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Heidelberger Familienblätter — 1874

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No. 88 - No. 95 (4. November - 28. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43704#0387

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terlich und rief aus voll Ingrimm: O, Du biſt unge-
recht; dieſe Perſon gehört unſer; ſie hat nichts Gutes
gethan, und jetzt ſie ſo begnadigen, ihr die Wundmale
eindrücken und durch ſie ſo viele bekehren! Ferner ſagte

der Teufel noch, am 1. Februar müſſe er von ihm wei-

chen. Beide Vorausſagungen trafen richtig ein; am 19.
Januar blutete die Thereſia Städeln abermals an der
Stirn und am 1. Februar, Nachmittags 2⅛ Uhr, fuhr
der Teufel von hinnen, nachdem er ſein Opfer vorher
noch in jeder erdenklichen Weiſe grauſam gequält und ge-
foltert hatte. ö ö ö
Von jetzt ab war das Wunder fix und fertig, denn
jene Blutung trat nun regelmäßig ein. Vom 1. Februar
1849 ab begann an jedem Donnerſtag, Abends zwiſchen
9 und 10 Uhr, das Bangen und Leiden der Thereſia
Städeln, gerade wie bei Chriſtus am Oelberge. Mor-
gens gegen 6 Uhr begann die Blutung an der Stirn,
die bis ungefähr 12 Uhr andauerte. Dann wurde ſie
ruhiger und in demſelben Augenblicke, wo die Kirchuhr
drei ſchlug, ſagte ſie: Vater in Deine Hände empfehle ich
meinen Geiſt! Sie gibt darauf, ſagt Pfarrer Röllin,
nach einigen heftigen, den ganzen Leib erſchütternden
Stößen, den Geiſt ſo ſcheinbar auf, daß man glaubt, es
ſei kein Leben mehr in ihr zu finden.“ ö ö
Ein Augenzeuge, der einer derartigen Blutung bei-
wohnte, berichtete über dieſelbe, wie folgt: Als ich gekom-
men, habe ich die Thereſia in ihrem Leiden geſehen, ſowie
daß ſie blutete. Sie hatte vom Haare aus über Augen
und Wangen Blutſtreifen und an beiden Händen Blut,
gerade ſo, als ob ein friſcher Nagel durchgeſchlagen wor-
den: auch befand ſich am Leinenzeug des Bettes Blut.
Bisweilen hatte ſie Zuckungen, dann lag ſie wieder ganz
ruhig. Einer zog ihr den Augendeckel auf, wo ich dachte,

ſie würde jetzt gewiß zucken; allein das Auge blieb ganz
Etwas vor drei Uhr hatte ſie heftige

ohne Bewegung.
Zuckungen; der Athem wurde ſchwerer, präcis ſo, wie
ein Menſch im Ende liegt. Wie es drei geſchlagen, hatte
ſie drei heftige Stöße, die mit dem Schlagen der Uhr
aufhörten; ſie hatte keinen Athem mehr und wurde an
Geſicht und Lippen ganz weiß.
Daß das Pfarrhaus in Menzingen Tag und Nacht
von Hunderten Menſchen belagert war, die alle die Blut-
ſchwitzerin Thereſia, unter welchem Namen ſie bald eine
Berühmtheit erlangt hatte, ſehen wollten, bedarf wohl
kaum der Erwähnung. Doch die Betrügereien ſollten
bald ihr Ende erreichen. Am 17. Mai wurde von der
Regierung des Cantons Zug eine Commiſſion zur Un-
terſuchung nach Menzingen abgeſchick', die aus einem Re-
gierungsbeamten, dem Polizei-Commiſſär von Zug und
zwei Aerzten beſtand. Ihnen hatten ſich zwei Conventualen
des Capuzinerkloſters in Zug angeſchloſſen. In Gegen-
genwart dieſer Commiſſion verfiel die Blutſchwitzerin The-

reſia Abends gegen 9 Uhr auch wirklich wieder in ihren-

gewöhnlichen Zuſtand, auch traten die Zuckungen wie-
. ein aber die Hauptſache blieb aus, nämlich — das
ut! —
Sie wartete dafür mit folgender Anſprache auf:
Dieſe Herren ſind gekommen, nicht für den Himmel zu
arbeiten. Der Herr aber ſagt, wenn ich auch Zeichen
und Wunder gebe, wollt Ihr dennoch nicht daran glauben.
Wehe euch dann! Cs wird kein Blut fließen! Die drei
Stöße traten am andern Tage gerade wie früher ein, auch

das angebliche Verenden trat wieder ein, aber kein Trop-

fen Blut war gefloſſen.

