
fonst gleichgestnnten Freunden wenig zur Em--
Pfehlung gereicht, daß ihm jetzt von einer
Partei Lob gespendet wird, die in Oesterreich
ebensowenig beliebt ist, als in Prcnßen die
Kreuzzeitungspartei und in Baden die Partei
des KarlSruhcr AnzeigerS, — von einer Parlei,
die noch vor Kurzem gcgen jencn gemäßigt
liberalen Profcffor, wclcher dcn tproler Pfaf-
fen gcgenübcr bie Rechte deS Patriotisnius
in Schntz nahm, Gist und Äalle gcspien hatte.

Soiten wir unserc Anstcht über ben Frank-
fnrter Vorgang ausfprcchen, so müffeu wir
unS dahin erklären, daß uns nicht daS be-
srcmdenb war, daß Hr. Metz auch die Dentsch-
österreicher untcr bie „Schmerzcnskinder" mit
einbegriffen, sondern, daß cr, nächst ben Schles-
Wig-Holstiinern und Kurheffen, n ur die Ocster-
reicher dazu gerechnctchat. Es hätte frei-
lich nicht woylgethan u»d Freudc gemacht,
aber doch versöhnenb gewirkt,-wenn ber für
Preußcn schwärmcnde Anwalt so unbesangen
gcwcfen wäre, anzuerkennen, daß auch unserc
preußischen, sür DeutschlandS Einyeit unb
Freiheit kämpsenden, Brüder solchc Schmer-
zenskindcr stnd, die weder in ihrcn Ministern,
noch in ihren Krantjnnkern unb Ordenspfassen
die rechten ÄeburiSyelfer gefnnden habcn.

Wo gibi cS übcrhaupt einen beutschen Staat,
welcher, sei er groß oder klein, nicht scine
Schmerzcnskinder hätte? Alle dcntschen VoikS-
stämme ohnc Unterschicd — auch dcrjenigc,"
welchcm Herr Mcß angeyört, ja vicser sogar
vorzugSiveise — sühlen cs lebhast, wo ste der
Schuh drückt; und Hcrr Metz seibst in eigc-
ner Person, wenn er, um bei ciner National-
versäminlung tagen und sprechen zu können,
von der Polzei versolgt, von cinem Staate
zum andern und zuleßt auf den „frcien Rhein"
sich flüchten mußte, hat, wie unS dünkt, auch
die Rolle eines Schmcrzenskindes gcspielt.

Unb gestehcn wir cS unS nnr offen, anch
unserm schönen, glückiichen, von Vielcn bc-
ncideten und in gar mancher Bezichung auch
wirklich bcneibcnöwcrthen Baden fehlt eS durch-
aus nicht au SchmerzenSkinderu; — es sinb
diejenigen, bic, von dem Stabel'sche» Amue-
stiegesetz auSgefchloffc», noch auf frcmber Erve
zerstreut stnb, oder die im eigencn Vaterland
noch dasür büßen, baß stc, etwaS zeitiger als
andere, schon vor 13 Iahrcn stch sür jene

Jdeen bcgeistern konnten, deren gereifte Früchte
heute nnter b-m Jauchzen der Völkcr IN den
Schooß bes Vaterlandcs fallen. Es gibt nichts
Vollkomuienes auf dieser Erde; aber schön
ist ste Lennoch und kein Zammerthal, wic die
Mucker sie schelten. Jhre ste geistig vcrklä-
rende Sonne ist die Licbe, welche mlt dcn
Weinenden weint und mii den Fröhlichen fröh-
lich ist. Am Abend stnd wir noch alle Schmer-
zenökindcr, abcr am Morgen lacht die Frcude.

* Polttische Umschau.

In Paris ift allgemein das Gerücht ver-
breitet, Garibaldi habe seine Kriegsplane auf-
gegeben, nachdem Victor Emanuel einen eigen-
handigen Brief an ihn gerichtet. Die Nachricht
ist nicht wahrscheinlich; wenigstens läßt sich
nichl wohl annehmen, baß so vieler Lärm er-
höben worden sei, nur um plötzlich wieder zur
Nuhe zurückzukehren.

Es heißt, der französische Finanzminister
Fould wolle den gedrückten Coursen der Rente
daburch aufhelsen, paß er ben fremden Papie-
ren ben Zugang zur französischen Börse mög-
lichst verschließe. Solche Mittel würden aber
schwerlich helfen, so lang eine kaiserliche Laune
genügt, um die Gelver des Landes in über-
seiischen Thorheiten zu vepgeuden.

Herr Mires hat jetzt vie Verwaltung und
die Iustiz auf dem Halse: erstere hat zwei
seiner neusten Broschüren mit Beschlag belegt,
letzkere will nicht dulden, daß die seinen Na-
men führende Pasjage in Paris denselben fort-
behalte, und will die gegenwärtigen Besitzer
der „Passage Mires" zwingen, den Namen
zu ändern. Die Frage wird wahrscheinlich
vor ven Staatsrath kommen.

