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Heidelberger Zeitung — 1862 (Juli bis Dezember)

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Dezember
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Wdtlbergtr Itilung.


Dienstag, 2. December

» Auf die „Heidclberger
Zeitung" kanu man fich
nvch für dcn Monat De-
crmber mit 18 Krcuzern abonniren bei allen
Postanstalten, den Boten uud Lrägern, sowie
der Erpedition (Heugaffc Nr. 2).

* Politische Umschau.

Das „Journal des DebatS" gibt folgende
drastische Darstcllung der kurhesstschen Ver»
wicklung: „Unter dcm Druck einer Bedrohung
mit BundcSerecution, und auS Furcht, daß
die Soldatcn seineS liebwerthen Berliner Bru-
ders und Vettcrs in Kassel einmarschircn möch-
ten, hat der Kursnrst vor nicht langer Zcit
die Verfaffung »on 1831 wikderhcrgestellt.
Da ihm aber zu Ohren gelangte, waS seit
eiuigen Wochcn in Berlin vorgeht, so kam ihm
einc neue Jdec: nämlich er crklärt.se inem
Parlamentchen, er sei zwar dcu Herren Ab-
gcordnetcn seiner allergetreuesten Uutcrthanen
wohlgewvgen und dicnstergeben in allcn Dingen
und noch cinigen mehr, jedoch nicht in Eincm
unbedcutenden Punkte: er wvlle nämlich ihuen
kein Budget vorlcgen. Nun kann der Leser
stch denken, welch' eine Entrüstung dies in
Berlin hervorrief! Hr. v. Bismarck, der mit
eifrigster Strcngc auf jeden Punkt des con-
stitutionellcn NechteS hält, will durchaus diesen
Riß in's Recht der Kurheffen nicht leiden;
deßhalb, da ist gar kein Zweifel, hat cr sich
in Unkvstcn für Feldjäger gesetzt, und droht sich
in sernerc Unkosten >ür Soldatcn, Pulver und
Blei zu fetzen! Hr. von BiSmarck ist ganz
entschicden der Meinung, daß nnr die Abge-
ordnetenkammcr eineS LandeS das Rcchl be<
sißt, die Steuern für dics Laud zu bestimmen.
Hcrr von Bismarck sühlt scin politischcS Ge-
wiffen durch das Regieren mit einem nichtvo-
tirten Budget verletzt. ES gibt viel seltsame
Dinge in dcr TagcSgeschichte, aber nichts so
SeltsameS, als wcnn Hcrr von Bismarck,
um in Kurhesscn die gesetzlichc Bewilligung dcr
Steuern wicderherzustellen, Soldaten »erwen-
det, die gegen dcn Willen des preußischen Par-
laments ausgehobe» und bezahlt werden! Ge-
schieht dicS wirklich, so hat Herr von Bismarck
die Lehre Hegels sactisch als wahr bewiesen:
er steüt in sciner Person die Einerleiheit des
Jch und Nicht-Jch, die Jdentität deS SeinS
und des Richts dar, und kann sämmtlichen
gelehrlen Prosefforen der deutschen Hochschulcn
als Urbild unb Muster für die Lösnng philo-
sophischcr Probleme dienen."

Die „Sternzcitung" ersährt, daß eine Ant-

wort auf die Depesche des württcmbergischen
Ministers des Auswärtigen, betreffs der Han-
delsvertragS-Sachc, weder ersvlgt ist, noch
erfolgeu werde.

Die „Coburg. Ztg." ist im Stande zu er-
klären, den durch allc Zeitungen lausendcn
Gcrüchten »on eincr etwaigen Eandidatnr deS
Prinzen Alsred auf den griechischen Königs-
thron auss bestimmteste zu widersprccheu.

Die Bewohncr der sreien Reichsstadt Lü-
beck haben die Einführung der Schwurgerichte
abgelehnt.

DaS Polizeiministerinm in Wieu hat kem
in Brüffel crscheinenden Journal „Le Nord"
dcn Postdebit in den österrcichischen Staaten
wicder bewistigt.

