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Heidelberger Zeitung — 1862 (Juli bis Dezember)

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August
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N; 182


Sonntag, 17 August


18«2.

Deutschland und die Politik
Frantreichs. .

II.

Um etllche Einzclnheiten auS dcm Testn-
mente LudwigS XIV. hervorzuheben, so ist
nnmentlich von Jntcresse, zu wlffen, wic die-
ser Köntg über die Stellung der Gelstllchkeit
zum Staate gedacht hatr

„1) Durch den gchklmulßvoll klingenben Na-
men: „Kirchllche Freiheit" so sagt Ludwig
XIV., bars man sich nicht dlenden laffen;
denn wie der Geistlichk, gehört auch der Laie
zur Mutterkirche, und Beidcu schreibt daS
Evaugclium gleichlnäßig die Botmäßigkeit gc-
gen die Obrigkeit vor. 2) Was man auch
vo» der besondern Bestlinmung deS Kircheu-
gutcs und vom Willen der Stifter sage, so
blcibt uicht ulinder gewiß, daß die Letztern
»icht besugt stnd, ihr hlnterlaffeneS Erbe dcr
allgeuieiuen Steucrpflichtlgkeit zu entziehen,
ui» so wentgcr alsö, stch von den obersten al-
ler Verbiudllchkeilen auSznnehmcn, «elche darin
bestehl, dcni Königc, als dcm Gebikker über
allen Besttz, ,zur Bcrsügulig zu blcibcn." (Dlc-
ser Satz bcruht aus dem damaligen staatS-
rechllichen Lehrbegriffc, wouach die Allniacht
deS Slaats uud dic Perfon dcS KönigS als
identisch gcdacht wurden). „3) eUrkunde» und
saclische Vorgänge stnd hier gauz überflüffig,
denn die natürliche Billigkeit entfcheidet den
Fall von selbst. ES wäre im höchste» Grade
ungerecht, die Geistlichlcit nicht wenigstens
zu den Steuerlelstuiigen heranzuziehcn, da ste
ohnehi» weder im Kricge ihr Leben zu wa-
gen, noch taheim sür Äieib uud Kind zu sor-
gen hat. Das hieße, für cklle Vorlheüe des
gciiieincn Wefens ohne Gcgcnlelstung einzu-
stehen."

Hinstchtlich der Erwerbung von Lothringen
sagt dcr König FolgendeS:

„Dek Besitz vou Lothringcn war. wünschens-
werth für mich, wcil diefcS Länd mir den
AuSgang für nieiu Hcer nach Dcntschland bot,
nachtcm cS bisher ein offencs Thor für Zrank-
reichs Feindc vorgestellt hatlc. Nebst dem
Vortheile kouimt auch die Ehre hier u, Be-
lracht, denn das Land hattc uusern Vätern
zugehört und mußtc also der Monarchie wie-
der einverleibt werden, von der es so lange
losgcriffen gewescn." (ES ist dieseS cine ähn-
lichc Schlußfolgerung, welche maii bei den
Franzosen häufig findet; diese nämllch hcgen
meistenS die sonderbare Anstcht, daß Karl der
Große in der Schöpfüng jeines RelchS gleich-
sam alS Franzose stch dargestcllt habe, und

daß (iui Zahre 843) daS große deutsche Rcich
als cin Filiale vom kleinen Frankreich losge-
geriffen wordcn.)

„Es wäre mir leicht gcwksen, daS Land Mlt
Waffengewalt zu erobern; aber lch mochte
ohne dringende Noth den Frikben von Europa
nicht stören. JH suchte dahcr auf sriedlichem
Wege zu meiucm Ziele zn gelangen, so schwie-
rig eS immerhin ist, einen unabhänglgen Für-
sten zur freiwilllgcn Abtrctung seines LandeS
zn überrcden. Die Schwierigkeiten waren so»
grvß, daß ein Theil mcincr Minister stc für
unüberwindlich erklärten. Aber es waltet ein
mcrklicher Untcrschieb zwischcn eincr allge-
meinen Auffaffung dcr Dinge, und einer bc-
sondern Kcnntnlß der Zeit, der Umständk unb
derPersönIichkeiteu." (DcrKönig zeigt sodann,
wie cr dcn Herzog von Lothringen, deffen
Schwächen nnd Fehler er genau lannte, an
seiner schwachen Seite saßle, und ihn gegen
eine Summe GcldeS und AuSzahIung eincr
jährlichen Nutznießungsrcnte zur Abtrelung
sclneS LandeS bcwvg.) — Ebcnso hanbelte
Ludwig XIV, den festen Sceplatz Dünkirchcn
den Englandern um vier Millioncn Livre ab,
und verschmähte eS nicht, diesc hiebei um i/z
Million zu übervortheilen, und sich bieseS für
die damalige Zeit sehr bedeutenden GewinnS
noch bcsonderS zu rühmen. —