Man fängt bereits an, die „Gloire-Fabrik"
in Merico auszubeuten und Namen dortiger
Orte nach Paris zu übertragen. Als hätten
die französischen Wassen schon Merico erobert,
legt man jetzt einer neuen auf den Boulevard
du Prjnce Eugene mündenden Straße den
Namen „Rue de la Vera-Cruz" bei. Das
Merkwürdigste ist dabei nur, daß sich bis jetzt
an Vera-Cruz keine Erinnerung knüpft, welche
vie Franzosen veranlassen könnte, den Namen
der Stadr nach Paris'zu verpflanzen.

„La Preffe" bemerkt sehr richtig über das
Aufhören ber Arbeilerunruhen von Borinage:
„Die belgischen Blätter melden, daß die Ar-
beiter ihre eingestellte Ärbeit wieder aufge-
nommen haben. Dies zeigt.uns aufs Neue,
daß unter der Herrschaft der Freiheit die Ar-
beitseinstellungen weniger Bedeutung und Dauer

Crstes deutsches Bun-esfchießen.

Von C. Heyner.

(Fortsetzung).

Er nennt die Namen Robcrt Blum und Adolph
v. Lrützschler, die ihr Leben für das höchste Gut
der Menschen, für die Freiheit hingegebcn. „Bei
ihrem Andenken", schließt der Redner, „laffen Sie
uns geloben, feierlichst geloben, stets festzuhalten
an Wahrheit und Recht, stets nach KrLften zu wir-
ken für die Unabhängigkeit, Einheit und Freiheit
unferes Vaterlandes und laffen Sie uns bei ihrem
Andenken mit voller Brust ein Hoch ausbringen den
letzten 105 des ersten deutschen Parlaments!"
(Bravo.)

Als der zweite Redner der vom preußischen Ab-
geordnetenhause gcsanbten Deputation trittDoctor
Lüning aus Rheda auf:

,,Deutsche Männer, Schützenbrüder, Freunde! Es
sind uns soeben aus eincm beredteren Munde als
dem meinen und erst vor acht Tagen durch einen
der besten Männer, die das ganze Deutschlanb zählt,
durch unsern Schulze-Delitzsch, die Sympathien des
prcußischen Abgcordnetenhauses und dcs preußischen

Volkes für dieses herrliche nationale Fest kund ge-
geben worden. Wenn ich es wage, nach diescm
Meister der freien gewaltigen Rede zu Ihncn zu
sprechen, so ermuthigt mich dazu nur der Wunsch,
Ihnen den deutschen Brudergruß der freisinnigen
Mitglieder des preußischen Abgeordnctenhauses per-
söntich zu überbringen. (Bravo.) Deutsche Män-
nrr! Unsere Bürger, unsere Städte sind nicht so
zahlreich hier vertreten, wie andere Gauen, aber
ich hoffe, daß vie südbeutschen Brüder sich erinnern,
daß die Hauptstadt unseres Landcs, die zw vertre-
ten ich mit die Ehre habe, bei dem beutschen Lur-
nerfrst gezeigt hat, wie sie in nationaler Gcsinnung
hinter keiner anderen des Vaterlandes zurücksteht
(Bravo). Rechnen Sie die geringere Theilnahme
auf die ernste Arbeir, die der Vorredner, mein
werther Collcge Dunker geschildert hat, rcchnen Sie
auf das kältere nordische Temperament, rechnen Sie
es bei der Neuheit dieser Feste auf die Unbekannt-
schaft mit den colossalen Dimensionen, die sie ge-
nommen; rechnen Sie es, auf was sie wollen, nur
nicht auf die Gleichgültigkeit und Theilnahmlosig-
keit des preußischen Volkes für die nationale Idee
(Bravo). Deutsche Männer, hie Zukunft ist vcr-

hüllt und trübe ist das, was der spähendeBlickchie
und da hinter dem verdeckenden Schleier erspäht hat.
Möglich ist es, daß noch einmal ein Hagelschauer
der Reaction über die frische, grüne Freiheit-Saat
bahinzieht, aber das preußische Volk hat schon ein-
mal gezeigt, daß es dieselbe nicht scheut; mit.dem
Lächeln des Muthes auf den .Lippen, mit der Zu-
versicht des SiegeS im Herzen, hat es sie vorüber-
ziehen lassen. Und so gewiß neulich ist dem furcht-
barcn Organ die Germania dem Wetter uno Sturm
trotzenv dastand, so gewiß wird die deutsche frete
und nationale Gesinnung des preußischen Volkes
sich auch im neuen Sturme bewähren (Bravo), Md
kommen wird der Tag und .wir alle werden nach
Kräften behilflich sein, ihn herauf zu führen, wo
der preußische Adler, jctzt noch vielfach gehemmt
und gefesselt, mächtig ftine Schwingen regt und sich,
Schutz bietend und Schutz heischend, mit machtigem
Flügelschlage niedcrläßt untet dem schwarz-roth-
goldenen Banner des deutfchcn Reiches. (Enbloftr
Iubel.) Blicken wir hinüber über unsere Grenze
nach bem Lande, dessen Schützen Ihr noch unter
Euch zählt, nach dem schönen Lar;de mit ftinen
blaucn Seen, mit seincn grüuenden Matten, mit
 
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