Der süngste zwischen Oesterreichern und pic-
montestschen Soldaten vorgckommene Erceß hat
die Luriner Regicrung, die stch in Folge dcr
angestcllten Untersnchung von der Schuld der
Picmontesen überzeugte, veranlaßt, der öster-
reichischen Rcgierung ihr Bedauern über dicsen
Borsall auszudrücken und die Bcrstcherung bci-
zufügen, daß die Schuldigen strenge bcstraft
und Maßregcln getroffen werden, um derlei
Vorfälle für dic Zuknnft zu vcrhindern.

Dic DiScusston über Buoncompagni'S Jn-
terpcllation daucrt fort. Dic „Wonarchia"
meint, daS Ergebniß derselben würde die Auf-
lösung der Deputirtenkammer sein.

Ein Artikcl Limapracs im „Constitutionnel"
setzl auseinander, daß, wenn dcr Prinz Alfred
den griechischcn Thron bestiege, die orientalischc
Frage sich mit voller Wuchl wiedrr erheben
würde. Frankreich würde alsdann kein Jn«
tereffe sciner traditioncllen Politik aufgeben
und, da es nur mehr für feine eigene Ehre
verpflichtet sei, sich in die Rolle wcrsen, welchc
dcr Erhabcnheil scincr geschichtlichen Misston
enlspricht!

„La Francc" will wiffen, Rußland machc
ernsten Einwand bezüglich der Candidatnr deS
Prinzen Alfrcd sür den griechischen Thron und
soll eine Mittheilung in dicsem Sinne bereitS
von PeterSburg nach London abgeschickt wor-
dcn sein.

Der „Globe" widcrspricht auS guter Quelle
die von den franzöflschen Jvornalen gebrachle
Rachricht, daß England ein starkeS Geschwader
vor dcm Ppräus zusammenziehe.

AuS Athen wird gemcldct, die Regierung
wvlle völlige Freiheit bei den Abstimmungcn
und bedrohc mit Abfctznng die Beamten, wclche
sich in die Wahlen cinmischen. E« macht stch
eine revolulionäre Opposition gegen die Re-
gierung bemcrkbar.

Nach der „France" wärc die Königin
Biktoria nicht mit der Candidatur dcs Prin-
zen Alfred einverstanden. Sie würde ihre Ein-
willigung zur Uebernahme des griechischen
ThrvueS nur unler dem Drucke der gebiete-
rischsten Politik crtheilen.

DaS„Iournal de St. Petersbonrg" bringt
einen Artikel, in welchem es heißt: Wir kön-
nen bestätigen, daß Rußland keincn Augenblick
daran gedacht hat, von dem Principe bes Lon-
doncr Protokolls abzuweichen, welchcs die
Mitglieder der Familien bcr Schutzmächtc vom
griechischcn Lhrone auSschließt. Rußland hat
eine entsprechende Erklärung schon am 19.
October, also noch frühcr alS England, ab<
gegebcn.

Ein Secretär Vcr englischen Gesandtschaft
in Alhen isi in Marscillc angekommcn uud
sofort nach London weitergereist. Briefe auS
Alhen vom 22. berichten, daß es Rufos ge-
kungen ist, bie Grivas'sche Armee auszulösen.
Akarnanien und Aetolien sind sür bie Candi-
datur des Prinzen Alsrcd. Die Nachricht »on
bcr bevorstehcnden Ankunft deS Prinzen in
Corsu hat die Bcgeisterung in Gricchenkand
gehoben. Zwei österreichische KriegSschiffe sind
im Ppräus angekommen.

Aus Konstaniinopel wird untcrm 20. dic
Geburt des Prinzcn Mahmnd-Djemil-Eddin
gemeldet. Der Sultan ist noch nicht ganz
hergestcllt; seine Frcigebigkeit dauert sori. Dic
Truppen in ben Provinzen haben seit 2S Mo-
naten keinen Sold erhaltcn.

E« bestätigt sich aufs vollständigste, daß die
Rcgierung schr mißliche Nachrichten Vvn Gc-
neral Forep erhielt. Bcim Eiülreffen der
Nachrichten bcschied ber Kaiser den Marschall
Ranoon nach Compiegne, nm wegen Absen-
dung weitcrcr Verstärkungcn mit ihm zu spre-
chen. Dcr Kriegsministcr wies jcdoch aus bie
Uumöglichkeit hin, daS jetzigc, gcschweigc cin
noch größcrc« ErpebitionScorps zu verproviau-
tiren, und rieth von Absenbung neuer Truppen
cntschieden ab.