Schließlich erlauben wir unS noch einige
allgemeinc Bemerkungen:

Was Ludwig XtV. anbelangt, so ist dcr
Kampf gegen Oesterreich und die Besriedigung
seiner Ruhm- und Habgier an dem zerriffenen
Deutschland zweifelSohne der leitcnde Gedanke
seiner Polilik gewesen, und es hat in dlefcr
Bkjiehung wohl kanm bcr eigenhändlgcn Auf-
zeichnungen des Könlgö beburjt, um dlese
Thatsache festzustellen. AIS Kehrseite läßt stch
jcdoch entgegenftellcn, daß in der Rcgel nur
blcjenigen beraubt und geplündcrt werden,
die slch deraubcn und plündern laffcn. DaS
gilt von Völkern ebenso wie von Jiidlvibuen,
sür die Erstern sogar noch mchr, weil sie
eine ungleich größere Kräft deS Widerstandes
haben, alS die Einzelnen, nnb daher auch einc
desto bringenbcre Verpflichmng zuin Gebrauche
dieser Krast. WaS haben aber wir D'eulsche
gethan, und wie haben wir unS nur allzu
häufig gcgen nnsere Feinde benommen, nicht
bloS zu Ludwig XIV. Zeiten, sondern ostmalS
auch nachher? Wir habeu durch uusere Un-
-inigkeit, unscre Schwäche und Mulhlostgkeit
dem Feinde selbst die Wcge gebahnl, auf de-
nen ste triumphirend in daö Herz unsereö
Landcs eingezogcn sind; Fürstcn sowohl alS

Völker, haben häufig dic Waffen weggewor-
fc», bevor eS noch zum eigentlichen Kampfe
gekommen, und oftmals mit den Feinden so-
gar gemeinschastliche Sache gemacht. Wir
könncn allerbings viel von unfern Feinben
lerncn, lcrncn wir aber vor ullen Dingen
u»s selbst, lcrnen wir namentlich unsere alten
Erbfehler kennen unb solchr fernerhin zu ver-
uieiben, die Fehlcr der Eifcrsucht, der Zwic-
tracht und Uneinigkeit, durch die wir so häu-
fig eine Beute frember EroberungSsucht ge-
worbeN sind.

* Politische Umschau.

Nach dreitägigen Verhandlungen hat die
nassauische Kammer den von der Negierung
vorgelegten Preßgesetzentwnrf mit allen gegen
8 Stimmen angenommen. >

Die kurhessischen Wahlen ßehen sxhx lang-
sam voran, da die Vorarbeiten noch nicht alle
beendet sind. Die biö jetzt bekannt geworde-
nen Wahlen sind jedoch gut ausgefallen. Au-
ßer dem bewährten Dr. F. Oetker ist nun auch
dessen Bruder, O.G.A. Karl Oelker, gewählt,
unv zwar als Vertreter ver Höchstbesteuerten
der Grafschaft Schaumburg. Die Höchsibe-
steuerten des Wahlbezirks Schmalkalden haben
den Geh. Rath v. Schenk gewählt, s. Z. daS
entschievenste Mitglied bes Märzminifteriumö
Eberhard.

Jn einer Zuschrist an die „Times" wird
die Lage der Union als äußerst kritisch dar-
gestellt. Die Rüumung von (Srand Junktion
durch die Bundestruppen sei ein Anzeichen,
daß sie sich auch von Corinth zurüaziehen
werben, unv da jetzt Charlestyn und Savan-
nah nicht mehr beorpht seien, so kvnnten von
diesen Punkten auS Verstärkungen nach dem
Snowesten abgehen, um dem Unio^sgeneral
Buell die Spitze zu bieten, dessen Operationen
durch die Insurrection in seinem Rücken er-
schwert seien. Die hartnäckige Vertheidigung
von Vicksburg, bem man eine. solche, Wider-
standökraft nicht zugetraut, sei ein Beweis,
baß auch die Bundeskanonenböote nichts aus-
zurichlen vermögen, und da jetzt iü Nichmond
ein neues Panzerschiff nach einer verbesserten
Construction bes „Merrimac" tzebaut und bald
vollendet sein wird, so werbe auch dke Macht
der Uniousflotte auf bem Iamesfluß, wo sie
schon am Fort Darling emen unbeflegbaren
Gegner gesuuden, bald gebrochen werben. Eine
Anerkennung deö Sübens durch England al-
lein würde nur Oel in's Feüer gießen und
den Enthusiasmus des Nordeus aus hse Spiße

Crstes deutsches Bundesschiesten.

