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Heidelberger Familienblätter — 1865

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No. 26 - No. 39 (1. März - 31. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43186#0155

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ſetzte er hinzu. „Wollen iſt Können, dies war ſein Wahlſpruch
ſchon als Knabe, und wir werden ſehen, ob ſein Wille ihm in Elin's
Herz hineinhelfen und den Lieutenant daraus verdrängen kann.

Siebentes Kapitel.

Am Tage nach der Abreiſe des Lieutenants ſaßen die Oberſtin und
Julie in dem kleinen, von Blumenduft erfüllten Zimmer. Auf dem Antlitz
des jungen Mädchens ruhte eine tiefere Bläſſe als gewöhnlich: auf der
glatten Stirn aber zeigte ſich keine Wolke und in den ſanft-ernſten. Augen
kein Schatten. Das gebrochene Herz lag in einer ſtillen, ruhigen Hülle.
Daß jene Saiten, welche von der Kindheit an ſo ſchön, ſo erfüllt von
Liebe, Zuverſicht und Hoffnung erklungen, jetzt zerriſſen waren, und daß
ihre verheißungsvollen Träume, nachdem ſie zerronnen, nur eine entſetzliche
Leere, einen grenzenloſen Schmerz zurückgelaſſen hatten, dies wußte Niemand
als Gott und ſie ſelbſt; denn über die ſtolzen Lippen kam kein Seufzer.
Keine Klage und keine Thräne milderte den ſchmerzlichen Eindruck, welchen
Julie bei der Ueberzeugung empfand, daß jener ſo theuere, ſo innig geliebte
Jugendfreund, mit deſſen Bild ſie jede Freude verknüpft, an deſſen Seite
ſie ſo oft geſchwärmt, aller, jener Schätze von Zärtlichkeit, die ſie an ihn
verſchwendet, unwürdig war, daß er ihr Herz und ihre Zukunft mit dem
kälteſten Egoismus geopfert während er ſie dabei noch immer durch Ver-
ſicherungen einer Liebe zu bethören ſuchte, die er nicht mehr hegte.
„In der That, ich begreife dich nicht, Julie,“ ſagte die Oberſtin faſt
hitzig; „dein Benehmen iſt mir ein Räthſel, und ich hätte nicht erwartet,
daß du gegen mich ſo eigenwillig handeln würdeſt, wie du gethan haſt.
Ich ſollte meinen, daß ich als Mutter wohl erſt hätte gefragt werden
ſollen, ehe du, trotz meiner ſo lange gehegten Wünſche, mit Alfred brachſt.
Kannſt du einen einzigen vernünftigen Grund dafür angeben 2
»„Liebe Mama, ſchon vor mehreren Monaten ſagte ich Alfred, daß ich
unvermählt zu bleiben wünſche, daß ich bei dem Gedanken an eine Ver-
einigung unſerer Geſchicke mich eines widerſtrebenden Gefühls nicht erwehren
kann. Daß ich mich vorgeſtern Abend beſtimmt erklärte, hatte ſeinen Grund
darin, daß wir uns zufällig unter vier Augen ſprechen konnten.“ ö
Julie ſagte dies in ruhigem, gleichmäßigem Ton, während ſie fortfuhr
zu nähen.
„Aber warum biſt du heimlich zu Werke gegangen? Warum bin ich
nicht in deine Plane eingeweiht worden?“ fragte die Oberſtin.
„Deshalb, gute Mama, weil ich wußte, du würdeſt mich zu einer
entgegengeſetzten Handlungsweiſe zu überreden, ja vielleicht zu zwingen
ſuchen. Ach, Mama, verzeihe mir, wenn ich dir Kummer bereite; aber
nun kann ich bei dir bleiben, bis an meinen Tod, und dies iſt Alles, was
ich auf der Welt wünſche.“
Mit dieſen Worten neizte Julie das ſwane Haupt, und drückte ihre
Lippen auf die Hand der Mutter
„Du betrübſt mich wirklich tief, denn du zerſtörſt meine liebſte
Hoffnung,“ entgegnete * Oberſtin ſeufzend. „Und der arme Alfred,
wie unglücklich muß er ſein, da er ſo über. Hals und Kopf, und ohne
von mir Abſchied zu nehmen, die Stadt verlaſſen hat. Gott gebe nur,
daß er in ſeiner Verzweiflung nicht eine übereilte That begehe!“
(Fortſetzung folgt.)
 
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