Deutschlan»

Karlsruhe, 29. Nov. Dienstna^richten. ^ Se. Kgl.

<? Zur Ausstellung nach London.

2. I n London.

(Fortsetzung).

Einem ähnlichen Schicksal sind besonders gar vtele
Deutsche ausgescht, welche ohne practischen Sinn,
wje dieser junge Franzose, bei ihrem nur zu ein-
feitigen Wiffen unb Kenntnissen und übertriebenem
Stolz sich vom Vorurtheil nicht losmachen können-
daß eine Arbeit und Beschäftigung anderer Art als
die in ihrem Gehirn als anständig, sowie den Be-
fähigungen und threr Bildung allein entsprechend
construirte, die etgene Menschenwürde fchänden könne^
Vielmehr thut dies die Versunkcnheit, in welche man
schließlich geräth. Es tst durchaus nicht nöthig, nach
Amertka zu gehen, um solche Erfahrungen von ver-
unglückten Menschen zu machen. London gleicht New-
Uork Ln dieser Hinficht vollständig. Wer jedoch mit
realen Kenntnissen herüberkommt, als Kaufmann,
als Techniker, als Handwerker und fich mitpracti-
schem Sinn in die gegebenen Verhältnisse einzu-
. schmiegen weiß und so lange er noch in untergeord-
neter Stellung sich befindet, den englischen Gewohn-
heiten und Vorurtheilen Nechnung zu tragen und

sich anzubequemen versteht, der wird auch ohne be-
sondere Empfehlungen nach kurzem Warten in eine
Carrtere gelangen, die ihn bei hinreichender Aus-
dauer, welche in dem rastlosen Treiben der Umge-
bung sich schon von selbst einstellt, an das Ziel der
Unabhängigkeit und des Vermögens schneller und
sicherer hinführt, als der Aufenthalt an irgend einem
anderen Ort unseres'Welttheils. Ich kenne viele
Kausleute, welche als junge Commis, ohne irgend
welches Vermögen Deutfchland verließen und nach
ein bis zwei Iahrzehnten die Träger berühmter
Firmen geworden sind. Ebenso Ingenieure und
insbesondere Chemiker,-welche als sogenannte 6on-
sullinK svAmeers und edewi^ts fich selbständig einen
großen ganz unabhängigen Wirkungskreis verschafft
haben, ober Letter bedeutender technischer Etabltffe-
ments, hauptsächlich chemischer Fabriken geworden
sind, wo die Engländer gründliche deutsche Btldung
nicht genug zu schätzen und honoriren wissen. —
Siniges mehr über derartige Verhältnisse vielleicht
später. Sehen wir vorerst, in welch' einem Licht
London diesem practtsch gebildeten aufreale Dinge
hinblickenden sremden Besucher und Glücksucher er-
schrint.

London zählt bekanntlich gegenwärtig nahe an
brei Millionen Menschen, etwas mehr als doppelt
so viele wie pie Bevölkerung bes ganzen Großher-
zogthums Baden, welche der Einwohnerzahl von
Paris etwa gleichkommt. Diese Menge ist auf einem
Flächenraum zusammengebrängt, welcher ostwestlich
eine Länge von nicht ganz drei-Stunden und süd-
nördlich eine Breite von beinahe zwei Stunden be-
sitzt, also auf etwa anderthalb Quadratmeilen.
Von Heidelberg bis an den Rhejn tn gerader Linie
mag drei Stunden sein, bis nach Schriesheim etwa
zwei; gehtman somit von hier an den Rhktn, dann
abwärts zwei Stunden bis Mannheim, von danach
Schriesheim und zurück nach Heidelberg, so um-
schretbt man den Raum, tn welchem man fich daö
gesammte London vereinigt denken kann. ' H.etdel-
berg und Mannheim liegrn noch ganz gemüthlich
in den Ecken dessclben. Eö ergibt dies einen llm-
fang von lO Stunden; gewöhnlich niMmt manje-
doch 14 Stunden an, da sich nach allen Weltgegen-
den einzelne Straßen zuweilen Meilenlang in das
offene Land hinein sortsetzen, ohne daß jedoch der
dazwischen liegende Raum schon mit Häusern bedeckt
wäre. In vielen Richtungen kann man sünf unh
 
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