'Von C. Heyner.

(Fortsetzung).

War mit der Rede des Dr. Jäger die Reihe der
officiellen Pankette und somit das Fest in der'Halle.
geschloffen, so galt es noch das eigentliche Schützen-
fest zu schließen, die befteN'Schützen zu verlesen und
ihnen die Preise zuzutheilen. DieHeierlichkeit be-
gann unter Anwcsenhcit des hochen Senats, der
Chrcnjungfraüeu, der Knaben, welche die Gaben
getragen, uno fast sämmtlicher Mitglieder dcr ein-
zelnen Comite's nach 5 Uhr Nachmittags. Eine
dichte sMenschenmenge hatte sich um den Gaben-
tempel geschaarr, unter ihr mancher Schütz, dessen
Herz bang schlug in der Erwartung, ob auch sein
Name unter den Preisträgern gcnannt werde.

Dr. Müller cröffnet die Feierlichkeit mit den Wor-
ten: „Nach diesem schönen, herrlichen Fest bleibt
uns nur noch übrig, zü verlesen, welche Schützen
bie bestcn Prcise gewonnen, unb ich bcauftrage hier-
mit unsern Sccretär, das Resultat zu verlesen.
(Bereits der Hauptsache uach mitgetheilt).

Nachdem die Preise verlesen waren, von denen

oie hauptsächlichsten jcdes Mal durch eine der Ehren-
Iungfrauen vorgezeigt, mit Tusch der Mustk und
Kanonendonner begrüßt wurden, ergriff Dr. Müller
das Wort:

„Schützen, Festgenossen, Mitbürger ! Wir haben
schöne und herrliche Tage verlebt, Tage der Freude
und der Erhebung. Den Schützen, welche Ehren-
gaben empfangen, gratulire ich, es ist nicht der
Werth der Gaben, sondern die Ehre, welche die
Gaben so werthvoll macht. Die Schützen, welche
leer ausgehen, mögen sich die Mühe nicht verdrießen
lassen, denn sie haben redlich gerungen und auch
ihnen gebührt Ehre. Wir Älle aber sühlen, daß
dieses Feft nicht blos ein Schteß- und Volksfest,
sondern ein nationales Fest gewesen, und wir hoffen,
daß die Schützen mehr mit nach Hanö nchmen alS
bloße Ehrcngaben, nämlich ein wärmeres Gefühl
für's Vaterland, als sie hierhergevracht (Bravo).
.AUe, die hierhergekommen, sind als Deutsche mit
dem Gefühl der Vaterlandsliebe gckommen. Hier
war kein Stamm, der bcvorzugt oder zurückgesctzt
worden wäre, alle sind mit gleicher Liebe willkom-
mengeheißen, alleso entlaffenworden Hierherrschte
keine Parthei uuo das Vakerland stanb höher als

alle Partheien, hier galt kein Unterschied des Ran-
gcs ynd Standes, der Fürst ging mit dem schlich-
testen Manne und drückte ihrn dieHand, derFürst
saß auf gleicher Bank, wie wir Alle (Bravo!)

Wir wollen und dürfen Hoffen, daß der Saame,
der hier ausgestreut wurde, fich überall hin vcr-
breitet, daß das Vaterland die Früchte des Schützen-
festes genießen wird. Zwar wirb dseser Tempel,
wefcher nicht für Fürsten, sondern zu Ehren der
Majestat des Volkes erbaüt worden ist, binnen we-
nig Tagen niedergelegt wcrben; wenn aber das
dentsche Volk den Sinn und Gejfl des Festes rich-
tig erkannt, so wirb dieser Tcmpel ewig dauern,
ewig feststehen im Herzen des Volkes. (Bravo!
Bravo!)

Ich schließe dieses Feft, erhoben von dem Ge-
danken an's Vaterland unb im Hinblick auf die
traurigen Tage, die wir erlebt, als der Sturm
diese Halle brach, abcr auch^erhoben von der Ueber-
zeugung, daß das deutsche Volk Alles kann, wenn
es nur will. (Bravo!) In drei Tagen wurde diese
Halle wicder aufgebaut, Arbeiter, Turner, Bürger,
Behörden, Alles griff an, da sich Ieder sagte, daß
dies keine Sache Franksurts sei, sondern daß er
 
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