Die Commiſſion hatte den Betrug und das Gaukel-

ſpiel ſofort erkannt. Thereſia Städeln wurde verhaftet,
nach Zug in das Gefängniß abgeführt und crimineal-
rechtlich verfolgt. —
Im Laufe der Unterſuchung geſtand ſie ihre Betrü-
gereien ein. Der Zweck derſelben war geweſen, nach

Aufhebung des Inſtituts zu Steierberg die Leute zur 6

Errichtung eines ähnlichen Kloſters zu beſtimmen, in dem
ſie dann Aufnahme gefunden haben würde.

bringen gewußt!
dieſe Species der Wunder gekommen ſei, erwiderte ſie:

Am Steierberg wurde über dem Eſſen aus dem Buche
Allerheiligen chriſtliche Legenden gehalten; in dieſem las
ich auch die Geſchichte des heiligen Franciscus, wie er,
vom Satan geplagt, ſich dadurch eine große Heiligkeit er-

worben habe. Nach der Legende war bekanntlich der h.
Franeiscus mit den fünf Wundmalen verſehen.
Wie ſie den Pfarrer Röllin zu Beſten gehabt, be-

kundete Thereſia wie folgt: War ich mit Leib- oder.

Zahnſchmerzen geplagt, und machte der Pfarrer, nachdem
ich ihm ſolches geklagt, das heilige Kreuzzeichen über mich,
oder gebrauchte er das Weihwaſſer, ſo ſagte ich, die
Schmerzen hätten nachgelaſſen, obwohl es nicht wahr war,
um ihm glauben zu machen, es ſei vom Satan. Ich gab
ihm vor, öfters Gedanken zum Selbmord zu bekommen;

um dies glaubhaft zu machen, trennte ich den Saum und

einen Faden aus dem Hemd, dem Pfarrer vorgebend, es

ſeien Stricke, die mir der Satan zum Erhängen gebracht

habe. War ich knieend im Gebet neben der Kathri (des

Pfarrers Köchin), ſo machte ich eine Bewegung, daß ich —
an ſie ſtieß, und wir Beide auf den Boden hinfielen,

um glauben zu machen, es ſei der Satan, der uns im

Gebet ſtöre. 2**
Auch gab ſie an, wie ſie alle Poltergeſchichten im-

Pfarrhaus ins Leben gerufen, wie viele ungenießbare
Suppen durch den bloßen Gebrauch des Weihwaſſers ge-

nießbar geworden; wie ſie ſich hinter des Pfarrers Rücken ö

über deſſen Briefe herzumachen gewußt, um deren Inhalt
dann (bei ihren Betrügereien) zu benutzen ꝛ:c.

Man ſieht, ſie hatte die ganze Schwindelei von einer

ziemlich humoriſtiſchen Seite aufgefaßt.

Am 14. Auguſt fällte das Criminalgericht zu Zug *

gegen ſie folgendes Urtheilz
In Erwägung ꝛc. hat das Criminalgericht gefunden:
Es habe ſich Thereſia Städeln des Criminal-
Verbrechens des Betruges mittelſt künſtlich erregten
Blutſchwitzens, ſowie mittelſt ſimulirter Beſeſſenheit
ſchuldig gemacht, ö ö —
und erkennt: ö
1. es ſei dieſelbe nächſten Dienſtag, Vormittags 10

Uhr, eine halbe Stunde lang auf der Schandbank

auszuſtellen, mit einem Zettel am Halſe und der

Deviſe: Thereſia Städeln von Bolingen, Amt
Radolfzell, Großherzogthum Baden, Betrügerin;
mit 30 Ruthenſtreichen in verſchloſſenem Raum



zu züchtigen;

urtheilen;



verbannen.

Glaubensbekenntniß und Abſchwärungs-

Formular Friedrich Auguſt II., Churfürſt

von Sachſen.

Der Berliner Correſp. der Londonen „Times“ theilte
dieſer Tage den vollen Wortlaut jenes wunderbaren Glau-
bensbekenntniſſes des ſtarken Auguſt mit, welches dieſer
Fürſt beim Uebertritt von der lutheriſchen zur katholiſchen

Kirche am 2. Juli 1697 in Baden bei Wien ablegen
mußte, bevor ihm der römiſche Clerus die Krone Polens

ö Die Wund.
male ꝛc. hatte ſie ſich ſtets mit einer Stecknadel bei zu.
Auf Befragen, wie ſie gerade a u.

zu einer dreijährigen Zuchſhausſtrafe zu ver-

auf Zeit Lebens aus der Eidgenoſſenſchaft zu
 
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